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Zum Abschuss freigegeben Schweden bläst zur größten Wolfsjagd seit Jahren – doch Tierschützer können wohl nicht auf Brüssel hoffen

Ein Wolf (Canis lupus) in einem Wald in Västerbotten, Schweden
Ein Wolf (Canis lupus) in einem Wald in Västerbotten, Schweden. Dieses Jahr dürfen in Schweden 75 Wölfe geschossen werden. 
© Peter Lilja / Imago Images
In Schweden werden derzeit Wölfe gejagt. Es ist eine der größten Jagden seit Jahren. Naturschützer warnen vor ernsten Folgen. Auch die EU ist nicht begeistert – scheint aber wenig für den Schutz der Tiere tun zu wollen.

Seit dem 2. Januar sind sie zu Abschuss freigegeben: 75 Wölfe in Schweden, die gejagt und getötet werden dürfen. Gävleborg, Dalarna, Västmanland, Örebro und Värmland sind die Provinzen mit der höchsten Wolfsdichte. Unter anderem dort soll der Wolf geschossen werden.

2010 wurde in Schweden die lizenzierte Jagd auf Wölfe in dem skandinavischen Land wieder erlaubt. Die diesjährige Jagd ist die bisher größte, berichtet der schwedische Fernsehsender SVT. Die Politik will die Jagd, Jäger bejubeln sie: Die Wolfspopulation sei zu hoch in Schweden, es gebe Konflikte zwischen Mensch und Tier. Tierschützer warnen hingegen vor ernsten Konsequenzen für Ökosysteme, sollten zu viele Wölfe geschossen werden. 

Bei der aktuell laufenden Jagd sind mindestens 51 der freigegebenen Tiere geschossen worden, wie der schwedische Jägerverband am Montag mitteilte.

Geschätzt 460 Wölfe in Schweden – viel weniger als in Deutschland

Dort feiert man das Vorgehen: "Den Wolfsjägern gebührt Lob. (…) Ich bin stolz, ein Jäger zu sein, wenn ich sehe, wie die Wolfsjäger in Mittelschweden gehandelt haben. Die Berichte, die ich erhalten habe, zeugen von gut organisierten Jagden mit einem hohen Maß an Sicherheit und seriösen Jägern – trotz der Anwesenheit von Aktivisten, die mancherorts versuchen, die Jagd zu stören", sagte Mikael Samuelsson, Vorsitzender des Verbands der schwedischen Jäger. Die Zahl der Wölfe in Schweden sei zu hoch, so die Argumentation des Verbandes.

Die Population sei nicht bedroht, so Samuelsson, sondern befinde sich auf einem Rekordniveau. Nach Angaben der schwedischen Naturschutzagentur wurden in Skandinavien im Winter 2021/22 etwa 540 Tiere gezählt. In Schweden wurde die Zahl der Wölfe in diesem Zeitraum auf etwa 460 geschätzt.

Ein toter Wolf wird nach der Wolfsjagd in Schweden im Jahr 2010 vermessen
Ein toter Wolf wird nach der Wolfsjagd in Schweden im Jahr 2010 vermessen
© Olivier Morin / AFP

Damit liegt Schweden allerdings im EU-Vergleich hinten: In Bulgarien gibt es schätzungsweise mehr als 2700 Wölfe und in Italien rund 3300. In Deutschland lebten laut Bundesumweltministerium im Monitoringjahr 2021/2022 insgesamt 161 bestätigte Rudel, 43 Paare und 21 territoriale Einzeltiere.

Politik will weniger Wölfe, Tierschützer schlagen Alarm

Die schwedische Politik sieht wie der Jägerverband die Notwendigkeit, die Zahl der Wölfe zu verringern. Der Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss des schwedischen Parlaments schlug im Mai letzten Jahres Änderungen beim Wolfsmanagement vor. Man solle sich an dem vom Parlament 2013 beschlossenen Referenzwert orientieren. Konkret: "Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der Wert angesichts der Verdichtung der Wolfspopulation im Lande im unteren Bereich von 170 Individuen liegen sollte."

Die damalige schwedische Ministerin für ländliche Angelegenheiten, Anna-Caren Sätherberg, sagte dazu: "Wir haben einen günstigen Erhaltungszustand erreicht, was das Wolfsmanagement unberechenbar macht." Das Konfliktniveau mit dem Wolf sei gestiegen, die Akzeptanz ihm gegenüber hingegen gesunken.

Naturschützer halten die Zahl von 170 allerdings für zu niedrig. Die schwedische Umweltschutzbehörde hatte eine Mindestzahl von 300 Wölfen festgelegt, damit die Population in einem günstigen Erhaltungszustand bleibt, berichtete SVT im Mai. Eine Zahl, die in EU-Gesetzen verankert ist.

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Der Wolf ist wichtig für Ökosysteme

Kritik kam auch von Natur- und Tierschützern: Die Zahl von 170 beruhe nicht auf wissenschaftlichen Fakten, sagte Benny Gäfwert, Raubtierexperte beim WWF dem Sender. "Der Wert von 170 ist zu niedrig." Je kleiner die Wolfspopulation sei, desto größer seien die Auswirkungen von Schwankungen auf den genetischen Status der Population.

Für Ökosysteme spielen Wölfe tatsächlich eine große Rolle, da sie in deren Lebensräumen an der Spitze der Nahrungskette stehen. Wölfe gelten als "Gesundheitspolizisten" des Waldes, da sie schwache und kranke Tiere fressen, womit der Bestand seiner Beutetiere "gesund" bleibt.

Die Anwesenheit von Wölfen führt aber auch dazu, dass bestimmte Tiere wie Hirsche die Jagdgründe von Wölfen meiden. Dies wiederum hilft der Vegetation, da Jungpflanzen weniger gefressen werden. Wölfe tragen so zur Wiederherstellung der Vegetation bei. In Wäldern ist dies sehr wichtig, um den Boden vor Erosion zu schützen.

EU kritisierte Schweden wegen Wolfsjagd

Tierschützer hoffen jetzt auf Unterstützung von der Europäischen Union, damit der Wolf nicht weiter gefährdet wird. Schon zwei Mal gab es Mahnungen aus Brüssel in Richtung Stockholm, zum Beispiel im Jahr 2015. Die EU-Kommission forderte damals die Regierung auf, die Wolfsjagd mit EU-Regeln in Einklang zu bringen. Nach Ansicht der Kommission habe Schweden mit der Zulassung der Lizenzjagd eine "systematische Praxis eingeführt, die gegen die Habitatrichtlinie verstößt". Zudem ziehe Schweden zur Wolfsjagd "keine anderen zufriedenstellenden Alternativen in Betracht".

Bisher wurde aber davon abgesehen, Schweden vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen. Zu der aktuellen Jagd sagte ein Kommissionsbeamter der Nachrichtenseite "Politico": "Das Vertragsverletzungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, und wir beobachten die Situation genau."

EU-Resolution will weniger Schutz für Wölfe

Allerdings stehen die Zeichen bei der EU eher nicht auf Wolfsschutz: Nachdem im vergangenen Jahr das Pony "Dolly" von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von einem Wolf gerissen wurde, wies sie Kommissionsbeamte an, die Vorschriften zum Schutz der Wölfe in Europa neu zu bewerten, wie "Politico" ebenfalls berichtete.

Ende November habe sie eine "eingehende Analyse" der Wolfsbedrohung gefordert, nachdem Berichte über vermehrte Angriffe auf Nutztiere, insbesondere in den Alpen, eingegangen waren.

Im selben Monat verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution zum Schutz von Nutztieren – zum Nachteil der Wölfe: Der Text fordert die Herabstufung ihres Schutzstatus.

Quellen: Svenska Jägereförbundet, SVT, Naturvärdsverket, Parlaments Schwedens, Nabu, Zoo Zürich, EU-Kommission, "Frankfurter Allgemeine", "Politico", EU-Parlament, Europarat, Bundesumweltministerium

Anmerkung: In einer Zwischenüberschrift hieß es "Geschätzt 460 Wölfe in Schweden – mehr als in Deutschland". Korrekt muss es weniger heißen. Dies wurde korrigiert. 

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