Vereitelte Terroranschläge Wie Geheimdienste mit der Angst spielen

Wenn Geheimdienste durchsickern lassen, Anschläge vereitelt zu haben, zuckt die Öffentlichkeit zusammen. Doch nicht immer steckt hinter solchen Meldungen eine echte Gefahr - oft nutzen die Dienste die Terrorangst für ihre eigenen Zwecke.

Anschlag auf G20-Gipfel vereitelt. Anschlag an New Yorker Times Square vereitelt. Anschlag auf US-Flugzeug vereitelt. Anschlag auf dänischen Zeitungsverlag vereitelt. Anschlag in Sydney vereitelt. Anschlag auf US-Synagogen vereitelt. Anschlag in Belgien vereitelt - die Reihe diese Schlagzeilen aus den vergangenen Jahren ließe sich beliebig fortsetzen. Nahezu im Drei-Monats-Rhythmus lassen Geheimdienste und Polizei die Öffentlichkeit wissen, dass sie mögliche Terroraktionen verhindert haben. Wie auch jetzt wieder: "Nachrichtendienstliches Aufkommen", so Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, hätte ergeben, dass Islamisten Anschläge in den USA, in Europa und auch in Deutschland geplant hätten.

Auf Einzelheiten über die Attentate aber wurde, wie so oft, nicht weiter eingegangen. Nur soviel: Als Vorbild der Anschläge sollten die Mumbai-Attentate dienen, sie sollten unter anderem in London verübt werden, die Drahtzieher säßen in Pakistan und der Informant habe Verbindungen nach Hamburg. Der Zeitpunkt sei naturgemäß unbekannt, stehe aber nicht unmittelbar bevor. Inforamant Klingt auf den ersten Blick bedrohlicher als auf den zweiten, denn das Bedrohungsszenario bleibt trotz dieser Details vage. Ob weitere Erkenntnisse der Einfachheit halber weggelassen wurden oder ob sich damit der Informationsstand der Geheimdienste erschöpft, bleibt weitgehend im Dunkeln. Diese Meldung vom Mittwochmorgen, die auch stern.de aufgegriffen hat, ist eine von denen, deren dürftiger Inhalt in keinem Verhältnis zu dem Lärm steht, den sie erzeugen - und deshalb den Geschmack der Unglaubwürdigkeit hinterlässt.

Wer hat was davon?

Christian Ströbele, Abgeordneter der Grünen, beschäftigt sich als Mitglied des Geheimdienstausschusses des Bundestags mit der Arbeit der Nachrichtendienste. Er sagt: "Wir stellen immer wieder fest, dass sie vor allem dann Informationen nach Außen tragen, wenn es ihnen etwas nützt." Cui bono, sagt der Lateiner dazu - frei übersetzt: Wer hat was davon. In diesem Fall, so die Vermutung des Berliner Politikers, könnten die USA ein Interesse an der Terrorwarnung haben. Denn in jüngster Zeit fliegt die US-Armee wieder verstärkt Angriffe im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Diese Antiterroreinsätze sind vor allem im Pakistan höchst umstritten - und ein steter Quell des Unmuts gegenüber den Verbündteten. "Wenn es nun unter Berufung auf Geheimdienstkreise heißt, man habe Hinweise auf Anschlagspläne bekommen, könnte die Kritik an den Angriffen wieder abebben", so Ströbele.

Ob es den Geheimdiensten nun wirklich gelungen ist, eine internationale Anschlagsserie zu verhindern, ob dieser "Erfolg" nur sehr vollmundig verkauft oder ob er gar schlicht erschwindelt wurde, wird vermutlich nie aufgeklärt werden können. "Man müsste einmal systematisch untersuchen, was aus den regelmäßig auftauchenden Anschlagswarnungen der vergangenen Jahre eigentlich geworden ist", sagt Ströbele. Doch eine solche Nacharbeit findet nicht statt. Natürlich nicht, denn die Geheimdienste müssten dann ihre oft genug zweifelhaften Methoden und Absichten offenlegen - und so ihre eigene Legitimität in Frage stellen. "Nicht selten fragt man sich: Wie konnte man aufgrund solch vager Erkenntnisse eigentlich Warnungen herausgeben und die Bevölkerung verängstigen?", so Ströbele.

Harmlose Absichten, gefährliche Absichten

Manchmal ist die Absicht von gezielt gestreuten Indiskretionen verhältnismäßig harmlos: Etwa wenn es darum geht, dass die Behörden einfach nur mal wieder lautstark darauf hinweisen wollen, das es sie gibt und wie wichtig ihre Arbeit ist. Manchmal verselbstständigen sich auch nur Teile des Apparats und "produzieren Skandale, von denen selbst die Chefetage nichts weiß", wie Ströbele sagt. Terrorwarnungen taugen auch dafür, bestimmte Diskussionen in bestimmte Richtungen zu lenken. So denkt die Bundesregierung derzeit über ein neues Sicherheitspaket nach. "Solche Meldungen dienen natürlich dazu, die Pläne für eine Verschärfung zu fördern."

Gefährlich aber wird es dann, wenn die Politik die Dienste instrumentalisiert und sich ganze Strategien auf deren Informationen gründen. So geschehen 2003 vor der UN-Versammlung in New York. Der damalige US-Außenminister Colin Powell präsentierte den Staatenvertretern angebliche Beweise dafür, dass der Irak über Biowaffen verfüge. Sie waren der entscheidende Grund für den Feldzug der Amerikaner gegen das Land. Es war der deutsche Bundesnachrichtendienst, der den Informanten mit dem Decknamen "Curveball" und seine Informationen den Amerikanern zur Verfügung stellte. Powell nannte sie "solide", doch sie erwiesen schlicht als falsch. Am Anfang des Irak-Kriegs stand eine Lüge und dahinter Geheimdienste mit zweifelhaften Quellen.