Das Parlament in Belgrad hat am Dienstag formell die Auflösung Jugoslawiens und die Umwandlung des bisherigen Bundesstaates zu einem lockeren Zusammenschluss von Serbien und Montenegro beschlossen. Nach dem jugoslawischen Oberhaus stimmte am Abend auch das Unterhaus dem von der Europäischen Union vermittelten Abkommen zu. Das Land heißt künftig „Serbien und Montenegro„. Nationalisten in beiden Republiken hatten sich bis zuletzt dem Ende Jugoslawiens widersetzt.
In Anspielung auf die Vermittlung des EU-Chefdiplomaten Javier Solana, der die Union aus der Taufe gehoben hatte, wird der neue Bund schon als «Solanija» verspottet. Kritiker bemerken, es seien im Streit der serbischen und montenegrinischen Interessengruppen so viele Kompromisse eingegangen worden, dass die Union kaum funktionieren könne. So hat Serbien-Montenegro keine Hauptstadt, aber mit dem Euro und dem Dinar zwei Währungen.
Hauptaufgabe Harmonisierung der Währungssysteme
Eine Hauptaufgabe der neuen Institutionen wird die Harmonisierung der zwei unterschiedlichen Währungssysteme sein. Einer der schärfsten Kritiker ist der Wirtschaftsreformer Miroljub Labus, der seine Unterschrift unter das Abkommen über die Union als größten Fehler bezeichnet. Solana habe Druck aus Brüssel für einen einheitlichen Wirtschaftsraum versprochen. Bei der Annäherung an der EU sollte es keine Verzögerungen geben. «Die Umsetzung des Belgrader Abkommens ist drei Mal schlimmer als das Abkommen selbst», meint Labus jetzt aber.
Bei den Reformern ist die Enttäuschung groß. Und in Montenegro wird schon der Ausstieg aus der Union vorbereitet, wenn in drei Jahren eine in der Verfassung vorgesehene Volksabstimmung entsprechend ausfällt. Der neue Staat solle zwar seine Chance bekommen, sagt der montenegrinische Präsidentschaftskandidat Filip Vujanovic, ein Verfechter der Eigenstaatlichkeit. Aber: «Das Referendum muss frei und fair sein, und seine Ergebnisse werden von der ganzen internationalen Gemeinschaft anerkannt», sagt der Politiker.
1918 als «Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen» gegründet
Jugoslawien, 1918 als südslawisches «Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen» gegründet, ist bereits zwei Mal untergegangen und neu gegründet worden. Doch Serbien-Montenegro weckt schon bei der Gründung keine politische Leidenschaftlichkeit. Die Union scheint für die Mehrzahl der Politiker ein Vehikel, um Kurs auf die EU zu nehmen. So gilt der Bund aus Serbien-Montenegro als Voraussetzung für die Aufnahme in den Europarat und Abkommen mit der EU.
Das einstige Zentrum der Macht, der Palast der Föderation in Belgrad, ist schon seit Jahren an den Rand der politischen Entwicklungen gerückt. Trotzdem haben die Institutionen des Bundesstaates noch mehr als 10 000 Mitarbeiter, berichtete die Zeitung «Politika». Künftig sollen das Parlament und die fünf Ministerien nur noch 3000 Beamte beschäftigen. Als prominentestes politisches Opfer des Endes Jugoslawiens kann dabei Präsident Vojislav Kostunica gelten. Ihm kommt der Staat abhanden, nachdem sein Wechsel in das Amt des serbischen Präsidenten misslungen ist.
Loser Bund zweier Republiken
Serbien-Montenegro tritt die Nachfolge der Bundesrepublik Jugoslawien an und ist nur ein loser Staatenbund. Die neue Union umfasst zwei der Republiken, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Sozialisten Josip Broz Tito die Föderative Republik Jugoslawien gebildet hatten. Seit dem Ende des Sozialismus haben sich Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien abgespalten.
Serbien-Montenegro wird keine Hauptstadt haben. Belgrad bleibt aber mit dem Sitz des gemeinsamen Parlaments und des Ministerrates (Regierung) das administrative Zentrum. In der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica hat das gemeinsame Gericht seinen Sitz. Der neue Staat hat 8,2 Millionen Einwohner. Dazu kommen etwa zwei Millionen Menschen im Kosovo, das seit 1999 unter UN-Verwaltung steht und nicht mehr von Belgrad regiert wird.
Das gemeinsame Parlament von Serbien-Montenegro hat 126 Abgeordnete: 91 aus Serbien und 35 aus Montenegro. Es wählt aus den Reihen der Parlamentarier den Präsidenten Serbien-Montenegros. Dieser ist gleichzeitig Vorsitzender des Ministerrates als Regierung. Es gibt fünf Ministerien: für Außenpolitik, Verteidigung, Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland, Wirtschaftsbeziehungen im Binnenland und für Menschen- und Minderheitenrechte.
Gemeinsamer Oberster Verteidigungsrat
Ein gemeinsamer Oberster Verteidigungsrat führt das Oberkommando über Streitkräfte. Beide Teilrepubliken bewahren die Souveränität auf dem Finanz- und Wirtschaftsgebiet. Serbien behält als Währung den (jugoslawischen) Dinar, Montenegro bleibt beim Euro. In internationalen Organisationen wie den UN und der OSZE sollen abwechselnd Vertreter aus beiden Mitgliedstaaten den Platz Serbien-Montenegros einnehmen.