Wegen Kritik an Erdogan Türkischem Chefredakteur droht lebenslange Haft

Angriff auf die Pressefreiheit: Der türkische Präsident Erdogan will einen unbequemen Journalisten wegen Spionage vor Gericht bringen. Das Urteil könnte drakonisch ausfallen.

Dem Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet" droht wegen einer Anzeige von Präsident Recep Tayyip Erdogan nach eigenen Angaben lebenslange Haft. "Cumhuriyet"-Chef Can Dündar schrieb am Dienstagabend auf Twitter, das geforderte Strafmaß belaufe sich auf zweimal lebenslänglich und 42 Jahre Haft. Erdogan stellte nach Angaben der regierungsnahen Nachrichtenagentur Anadolu persönlich Strafanzeige gegen den Regierungskritiker. Grund ist ein von Dündar verfasster Bericht über angebliche Waffenlieferungen von der Türkei an Extremisten in Syrien.

Türkische Prominente wie Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk solidarisierten sich in der Mittwochsausgabe der "Cumhuriyet" mit Dündar. Pamuk schrieb, die Pressefreiheit sei ein unverzichtbarer Teil der Demokratie und dürfe der Aufregung und dem Ärger vor der Wahl nicht zum Opfer fallen. Die Türken wählen am Sonntag ein neues Parlament.

Behörden verhängten Nachrichtensperre

"Cumhuriyet" hatte vergangene Woche Aufnahmen veröffentlicht, die eine Waffenlieferung für Extremisten in Syrien aus der Türkei Anfang 2014 belegen sollen. Die Behörden hatten eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt. Die türkische Staatsanwaltschaft leitete am Freitag Ermittlungen gegen "Cumhuriyet" wegen Terrorpropaganda und Spionage ein.

Am Montag drohte Erdogan dem "Cumhuriyet"-Chef und sagte, der Autor werde einen "hohen Preis" für die Veröffentlichung bezahlen. Nach Darstellung der türkischen Regierung handelte es sich bei der Lieferung um Hilfsgüter. Erdogan wirft Dündar in seiner persönlichen Anzeige unter anderem politische und militärische Spionage vor, wie Anadolu berichtete.

Menschenrechtlerin fordert Einstellung des Verfahrens

Emma Sinclair-Webb, Türkei-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, verurteilte die Ermittlungen am Mittwoch in einer Mitteilung als "neuesten Angriff auf Medien, die die Regierung herausfordern". Sinclair-Webb forderte eine Einstellung des Verfahrens. Die politische Führung der Türkei solle zudem aufhören, Journalisten zu drohen.

DPA
lie/DPA