Am 6. und 7. Januar feiert die orthodoxe Kirche das Weihnachtsfest, 13 Tage später als die evangelische und katholische (Hier lesen Sie, wie es dazu gekommen ist.) Die Geburt Christi trägt in Russland einen reinen religiösen Charakter. Es ist ein Fest für die Gläubigen. Silvester ist hingegen das wichtigste Fest des Jahres – für alle. Am 31. Dezember bringt Väterchen Frost Geschenke, der Tannenbaum wird zu Silvester geschmückt, Familien versammeln sich an diesem Abend um den Festtagstisch und stoßen um Mitternacht auf das neue Jahr an. All dies ist ein Erbe der sowjetischen Kommunisten, die im Bestreben die Religion auszumerzen, christliche Bräuche umwandelten und in ein weltliches Gewand steckten. "Religion ist Opium fürs Volk", schrieb schließlich Karl Marx.
Diesen Glaubenssatz beschwor einst auch Wladimir Putin. Daran führte kein Weg vorbei, wollte man beim KGB anfangen. Und Putin wollte das unbedingt. Er wollte aus dem Elend der einfachen Lebensverhältnisse einer Arbeiterfamilie raus. Der schnellste Weg zum sozialen Aufstieg war für ihn der KGB – wie für viele andere auch. Bereits in den neunten Klasse bewarb sich der junge Putin um eine Aufnahme. Doch ihm wurde zunächst ein Jura-Studium ans Herz gelegt. Erst mit 28 Jahren schaffte er es, beim sowjetischen Geheimdienst aufgenommen zu werden. Für Religion war da kein Platz.
Unheilige Allianz
Doch heute ist die orthodoxe Kirche Russlands ein willfähriger Gehilfe Putins, Patriarch Kirill ein dankbarer Befehlsempfänger. Es ist ein produktives Bündnis. Während der Kreml, die Kirche in der Gesellschaft wieder verankert, hilft der Patriarch, die Propaganda Putins in die Köpfe der Gläubigen einzutrichtern.
Der orthodoxe Glaube hilft Putin zudem, eine Wand zwischen Russland und dem Rest der Welt aufzubauen. Das russische Wort für orthodox heißt nichts anderes als "richtiggläubig". Dass alle anderen, einen falschen Glauben haben, wird schon im Begriff impliziert. Eine Vorstellung, die der Kreml gerne dazu benutzt, um die russische Gesellschaft von ihrer eigenen vermeintlichen Besonderheit – und Überlegenheit – zu überzeugen.
Wladimir Putin, der Einsame
Putin, der Beschützer des Glaubens und der traditionellen orthodoxen Werte – das ist eine der Masken, die der Kreml-Chef daher gerne aufsetzt. Auch in diesem Jahr versuchte er sich, den Anstich eines orthodoxen Mannes zu verleihen. (Mit welcher Taktik, lesen Sie hier.) Doch während er sich in den ersten 20 Jahren seiner Herrschaft im Licht von züchtig gekleideten Kindern inszenierte, sah die Welt nun einen einsamen, traurigen Mann.
Für seine Kritiker ein Sinnbild nicht nur für die Stellung Putins in der Welt, sondern auch für seine Paranoia. Denn sein Volk lässt der Kreml-Chef längst mehr in seine Nähe. Nicht einmal zu Weihnachten.