US-Präsident Donald Trump will bereits am kommenden Samstag seine Kandidatin für die Nachfolge der verstorbenen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg vorstellen. Trump darf zuversichtlich sein, dass sich seine Wunschjuristin für den freigewordenen Posten am Obersten Gericht noch während seiner Amtszeit dem Votum des Senats stellen kann. Der Mehrheitsführer der Republikaner in der Kongresskammer, Mitch McConnell, hatte bereits kurz nach Ginsburgs Tod erklärt, dass er noch vor der Wahl am 3. November über deren Nachfolge abstimmen lassen wird und in den Reihen der Grand Old Party ist bislang kein entscheidender Widerstand dagegen erkennbar. Erwartet wird, dass die Mehrheit für die Bestätigung von Trumps Kandidatin zustande kommt.
Auch der Führer der demokratischen Minderheit im Senat, Charles E. Schumer, meldete sich nach Ginsburgs Ableben zu Wort: "Das amerikanische Volk sollte eine Stimme bei der Auswahl seines nächsten Richters am Obersten Gerichtshof haben", twitterte er. "Deshalb sollte diese freie Stelle nicht besetzt werden, bis wir einen neuen Präsidenten haben."
"Verwenden Sie meine Worte gegen mich"
Mitch McConnell müssen diese Sätze bekannt vorgekommen sein. Er selbst hatte sie am 13. Februar 2016 genau so in einer Stellungnahme geschrieben - kaum zwei Stunden nachdem der Tod des damaligen Verfassungsrichters Antonin Scalia bestätigt worden war. McConnells Parteikollegen stießen damals ins gleiche Horn und die republikanische Senatsmehrheit verhinderte, dass der von Präsident Barack Obama nominierte Kandidat Merrick Garland von der Kongresskammer überhaupt angehört wurde. Als Grund nannte sie die mehr als acht Monate später anstehende Präsidentschaftswahl.
Die "Los Angeles Times" zitiert aus einem Brief vom 23. Februar 2016, in dem die republikanischen Angehörigen des dafür zuständigen Justizausschusses des Senats McConnell mitteilten, dass sie keine Anhörungen für einen Obama-Kandidaten abhalten würden. "Seit 1932 hat der Senat in einem Präsidentschaftswahljahr keinen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof für einen im selben Jahr frei werdenden Posten bestätigt", schrieben demnach unter anderem die Senatoren Lindsey Graham aus South Carolina, Charles E. Grassley aus Iowa sowie John Cornyn und Ted Cruz aus Texas. Und man müsse noch weiter zurückgehen - bis ins Jahr 1888 - um einen Kandidaten zu finden, der unter einer geteilten Regierung (eine Partei stellt den Präsidenten, eine andere kontrolliert den Kongress) nominiert und bestätigt worden sei.
Von den elf Mitgliedern, die den Brief unterschrieben haben, sitzen der "Los Angeles Times" zufolge sieben immer noch im Senat und sechs - Grassley, Graham, Cornyn, Cruz, Mike Lee aus Utah und Thom Tillis aus North Carolina - sind weiterhin Mitglieder des Justizausschusses.
Die Zeitung hat die damaligen Aussagen der Republikaner über die Auswahl von Verfassungsrichtern in einem Wahljahr ihren Stellungnahmen nach dem Tod von Ginsburg gegenübergestellt.
Senator Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat
13. Februar 2016: "Das amerikanische Volk sollte eine Stimme bei der Auswahl seines nächsten Richters am Obersten Gerichtshof haben. Deshalb sollte diese freie Stelle nicht besetzt werden, bis wir einen neuen Präsidenten haben."
16. März 2016: "Bei der Entscheidung, die der Senat vor Wochen getroffen hat, geht es nach wie vor um ein Prinzip und nicht um eine Person", sagte McConnell im Plenum des Senats. Er habe Obama persönlich mitgeteilt, dass der Senat "weiterhin die Biden-Regel einhalten werde, so dass das amerikanische Volk bei dieser bedeutsamen Entscheidung mitreden kann".
Joe Biden, mittlerweile Präsidentschaftskandidat der Demokraten, hatte im Juni 1992 während der Wahlkampfvorbereitungen des republikanischen Amtsinhabers George W. Bush gegen Bill Clinton argumentiert, wenn ein Richter vor der Wahl zurücktrete, solle erst der nächste Präsident den Posten besetzen.
28. Mai 2019: McConnell auf die Frage, was er tun würde, wenn im nächsten Jahr ein Sitz am Obersten Gerichtshof vakant werden würde: "Wir würden ihn besetzen."
18. September 2020, die Nacht von Richterin Ginsburgs Tod: "Die Amerikaner haben unsere Mehrheit 2016 bestätigt und 2018 erweitert, weil wir uns verpflichtet haben, mit Präsident Trump zusammenzuarbeiten und seine Agenda zu unterstützen, insbesondere seine herausragenden Berufungen an die Bundesgerichte", erklärte McConnell. "Der Kandidat von Präsident Trump wird im Senat der Vereinigten Staaten zur Abstimmung gestellt."
Senator Lindsey Graham, Vorsitzender des Justizausschusses
Graham wurde im Januar 2019 zum Vorsitzenden des Justizausschusses gewählt, nachdem Grassley die Position aufgegeben hatte, um den Vorsitz in einem anderen Gremium zu übernehmen.
10. März 2016: "Ich möchte, dass Sie meine Worte gegen mich verwenden", verkündet Graham während einer Sitzung des Justizausschusses. "Wenn es 2016 einen republikanischen Präsidenten gibt und im letzten Jahr der ersten Amtszeit ein Posten frei wird, können Sie sagen, dass Lindsey Graham gesagt hat: 'Lassen wir den nächsten Präsidenten, wer auch immer es sein mag, diese Nominierung vornehmen'."
3. Oktober 2018: "Wenn es im letzten Jahr der Amtszeit von Präsident Trump eine freie Stelle gibt und die Vorwahlen schon begonnen haben, warten wir auf die nächste Wahl", versichert Graham auf der Bühne einer Veranstaltung des US-Magazins "The Atlantic". Als sein Interviewer ihn darauf hinwies, dass seine Aussage mitgeschnitten werde, ruft Graham scherzhaft: "Haltet das Band an!."
19. September 2020: Graham erklärt, dass er "Präsident Trump bei allen Bemühungen unterstützen werde, in Bezug auf den kürzlich durch das Ableben von Richter Ginsburg frei gewordenen Posten voranzukommen". Der Republikaner begründet seinen Sinneswandel mit der Quasi-Abschaffung des sogenannten Filibuster bei den meisten Personalfragen durch die Demokraten und die, wie er es nannte, Bemühungen der Partei und der Medien, "das Leben von Brett Kavanaugh zu zerstören" und den für ihn vorgesehenen Posten am Obersten Gericht unbesetzt zu lassen.
Filibuster bezeichnet das unbegrenzte Rederecht von Volksvertretern, das es der Senatsminderheit ermöglicht, Beschlüsse der Mehrheit durch Dauerreden zu verschleppen. Die Demokraten haben dieser Blockadetaktik im Jahr 2013 mit ihrer damaligen Senatsmehrheit einen Riegel vorgeschoben, also fünf Jahre vor Grahams Kommentar aus 2018.
Donald Trumps Nominierung von Richter Kavanaugh für den Obersten Gerichtshof wurde am 6. Oktober 2018 bestätigt.
Senator Charles E. Grassley, ehemaliger Vorsitzender des Justizausschusses
Grassley, Vorsitzender des Justizausschusses im Jahr 2016, äußerte sich zum Tod Ginsburgs, aber nicht dazu, wie die Republikaner bei der Neubesetzung ihres Sitzes vorgehen sollen.
13. Februar 2016: "Tatsache ist, dass es in den letzten fast 80 Jahren gängige Praxis war, dass Kandidaten für den Obersten Gerichtshof während eines Präsidentschaftswahljahres nicht nominiert und bestätigt werden", erklärt Grassley am Tag von Scalias Tod. "Angesichts der enormen Kluft im Land und der Tatsache, dass dieser Präsident keinen Hehl aus seinem Ziel gemacht hat, die Gerichte zur Umgehung des Kongresses und zur Durchsetzung seiner eigenen Agenda zu nutzen, ist es nur sinnvoll, dass wir uns dem amerikanischen Volk fügen, das einen neuen Präsidenten wählen wird, um den nächsten Richter des Obersten Gerichtshofs auszuwählen."
16. März 2016: Nachdem Obama den Bezirksrichter Merrick Garland nominiert hat, sagt Grassley, der Präsident habe seine verfassungsmäßige Pflicht wahrgenommen und der Senat übe sein Beratungs- und Zustimmungsrecht aus, indem er den Kandidaten nicht berücksichtige. "Eine Ernennung auf Lebenszeit, die sich dramatisch auf die individuellen Freiheiten auswirken und die Richtung des Gerichts für mindestens eine Generation ändern könnte, ist zu wichtig, um sich in der Politik festzufahren. Dem amerikanischen Volk sollte eine Stimme nicht verweigert werden."
17. Juli 2020: "Wenn ich Vorsitzender des Ausschusses wäre und dieser Posten frei werden würde, würde ich keine Anhörung darüber abhalten, denn das habe ich dem Volk 2016 versprochen", sagt Grassley vor Reportern.
21. September 2020: Grassley erklärt, seine Position im Laufe der Jahre sei gewesen, dass der Justizausschussvorsitzende und der Mehrheitsführer des Senats entscheiden sollten, ob eine Anhörung stattfinde. "Beide haben ihre Absichten bestätigt, voranzuschreiten, also wird das geschehen", sagt der Senator. "Wenn die Anhörungen erst einmal begonnen haben, ist es meine Aufgabe, den Kandidaten nach seinen Verdiensten zu beurteilen, so wie ich es immer getan habe."
Senator John Cornyn, Mitglied des Justizausschusses
16. März 2016: "An diesem kritischen Punkt in der Geschichte unserer Nation verdienen die Texaner und das amerikanische Volk ein Mitspracherecht bei der Auswahl der nächsten lebenslangen Berufung an den Obersten Gerichtshof", teilt der Vertreter des Bundesstaates Texas mit. "Die einzige Möglichkeit, das amerikanische Volk zu ermächtigen und sicherzustellen, dass es eine Stimme hat, besteht darin, dass der nächste Präsident die Nominierung für die Besetzung dieses frei gewordenen Amtes vornimmt.
19. September 2020: Auf Twitter postet Cornyn einen Link zu einem "National Review"-Artikel, in dem eine Besetzung des Supreme-Court-Postens durch die Republikaner noch vor der Wahl als historisch gerechtfertigt bezeichnet wird. Der Senator retweetet außerdem McConnells Bemerkung, dass der Senat über Trumps Kandidatin abstimmen werde.
Senator Mike Lee, Mitglied des Justizausschusses
Lee und sein Bruder Thomas, der Richter am Obersten Gerichtshof von Utah ist, stand zunächst auf der Kandidatenliste des Präsidenten für den Obersten Gerichtshof. Mittlerweile hat Trump aber erklärt, er werde eine Frau nominieren. Der Senator äußerte sich zu Ginsburgs Tod, aber nicht dazu, was der Senat jetzt tun solle.
16. März 2016: "Angesichts der umstrittenen Präsidentschaftswahlen, die bereits in vollem Gange sind, haben meine Kollegen und ich im Justizausschuss in dieser Frage bereits unseren Rat und unsere Zustimmung gegeben: Wir werden keine Anhörungen oder Abstimmungen über den Auserwählten von Präsident Obama durchführen", teilt Lee mit.
Senator Ted Cruz, Mitglied des Justizausschusses
Als Scalia 2016 starb, kandidierte Cruz noch für die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Er schied am 3. Mai aus dem Rennen aus. Zunächst wurde der Senator auf die Liste der potenziellen Kandidaten des Präsidenten für den Obersten Gerichtshof gesetzt. Mittlerweile hat Trump aber erklärt, er werde eine Frau nominieren.
14. Februar 2016: "Der Senat hat seit 80 Jahren keinen Kandidaten bestätigt, der im letzten Jahr, einem Wahljahr, benannt wurde", stellt Cruz bei einem Auftritt im Fernsehsender ABC klar. Er werde "auf jeden Fall" jeglichen Kandidaten Obamas blockieren.
18. September 2020: "Ich glaube, dass der Präsident nächste Woche einen Nachfolger für das Gericht nominieren sollte, und ich halte es für entscheidend, dass der Senat diesen Nachfolger vor dem Wahltag annimmt und bestätigt, sagt Cruz während eines Auftritts beim Sender Fox News.
Senator Thom Tillis, Mitglied des Justizausschusses
Tillis vertritt den Bundesstaat North Carolina als Senator und liefert sich dort zurzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen um seine Wiederwahl mit seinem demokratischen Herausforderer Cal Cunningham.
16. März 2016: "Wir befinden uns mitten in einer Präsidentschaftswahl, und die Senatsmehrheit gibt dem amerikanischen Volk eine Stimme, um die Richtung des Obersten Gerichtshofs zu bestimmen", verkündet Tillis in einer Erklärung.
19. September 2020: "Vor vier Jahren wurde ein Posten am Obersten Gerichtshof vakant, unter einer geteilten Regierung und einem Präsidenten, der nicht zur Wiederwahl antrat, während die Amerikaner seinen Nachfolger wählten", stellt Tillis in einer Erklärung fest. "Heute jedoch stellt sich Präsident Trump erneut den Wählern an der Wahlurne, und die Bewohner von North Carolina werden letztlich ihr Urteil über seine Präsidentschaft abgeben, und darüber wie er das vakante Amt besetzen will.
Senatorin Joni Ernst, Mitglied des Justizausschusses
Ernst war 2016 nicht im Justizausschuss, ist aber seit 2014 im Senat. Sie befindet sich derzeit in einem harten Kampf um ihre Wiederwahl als Senatorin für den Bundesstaat Iowa.
16. März 2016: "Nochmals, hier geht es nicht um eine bestimmte Person", sagt Ernst in einer Telefonkonferenz gegenüber Reportern. "Es geht um die Tatsache, dass wir einen Präsidenten haben, der aus seinem Amt ausscheidet, und wir stehen vor einer sehr, sehr wichtigen Wahl, bei der wir wollen, dass sich die Menschen zu Wort melden. Wir wollen ihre Meinung dazu hören. Das werden sie tun, indem sie einen neuen Präsidenten wählen."
17. Juli 2020: Ernst erklärt, sie würde die Anhörung eines Kandidaten für den Supreme Court befürworten, falls ein Sitz frei werden würde. "Wir haben einen republikanischen Senat und einen republikanischen Präsidenten, und daher sehe ich bei der Auswahl eines Richters für den Obersten Gerichtshof keinen Unterschied zwischen dem Präsidenten und dem Senat", sagt sie im Sender PBS in Iowa.
Auf die Frage, warum es 2016 wichtig für die Wähler gewesen sei, ein Mitspracherecht zu haben, 2020 aber nicht, sagt sie, dass das Weiße Haus und der Senat nun von derselben Partei geführt würden. "Dies ist ein anderes Szenario."
18. September 2020: In ihrer Erklärung zu Ginsburgs Tod äußert sie sich nicht dazu, welche weiteren Schritte jetzt unternommen werden sollten.
Quellen: "Los Angeles Times", "Be a Hero" auf Twitter, "Vox", John Cornyn auf Twitter, "National Review"