Bundespräsident Joachim Gauck will der Bitte des Bundesverfassungsgerichts nachkommen und die Gesetze zum Fiskalpakt und zum Euro-Rettungsschirm ESM nach der Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat zunächst nicht unterzeichnen. "Der Bundespräsident beabsichtigt, dieser Bitte in Übereinstimmung mit der ständigen Staatspraxis zwischen den Verfassungsorganen und aus Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht stattzugeben, sobald Bundestag und Bundesrat die entsprechenden Vertragsgesetze beschlossen haben", teilte das Präsidialamt am Donnerstag in Berlin mit.
Der ESM, der am 29. Juni von Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden soll, kann damit nicht wie geplant zum 1. Juli starten. Die Karlsruher Richter haben sich ausreichend Zeit zur Prüfung erbeten. Dem Verfassungsgericht sind unter anderem von der Linkspartei Klagen und Verfassungsbeschwerden angekündigt worden.
Rettungsschirm soll am 9. Juli starten
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters soll der ESM zum 9. Juli seine Arbeit aufnehmen. Dies geht aus einem Entwurf für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels Ende nächster Woche hervor, der Reuters vorliegt. Darin heißt es: "Die Unterzeichner des ESM-Vertrages werden sein In-Kraft-Treten bis zum 9. Juli 2012 sicherstellen." Wegen Verzögerungen bei der Ratifizierung in mehreren Euro-Ländern hatte zuletzt der italienische Europaminister Enzo Moavero bezweifelt, dass der 500 Milliarden Euro schwere Rettungsschirm seine Arbeit wie geplant am 1. Juli aufnehmen kann.
Merkel hat nicht mit Gauck gesprochen
Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, Bundeskanlerin Angela Merkel habe niemals mit Gauck über die Frage und den Zeitpunkt der Ausfertigung der Gesetze zum ESM und zum Fiskalpakt gesprochen. "Anderslautende Behauptungen entsprechen nicht den Tatsachen." Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor berichtet, der Entscheidung Gaucks sei heftiges Gezerre hinter den Kulissen vorausgegangen. Demnach wollte Gauck zunächst auf Drängen von Merkel die Gesetze unmittelbar nach der Abstimmung im Bundestag und Bundesrat unterzeichnen.