Versuchen die USA aus der Einsamkeit des Mächtigen herauszukommen und suchen wieder Freunde? Erkennen sie, dass ein großer Teil Europas von einer "Cowboy-Mentalität" nicht viel hält? Diese Fragen beantwortete indirekt US-Vizepräsident Dick Cheney bei seinem Besuch am Samstag beim Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos. Er suchte den Schulterschluss mit den Europäern im Kampf gegen Terrorismus und Massenvernichtungswaffen.
Diesmal waren es keine verächtlichen Äußerungen, sondern Hofierungen, die Europa und andere Länder zu hören bekamen. Cheney bestätigte den Eindruck internationaler Beobachter in Davos, dass die amerikanischen Vertreter auf die Europäer zugehen wollen. Und das brachte ihnen unter den mehr als 2000 Führungskräften auch Sympathie ein.
"Pathetisch selbstgerechte" Erklärungen
Natürlich kann auch ein amerikanischer Politiker nicht aus seiner Haut heraus, wie etwa Handelsminister Don Evans, der bei allen seinen öffentlichen Auftritten in Davos jede Kritik an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der USA mehr oder weniger wegwischte. Die "Neue Zürcher Zeitung" nannte dies "pathetisch selbstgerechte" Erklärungen. Und auch Justizminister John Ashcroft wiederholte unermüdlich die Geschichten von der praktisch auf allen Feldern siegreichen Politik seines Herrn, George W. Bush.
Cheney, so notierten europäische Beobachter, aber nutzte geschickt die sich in Davos seit dem vergangenen Jahr insgesamt entspannende Atmosphäre - ohne drohenden Krieg und mit wachsender Konjunkturzuversicht -, um zu zeigen, dass die USA nicht allein die Welt beherrschen wollen.
Besseres Umfeld für einen Dialog
Die "New York Times" sah in Davos gar die anti-amerikanischen Gefühle schwinden. "Es gibt ein besseres Umfeld für einen besseren Dialog", zitierte sie einen Teilnehmer aus Bushs Republikanischer Partei. Cheney, Stellvertreter Bushs, verteidigte natürlich die Politik seiner Regierung. Aber er schien auch zu signalisieren, dass man ganz dankbar für Unterstützung (gewesen) sei.
Cheney geht auf Deutschland und Frankreich zu
So sollten Europa und die USA gemeinsam der Demokratie im Nahen Osten zum Durchbruch verhelfen. Darin hätten sie Erfahrung, denn immerhin hätten die Europäer ja auch die Nazis und die Kommunisten überwunden. Frankreich und Deutschland hätten doch erst die Europäische Union ermöglicht, indem sie ihre Erzfeindschaft beendet hätten. Und ging auf die beiden Gegner des Irak-Krieges zu: "Es gibt eben manchmal Meinungsverschiedenheiten sogar unter Verbündeten, die sonst den größten Respekt voreinander haben."
USA wollen starkes Europa
Der Vizepräsident wurde nicht müde, jedes einzelne Land in Europa, Asien oder Lateinamerika aufzuzählen, das den USA im Irak und bei anderen militärischen oder Friedensaktionen geholfen hat. In Afghanistan seien immerhin 38 Länder vertreten, aus Europa, aber auch aus dem Nahen Osten. «In Afghanistan hat Deutschland die Führung bei der Bereitstellung von Truppen und der erweiterten Rolle der Nato übernommen», sprach er in Richtung Berlin. Und er äußerte seine Hoffnung, dass Europa ein guter Partner der USA bleibe. "Die USA wollen, dass Europa so stark wie möglich ist."
Nicht nur, als ein Vertreter Bosniens dem Vizepräsidenten bewegt für die Hilfe der USA bei der Befreiung seines Landes dankte, war da in Davos zu spüren, dass es bei den Regierenden in Washington ganz offenbar ein leichtes Umdenken gegeben hat. "Amerika will alles, aber es will es nicht immer wieder allein machen", meinte ein Beobachter aus dem "alten Europa". Das passe dazu, was der iranische Präsident Mohammed Chatami in Davos gefordert hatte: Nur der Respekt zwischen den Kulturen könne zum Dialog führen.