Überraschendes Urteil im Terror-Prozess Schließung von Guantánamo in weiter Ferne

Rückschlag für US-Präsident Barack Obama: Der erste Prozess gegen einen Guantánamo-Häftling vor einem Zivilgericht endete anders als erwartet. Die von Obama angestrebte Schließung des heftig kritisierten Gefangenen-Lagers wird nun noch lange auf sich warten lassen.

Bei der Kongresswahl fehlten ihm die Stimmen, jetzt fehlt ihm auch die Fortune. Für US-Präsident Barack Obama ging das erste Verfahren eines Guantánamo-Gefangenen vor einem Zivilgericht auf amerikanischem Boden ganz anders aus, als er es sich versprochen hatte.

Obama hatte einen Sieg der Anklage auf ganzer Linie eingeplant. Gemeint war ein Schuldspruch für den Terror-Häftling Ahmed Ghailani in den wichtigsten Anklagepunkten, Verschwörung zum Massenmord im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die US-Botschaften in Afrika 1998. Denn damit hätte Obama Kritikern beweisen können, dass es nicht umstrittener Militär-Sondergerichte bedarf, um eine Verurteilung und harte Bestrafung von Terroristen zu erreichen.

Aber die Geschworenen entschieden anders, so ist das in einem unabhängigen Rechtssystem und so soll es auch sein: Es gibt keine garantierten Urteile. Was freilich nicht heißt, dass Ghailani irgendwann in naher Zukunft ein freier Mann sein wird. Der einzige Punkt, in dem er für schuldig befunden wurde, wird ihn wohl lebenslang hinter Gitter bringen.

Es ist also sichergestellt, dass Ghailani künftig kein Unheil mehr anrichten kann. Aber das zählt in diesem Fall wenig - ein Hinweis darauf, wie irrational, absurd und verzerrt die Diskussion in den USA über den Umgang mit Terrorverdächtigen geworden ist.

Obamas Wahlversprechen: die Schließung von Guantánamo

Obama meinte es gut. Er trat sein Amt mit dem festen Plan an, das umstrittene Lager Guantánamo Bay in Kuba zu schließen, einen Schandfleck in den Augen der restlichen Welt. So ist es auch sein Ziel, Gefangene von dort möglichst vor US-Zivilgerichte zu stellen anstatt vor die Militärkommissionen, die in der Bush-Ära eigens für Prozesse gegen Guantánamo-Häftlinge geschaffen wurden.

Aber Obama verkalkulierte sich gründlich, biss auf Granit im Kongress. Auch viele Demokraten halten es für besser, Terrorverdächtige in Guantánamo zu lassen und ihnen dort den Prozess zu machen, wo eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als in Strafverfahren vor US-Zivilgerichten mit mehr Rechten für die Angeklagten.

So baute denn Obama auf den Ghailani-Prozess als einem Paradebeispiel dafür, dass der Gerechtigkeit auch so Genüge getan werden kann. Und genauso, sagen Bürgerrechtsgruppen, kam es auch: Der Richter ließ die wichtigste Zeugenaussage zur Stützung der Anklage nicht zu, weil sie nur aufgrund von Angaben Ghailanis bei einem Folterverhör möglich wurde. Die Geschworenen sahen als Folge nicht genügend Beweise, um Ghailani in die Hinrichtungskammer zu schicken.

Weiterer Zivilgerichts-Prozess undenkbar

"Dieses Urteil bekräftigt einmal mehr, dass das Rechtssystem unserer Nation das beste ist, das jemals geschaffen wurde", sagten denn auch Ghailanis Anwälte. Das Justizministerium als Anklagebehörde äußerte sich erfreut darüber, dass auf Ghailani nun zumindest ein Minimum von 20 Jahren Haft zukommt. Ein Sprecher sagte, dass das Ministerium das Urteil natürlich respektiere - bei aller zwangsläufigen Enttäuschung.

Denn nun ist wohl endgültig klar, dass Obama kein weiteres Guantánamo-Strafrechtsverfahren auf US-Boden mehr wird durchsetzen können, erst recht nicht einen Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September, Chalid Scheich Mohammed. Und damit rückt auch die Schließung von Guantánamo Bay in weite Ferne. Sie wäre angesichts des Republikaner-Erfolges bei der jüngsten Kongresswahl ohnehin nur noch schwer zu erreichen gewesen - jetzt wird sie ein fast chancenloses Unterfangen.

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Gabriele Chwallek, DPA