Der Anführer des Terrornetzwerks Al Kaida, Osama bin Laden, soll sich nach mehr als einem Jahr erstmals wieder persönlich mit einem Tonband zu Wort gemeldet haben. Nach Erkenntnissen des US-Geheimdienstes CIA handelt es sich bei der Stimme, die in einer am Donnerstag vom arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira ausgestrahlten "Botschaft an das amerikanische Volk" zu hören ist, "höchstwahrscheinlich" um die von Bin Laden. Das habe eine technische Analyse ergeben, sagte ein CIA-Sprecher in Washington.
Die Nachricht im Wortlaut
Erstmals seit gut einem Jahr hat sich dem Sender Al-Dschasira zufolge der Al-Kaida-Chef Osama bin Laden zu Wort gemeldet und mit neuen Anschlägen in den USA gedroht. Im folgenden übersetzte Passagen aus der Tonbandaufnahme ausstrahlte:
„Meine Botschaft an Sie handelt vom Krieg im Irak und in Afghanistan und davon, wie er beendet werden kann. Ich will nicht mit Ihnen darüber sprechen, weil wir schon wissen, wie dieser Krieg enden sollte ...“
„Doch ich spreche zu Ihnen, weil Ihr Präsident unaufhörlich Meinungsumfragen fehlinterpretiert, die zeigen, dass die überwiegende Mehrheit von Ihnen einen Abzug Ihrer Streitkräfte aus dem Irak unterstützt. Aber er hat diesem Wunsch widersprochen und gesagt, dass der Abzug der Truppen die falsche Botschaft an den Feind wäre und dass ist besser sei, ihn auf seinem als auf Ihrem Boden zu bekämpfen.“
„Die Wirklichkeit zeigt, dass der Krieg gegen die USA und ihre Verbündeten nicht auf den Irak beschränkt ist, wie er behauptet, sondern dass der Irak ein Anziehungspunkt und ein Rekrutierungsgebiet für qualifizierte (Mudschahedin) geworden ist.“
“... die Mudschahedin konnten mit Gottes Hilfe alle Sicherheitsvorkehrungen ... überwinden, und das Ergebnis ist das, was Sie in den Explosionen in wichtigen europäischen Hauptstädten gesehen haben ...“
„Und der Aufschub ähnlicher Angriffe in den USA liegt nicht daran, dass wir nicht die Sicherheitsmaßnahmen überwinden könnten. Die Einsätze werden vorbereitet, und Sie werden sie in Ihren Häusern sehen, sobald sie abgeschlossen sind.“
„Und auf Grundlage der Meinungsumfragen, die andeuten, dass Amerikaner nicht gegen Moslems in einem moslemischen Land kämpfen wollen, noch dass sie wollen, dass Moslems gegen sie in ihrem Land kämpfen, haben wir keine Einwände, einen langfristigen Waffenstillstand auf Basis fairer Bedingungen anzubieten ... einen Waffenstillstand, der Sicherheit und Stabilität und den Wiederaufbau des Irak und Afghanistans garantiert, die der Krieg zerstört hat.“
In dem Tonband, das der Sender al Dschasira am Donnerstag ausgestrahlt hat, heißt es weiter, nicht die Sicherheitsmaßnahmen seien der Grund dafür, dass es seit dem 11. September 2001 keine Anschläge gegeben habe. "Diese Sicherheitsmaßnahmen, die von den Staaten der Allianz der Ungerechten ergriffen wurden, sind nicht so gut wie ihr denkt, die Explosionen in Europa sind ein Beweis dafür."
Vielmehr, so der Sprecher, "gebe es Operationen, die einer Vorbereitung bedürfen". "Es ist besser, die Muslime nicht in ihrem Land zu bekämpfen", heißt es in der Botschaft weiter.
"Wie halten uns an Abmachungen"
Zudem biete Bin Laden dem amerikanischen Volk einen Waffenstillstand unter bestimmten Bedingungen an, berichtete der Sender Al-Dschasira, und zitiert den Sprecher mit den Worten: "… so dass wir den Irak und Afghanistan wieder aufbauen können. Wir würden uns an diesen Waffenstillstand halten, denn Gott hat unserer Nation (der Muslime) auferlegt, sich an Abmachungen zu halten."
Die USA haben das Waffenstillstandsangebot am Donnerstag abgelehnt. "Wir verhandeln nicht mit Terroristen, wir legen ihnen das Handwerk", sagte der Sprecher des US-Präsidialamts, Scott McClellan.
Aufnahme vom Dezember
Der Sender Al Dschasira machte keine Angaben, wann und wie er das Band erhielt. Die Aufnahme sei im Dezember entstanden. Chefredakteur Ahmed al Scheik erklärte, die Aufnahme sei insgesamt zehn Minuten lang, sein Sender habe vier Auszüge veröffentlicht. Terrorabwehrexperten in den USA erklärten am Donnerstag in Washington, ihnen lägen keine konkreten oder glaubwürdigen Hinweise auf einen bevorstehenden Al-Kaida-Anschlag auf das Land vor. Sollte die Aufnahme von Bin Laden stammen, habe er möglicherweise den Al-Kaida-Anhängern und der Öffentlichkeit beweisen wollen, dass es ihn noch gebe. Die letzte Audiobotschaft, die Bin Laden zugeschrieben wurde, stammt von Dezember 2004.
Al-Kaida-Sprengstoffexperte getötet
Unterdessen hat die pakistanische Regierung bekannt gegeben, dass unter den Todesopfern des jüngsten US-Luftangriffs auf ein pakistanisches Grenzdorf nahe Afghanistan ein wichtiger Sprengstoffexperte der al Kaida sei.
Demnach handelt es sich um den Ägypter Midhat Mursi al Sajid Umar, der auf einer Terrorliste der USA weit oben steht. Ferner kam den Angaben zufolge ein enger Verwandter von al-Kaida-Vize Ajman al Sawahri ums Leben. Al Sawahri galt der Angriff, er wurde nicht verletzt.
Bei dem Luftangriff auf das Dorf Damadola am vergangenen Freitag sollen mindestens drei bekannte Terroristen getötet worden sein. Umar galt als Experte für Sprengstoff und chemische Kampfstoffe. Er verteilte nach Erkenntnissen der US-Behörden Anleitungen für den Bau von biologischen und chemischen Waffen. Für Hinweise auf seinen Aufenthaltsort hatten die USA eine Belohnung von fünf Millionen Dollar ausgesetzt.