Vorwahl in New Hampshire Clinton schlägt Obama

Es ist ein sensationelles Comeback: Hillary Clinton hat die Kandidatenkür der Demokraten im US-Bundesstaat New Hampshire entgegen aller Umfragen gewonnen - und ihren Rivalen Barack Obama geschlagen. In ihrer Dankesrede vor jubelnden Fans gab Clinton den Takt für die kommenden Wochen vor - und zeigte sich sehr menschlich.

Die Niederlage bei der Vorwahl in Iowa in der vergangenen Woche hatte sie schwer getroffen. Ihr Stern schien hinter dem glänzenden Sieg des jungen, kennedyhaften Barack Obama zu verblassen. In Umfragen fiel sie hinter dem neuen Star zurück. Sie wirkte wie eine Figur von gestern. Aber entgegen aller Erwartungen hat Hillary Clinton, die Senatorin aus New York, im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten die Kehrtwende geschafft. Am Dienstag hat sie völlig überraschend die Vorwahl ihrer Partei im Bundesstaat New Hampshire gewonnen - und Obama auf den zweiten Platz verwiesen. Nach Auszählung der Stimmen in rund 96 Prozent der Wahlbezirke führte Clinton nach Angaben des TV-Senders CNN zufolge mit 39 Prozent der Stimmen vor Obama mit 37 Prozent. Auf Rang drei kam John Edwards mit 17 Prozent der Stimmen.

Clintons menschliche Seite triumphiert

Um kurz nach elf Uhr Ortszeit trat Clinton in Manchester, der Hauptstadt des Bundesstaates, vor ihre jubelnden Anhänger, begleitet von Tochter Chelsea und dem leicht rotgesichtigen Gatten, Ex-Präsidenten und Co-Wahlkämpfer Bill. In ihrer politisch gewieften Dankesrede gab sie sofort den Ton für die weiteren Vorwahlkämpfe vor. Dabei versuchte sie vor allem zu zeigen, dass sie aus der Niederlage in der vergangenen Woche in Iowa Lehren gezogen habe und begriffen habe, dass sie den Bürgern mehr zuhören müsse. "Ich möchte mich bei besonders bei New Hampshire bedanken", sagte sie unter dem tosendem Applaus ihrer Anhänger. "Ich habe Ihnen in den vergangenen Tagen zugehört", rief sie. "Und im Laufe dieses Prozesses habe ich meine eigene Stimme gefunden. Lassen Sie uns Amerika so ein Comeback bescheren wie Sie es mir jetzt beschert haben."

New Hampshire ist für Clinton ein grandioser Triumph, den sie ironischerweise der Niederlage von Iowa zu verdanken haben dürfte: Danach hatte sich Clinton gegenüber den Wählern demütig aber auch verletzlich gezeigt - und so der Öffentlichkeit genau jene menschliche Seite offenbart, deren Fehlen ihr bislang immer vorgeworfen wurde. In den vergangenen Tagen hatte sie demonstrativ auf mehr Bürgernähe gesetzt, aber bei einem öffentlichen Auftritt auch fast geschluchzt. Der jetzige Sieg dürfe Clinton Rückenwind für die anstehenden weiteren Vorwahlen geben. Sie hat sich in New Hampshire als "Comeback-Kid" profiliert, gleiches war ihrem Mann Bill in seinem Wahlkampf 1992 am gleichen Ort gelungen.

In den USA küren die Parteien - Demokraten und Republikaner - ihre Kandidaten für das Präsidentenamt in parteiinternen Vorwahlen. In jedem US-Bundesstaat ermittelt die Partei auf unterschiedliche Weise einen Sieger. Für die am besten platzierten Kandidaten stimmen dann Delegierte dieses Staates auf einem Nominierungsparteitag im Sommer. Das Ziel der Kandidaten muss also sein, in so vielen Staaten zu gewinnen, dass es für die Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag reicht. Die Zahl der Delegierten, die ein Staat entsenden darf, variiert beträchtlich. New Hampshire darf zwar nicht viele Delegierte entsenden. Weil der Staat aber als zweiter wählt, hat der Ausgang der Wahl dort erhebliche Auswirkungen auf die Dynamik des Rennens, auf die Stimmung. Das entscheidende Datum bei den diesjährigen Vorwahlen ist der 5. Februar, der "Super-Dienstag". Dann findet die Kandidatenkür in mehr als 20 US-Bundesstaaten statt.

Bei ihrer Rede wurde Clinton mehrfach von Jubel und "Hillary, Hillary"-Rufen unterbrochen. Auffällig: Im Gegensatz zu ihrer Rede nach der Wahl in Iowa hatten ihre Strategen nun vor allem junge Anhänger hinter ihr platziert. Clinton hatte in Iowa im Gegensatz zu Obama sehr schlecht bei den jungen Wählern abgeschnitten. Nun sagte sie, sie habe in den vergangenen Tagen viele junge Menschen getroffen, die sich die Universitätsgebühren nicht leisten könnten. Clinton versprach, weiter für diese Personen kämpfen zu wollen.

"Es wird keine unsichtbaren Amerikaner mehr geben"

Clinton sagte, dass es ihr um die Menschen gehe. "Viel zu viele Menschen waren zu lang unsichtbar", sagte sie - und versuchte, sich so als Anwältin einfacher Bürger zu profilieren. "Für mich sind Sie nicht unsichtbar." Sie sagte, Ölfirmen, Versicherungskonzerne und Banken hätten sieben Jahre lang einen Präsidenten für sich gehabt und griff damit Amtsinhaber George W. Bush an. Nun sei es Zeit, dass die einfachen Menschen einen Präsident bekämen. "Ich will dieser Präsident für Sie sein", sagte Clinton. "Es wird keine unsichbaren Amerikaner mehr geben", sagte sie. "Wir sind bereit, den Weg bis zum Ende zu gehen."

Clinton sagte, Amerika stehe innen- und außenpolitisch vor großen Herausforderungen. Es gehe ihr darum, jene Versprechen einzulösen, für die Amerika stehe - in der Bildungs-, in der Gesundheits-, aber auch in der Außenpolitik. Sie wolle sich um die Mittelklasse kümmern, für Generationengerechtigkeit sorgen und den Irak-Krieg auf die "richtige Art und Weise" beenden. "Morgen werde ich aufstehen, den Schlaf abschütteln - und weitermachen", sagte Clinton. Sie dankte ihrem Mann und ihrer Tochter, den "zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben" - und ihrer Mutter.

Obama prägt neuen Slogan

Wenige Minuten vor Clinton war Obama vor seine Fans getreten. Auch seine Anhänger skandierten seinen Namen. Obama gratulierte Clinton zu ihrem Sieg und hielt eine knapp zehnminütige Rede, in der er sagte, dass es von Anbeginn seiner Kandidatur an klar gewesen sei, dass es kein einfacher Weg werden würde.

In seiner Ansprache bemühte sich Obama erneut, sich als Kandidat des Wandels zu profilieren. "Wir wissen, dass es ein langer Kampf wird", sagte er. Aber nichts könne der Kraft der Millionen Menschen im Wege stehen, die einen Wandel in Amerika wollten, sagte der Senator. "Wir sind bereit, das Land in eine fundamental neue Richtung zu führen", sagte er. Vieles sei ihm nicht zugetraut worden - und schon jetzt habe seine Kandidatur diese Skeptiker widerlegt. Rhetorisch geschickt führte Obama eine Reihe von Dingen auf, die ihm - und Amerika - vermeintlich nicht zugetraut worden seien. Bei jedem Punkt fragte er: Können wir das? Und antwortete rhetorisch: "Yes, we can." Zum Ende der Rede skandierten auch die Anhänger jenen Slogan, der nun offenbar verdeutlichen soll, dass Obama den selbstbewussten Trotz gegenüber dem veränderungscheuen Establishment darstellt: "Yes, we can." Der drittplatzierte John Edwards gratulierte Clinton ebenfalls noch am Abend und sagte, das er auch bei weiteren Vorwahlen antreten werde.

In Umfragen kurz vor der Vorwahl hatte Obama, der die erste parteiinterne Kandidatenkür in der vorigen Woche in Iowa gewonnen hatte, mit einem zweistelligen Vorsprung vor der New Yorker Senatorin und Ex-First Lady gelegen. Für Clintons Wahlkampfteam kamen die Ergebnisse überraschend. Zuletzt hatte man sogar überlegt, die nächsten zwei Vorwahlrunden auszulassen, um sich neu aufzustellen. Umfragen hatten Obama zuvor einen klaren Sieg in New Hampshire vorausgesagt. Clinton war kurz daher vor der Abstimmung bereits unter erheblichen Druck geraten. Die "New York Times" berichtete, in ihrem Wahlkampfteam würden vermutlich erste Köpfe rollen.

Viele Analysten sehen in einem emotionalen Wahlkampfauftritt von Hillary Clinton kurz vor der Wahl einen möglicherweise entscheidenden Grund, warum sich doch viele Menschen für Clinton entschieden haben. Clinton hatte am Abend vor der Wahl noch einmal intensiv um Unterstützung geworben und wurde dabei fast von ihren Emotionen überwältigt. Die sonst eher als kühl und kontrolliert wirkende Politikerin rang mit den Tränen, als sie über die Gründe sprach, warum sie für die Demokraten ins Rennen ums Weiße Haus gehen will. Sie sei müde und geschafft von der anstrengenden Kampagne, sagte sie in Portsmouth, wobei ihr mehrfach die Stimme wegbrach.

Auch der große Einsatz ihres Mannes Bill, der 1992 seine eigene Kandidatur mit einem überraschenden zweiten Platz in New Hampshire wiederbelebt hatte, bewerten Experten als Faktor für den überraschend guten Abschneiden der Senatorin von New York. Ex-Präsident Bill Clinton hatte zudem den Favoriten Barack Obama scharf angegriffen. Obama habe von den Medien einen Freifahrtschein bekommen mit Äußerungen, er habe sich konsequent dem Krieg im Irak widersetzt, sagte er. "Dies ist das größte Märchen, das ich jemals gehört habe", fügte Clinton hinzu, der nun eine Kandidatur seiner Frau Hillary für das Amt unterstützt.

AP · DPA
mta/fgu/DPA/AP