Nach einem Vorstoß syrischer Regierungstruppen in das Grenzdorf Chirbet al-Dschoos sind Hunderte Dorfbewohner in die Türkei geflüchtet. Das türkische Fernsehen zeigte, wie Männer, Frauen und Kinder in Panik auf die Grenze zu rannten. Ein syrischer Aktivist berichtete, er habe 30 Panzer und 15 Busse der Armee gesehen, die am Donnerstag in das Dorf eingedrungen seien. Anschließend seien Schüsse zu hören gewesen.
Schon vor der Ankunft der Soldaten und Milizionäre hätten sich dutzende Familien aus Chirbet al-Dschoos außerhalb des Dorfes versteckt, weil sie mit einem Angriff gerechnet hätten, sagte der Aktivist. Als die ersten Panzer gekommen seien, seien sie losgelaufen. Auf der türkischen Seite wurden sie nach seinen Angaben erst mit Bussen in eine Kaserne gebracht und dann auf die Flüchtlingslager verteilt.
Der Aktivist sprach von 1000 Flüchtlingen. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, die Hilfsorganisation Roter Halbmond habe alleine bis zum Mittag 600 Neuankömmlinge gezählt.
Er habe von Flüchtlingen gehört, dass Soldaten und Angehörige der Schabiha-Miliz mit Namenslisten durch das Dorf gezogen seien und dort Häuser von Regimegegnern zerstört hätten, erklärte der Aktivist weiter. Anschließend habe er gesehen, wie zwölf der Armee-Busse das Dorf wieder verlassen hätten und in Richtung der Stadt Dschisr al Schughur gefahren seien. Ein anderer Aktivist sagte, er vermute, die Truppen hätten den Auftrag erhalten, diesen Abschnitt der Grenzregion unter ihre Kontrolle zu bringen, weil von dort viele negative Nachrichten über die Machenschaften des Regimes verbreitet worden seien.
Soldaten reißen türkische Fahne herunter
Ein Korrespondent der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, der Einsatz der syrischen Soldaten habe von türkischer Seite aus beobachtet werden können. Besorgte Einwohner des türkischen Grenzdorfes Güvecci hätten ihre Behörden über den Vorstoß informiert. Die Soldaten hätten eine türkische Fahne abgerissen, die syrische Dorfbewohner auf ihrer Seite der Grenze gehisst hatten.
Vor dem Einmarsch hatte sich die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei erstmals seit Tagen auf rund 10.200 Menschen verringert, da etwa 180 Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt waren.
Flüchtlinge auch auf dem Weg in den Libanon
Im Libanon trafen seit Mittwoch rund 200 syrische Flüchtlinge ein. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, die meisten dieser Flüchtlinge seien Frauen und Kinder aus einem kleinen Ort unweit der Hafenstadt Tartus. Sie hätten erklärt, die syrische Armee habe ihr Dorf besetzt, um eine Razzia vorzubereiten. Präsident Baschar al Assad und seine Regierung hatten diese Woche zwar Reformen versprochen. Zu einem Dialog mit der Protestbewegung, die sie als "bewaffnete Terrorbanden" bezeichnen, sind sie jedoch nicht bereit.