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Russlands Söldner-Armee "Sie klettern über die Leichen ihrer Freunde": Ukrainische Soldaten schildern Kampf gegen Wagner-Truppen

Ukrainische Soldaten feuern an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut auf Stellungen der Wagner-Gruppe
Ukrainische Soldaten feuern einen 120-mm-Mörser auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut (Archivbild).
© Evgeniy Maloletka / AP / DPA
Russland versucht seit Monaten, mithilfe der Söldnertruppe Wagner die Stadt Bachmut im Osten der Ukraine einzunehmen. Zwei der ukrainischen Verteidiger haben dem US-Sender CNN von den Kämpfen berichtet – und einen Verdacht geäußert.

Im Osten der Ukraine wird seit Monaten erbittert um die Kleinstadt Bachmut gekämpft. Zu den Verteidigern des mittlerweile zu großen Teilen zerstörten Ortes in der Provinz Donezk gehören die ukrainischen Soldaten Andriy und Borisych. In einem mit Kerzen beleuchteten Bunker, der in die gefrorene Erde gehauen wurde, haben die Männer dem US-Sender CNN von den Angriffen der russischen Söldnergruppe Wagner auf ihre Stellungen berichtet.

"Sie klettern über die Leichen ihrer Freunde"

"Wir haben etwa zehn Stunden am Stück gekämpft. Und es waren nicht nur Wellen, es war ununterbrochen. Es war, als ob sie nicht aufhörten zu kommen", erinnerte sich Andriy an ein Feuergefecht gegen eine Flut von Wagner-Kämpfern. Die AK-47-Sturmgewehre der ukrainischen Soldaten seien durch das andauernde Schießen so heiß geworden, dass sie sie ständig austauschen mussten. "Es waren etwa 20 Soldaten auf unserer Seite und vielleicht 200 auf ihrer Seite", schätzte Andriy.

Der Angriff sei eine beängstigende und surreale Erfahrung gewesen, sagte der Soldat. "Unser Maschinengewehrschütze wurde fast wahnsinnig, weil er auf sie schoss, und er sagte: 'Ich weiß, dass ich ihn getroffen habe, aber er fällt nicht um'. Und dann nach einiger Zeit, wenn er vielleicht zu viel Blut verloren hat, dann kippt er einfach um."

Andriy verglich den Kampf mit Szenen aus einem Zombie-Film. "Sie klettern über die Leichen ihrer Freunde und treten auf ihnen herum", erzählte er. "Es sieht aus, als sei es sehr, sehr wahrscheinlich, dass sie vor dem Angriff Drogen bekommen."

Andriys Behauptungen lassen sich nicht unabhängig verifizieren. Sie decken sich aber mit den Berichten anderer Verteidiger von Bachmut: "Mit Nachtsichtgeräten können wir sie wie Zombies auf uns zukommen sehen", schilderte der ukrainische Soldat Jura im November der finnischen Zeitung Iltalehti die Angriffe der Wagner-Söldner. "Sie kommen einfach auf uns zu, in großen Gruppen. Wenn wir anfangen zu schießen, versuchen sie nicht einmal, in Deckung zu gehen. Sie gehen einfach wie in einem Zeitlupenfilm."

Auch Jura vermutet, dass die Angreifer unter Drogeneinfluss stehen. "Niemand sonst verhält sich so. Sie ducken sich nicht, sie werfen sich nicht auf den Boden, sie tun nichts, wenn wir schießen."

Ähnliches berichtete Irina Rybakova, eine Sprecherin der 93. ukrainischen Brigade, vergangenen November der von den US-Streitkräften gesponserten Webseite "Caravanserei": "Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, dass Wagneristen einfach in Kugeln laufen und sterben", sagte Rybakova. "Ich glaube, sie haben irgendwas genommen. Unsere Leute sagten, dass sie unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen stehen."

Wagner nutzt laut CNN unerfahrene Rekruten als Kanonenfutter

Die Taktik der Wagner-Gruppe besteht laut CNN darin, in einer ersten Welle hauptsächlich Rekruten, die direkt aus russischen Gefängnissen kommen, auf die ukrainischen Stellungen loszulassen. Diese Angreifer wüssten wenig über militärische Taktiken und seien schlecht ausgerüstet, berichtet der Sender unter Berufung auf ein Dokument des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Die meisten hofften nur, dass sie, wenn sie ihren sechsmonatigen Einsatz überleben, nach Hause gehen können und nicht zurück in eine Zelle müssen. Wer sich ohne einen Befehl dazu oder ohne verwundet zu sein zurückziehe, werde auf der Stelle hingerichtet.

Russlands Söldner-Armee: "Sie klettern über die Leichen ihrer Freunde": Ukrainische Soldaten schildern Kampf gegen Wagner-Truppen

"Sie sorgen dafür, dass die Gruppe – sagen wir, zehn Soldaten – 30 Meter weit kommt, dann beginnen sie, sich einzugraben, um die Position zu halten", schildert Andriy das Vorgehen. Eine weitere Gruppe folge und rücke weitere 30 Meter vor. "Auf diese Weise versucht Wagner, Schritt für Schritt voranzukommen, während sie in der Zwischenzeit viele Leute verlieren." Erst wenn die erste Welle erschöpft oder ausgeschaltet sei, würden erfahrenere Kämpfer angreifen, oft von den Flanken her, um die ukrainischen Stellungen zu überrennen. 

Andriy und Borisych wäre das nach eigener Aussage beinahe passiert. "Das Problem war, dass sie um uns herum gingen. Und so haben sie uns umzingelt. Sie kamen von der anderen Seite. Wir hatten nicht erwartet, dass sie von dort kommen würden", berichtet Andriy. "Wir hatten schon bis zur letzten Patrone geschossen, also warfen wir alle Granaten, die wir noch hatten, und nur ich und ein paar Jungs blieben zurück. Wir waren hilflos in dieser Situation."

Doch die Soldaten hatten Glück. Nachdem sie den Angreifern bis zum letzten Moment standgehalten hatten, so erzählen es die beiden, hätten sich die Wagner-Truppen am Ende des Tages zurückgezogen.

Quellen: CNN I, CNN IIIltalehti, "Caravanserei"

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