Gute Miene zum bösen Spiel Putin wagt zwei Auftritte – und alle schauen nur auf seine Schuhe und Jacke

Russland: Wladimir Putin besichtigt die Ausstellung auf dem Roten Platz in Moskau
Russland: Wladimir Putin besichtigt die Ausstellung auf dem Roten Platz, die der Geschichte der Verteidigung Moskaus im Zweiten Weltkrieg gewidmet ist.
© Sergei Bobylev/TASS / Imago Images
Während die Staatsmedien neue Leitfäden bekamen, wie sie das Publikum auf den Verlust von Cherson vorzubereiten haben, wagte Wladimir Putin zwei öffentliche Auftritte. Die Ablenkung gelang – doch anders als es sich der Kreml versprochen hat. 

Der Zar muss sich seinen Untertanen auch mal zeigen, scheint jemand Wladimir Putin ins Ohr geflüstert zu haben. Gleich zwei öffentliche Auftritte absolvierte der Kreml-Chef, der sich sonst in Selbstisolation übt, innerhalb von zwei Tagen. Zumindest waren sie so öffentlich, wie Putin es zu wagen bereit war. 

Am vergangenen Montag besuchte der russische Machthaber ein Örtchen namens Zawidowo. Unweit von Moskau wird hier ein neuer Flusshafen gebaut, um den herum ein großes Erholungsgebiet für Touristen entstehen soll. Stolz führte der Gouverneur der Region, Igor Rudenja, ein Modell der zukünftigen Anlage vor. Gebaut wird seit 2015, doch zu sehen ist bislang außer dem Modell nichts.

Nichtsdestotrotz hörte Putin geflissentlich zu, als der Gouverneur sich in Zukunftsfantasien erging. Wenn der Komplex im Jahr 2025 fertig sei, werde man jedes Jahr mehr als eine Million Touristen begrüßen. "Wir bauen vor allem Drei-und Vier-Sterne-Hotels, damit das gesamte russische Volk hier Ferien machen kann. Nicht nur Auserwählte", referierte er. Ein belustigtes Schmunzeln umspielte bei diesen Worten Putins Lippen. 

Als besonderen Schmankerl hob sich Rudenja eine geplante Fabrik für Seilbahnen auf. Diese würden aufgrund von Sanktionen nicht mehr nach Russland verkauft. Also sollen sie mitten im Erholungsgebiet fabriziert werden. "Wir werden ganz Russland mit Seilbahnen versorgen", erklärte der Gouverneur. 

Wladimir Putin und seine Jacke 

Doch es war nicht die Seilbahn-Fabrik und auch nicht das versprochene Touristen-Paradies, die beim Publikum für Interesse sorgten. Es war die Aufmachung, in der Putin dem Referat des Gouverneurs lauschte. In einer in der Körpermitte seltsam ausgebeulten Jacke erinnerte Putin so einige an ein Michelin-Männchen. In den sozialen Netzwerken erklang sofort der Spott, Putin reiche wohl nicht mehr bloß eine schusssichere Weste. Diese trägt der Kreml-Chef bekanntlich stets unter seiner Oberkleidung. 

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Youtube integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Auch die Jacke selbst erregte Aufmerksamkeit. Putin führte eins seiner liebsten Modelle vor: eine Daunenjacke des italienischen Luxus-Labels Loro Piana für 1,45 Millionen Rubel. Nach aktuellem Kurs sind es rund 23.456 Euro. Ein solches Exemplar hatte er bereits im März dieses Jahres bei einem Auftritt zum Jahrestag der Krim-Annexion getragen.

Wladimir Putin und seine Schuhe 

Bei Putins nächstem Auftritt zog ein anderes Detail seiner Garderobe die Blicke auf sich. Aus Zawidiwo bretterte der Kreml-Chef nach Moskau. Nicht etwa, um an einer Sitzung der Duma teilzunehmen, sondern um sich eine Ausstellung auf dem Roten Platz anzusehen. Am späten Dienstagabend schlenderte Putin über den leergefegten Platz vor den Mauern des Kremls im Zentrum der russischen Hauptstadt. 

Der Generaldirektor und die PR-Chefin des Kinostudios "Wojenfilm" ("Kriegsfilm") führten Putin durch die Freilichtausstellung, die der Geschichte der Verteidigung Moskaus im Zweiten Weltkrieg gewidmet ist. Militärische Exponate, Gedichte und Lieder der Kriegsjahre, thematische Installationen und Theateraufführungen sollen die Besucher in die Atmosphäre des Novembers 1941 eintauchen lassen. Ganz ohne von den üblichen Massen behelligt zu werden, die den wichtigsten Platz Moskaus sonst bevölkern, tätschelte Putin Kriegsgerät und lauschte dem Chor, der die Kriegshymne "Der heilige Krieg" zum Besten gab.

Wladimir Putin lauscht dem Chor, der die Kriegshymne "Der heilige Krieg" zum Besten gab
Wladimir Putin lauschte dem Chor, der die Kriegshymne "Der heilige Krieg" zum Besten gab
© Aleksey Nikolskyi / Sputnik Moscow Russia / Imago Images

"Steh auf, großes Land! Steh auf für den Todeskampf. Mit dunkler faschistischer Macht". Diese Zeilen kennt in Russland jedes Kind. Und es sind diese Zeilen, die in den letzten Monaten wieder überall in Russland erklingen. Der Zweck der wieder zum Leben erweckten Kriegshymne und der Ausstellung auf dem Roten Platz ist deutlich: den Geist heraufzubeschwören, mit dem Russland einst gegen Nazi-Deutschland kämpfte. Nur dass Russland heute der Aggressor ist – und nicht der Verteidiger. Und so diskutieren die Russen lieber im Netz über Putins Schuhe als in den Gesang des Chors einzufallen. 

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Twitter / X integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Auf den Video- und Fotoaufnahmen, die der Kreml veröffentlicht hat, ist ein Detail deutlich zu sehen: Die Absätze von Putins Schuhen sind höher als die der PR-Chefin, die ihn herumgeführt hat. Dass Putin mit hohen Absätzen seine geringe Körpergröße zu kompensieren versucht, ist kein Geheimnis. Es wird sogar gemunkelt, seine Schuhe würden eine spezielle versteckte Konstruktion beherbergen, um ihm einige extra Zentimeter zu bescheren. Dass Putins Absätze, die einer Frau an Höhe schlagen, sorgt nun für schadenfrohen Spott. Passe doch die Aufmachung so gar nicht zum Bild des Kämpfers für die "traditionellen Werte" Russlands.

Lesen Sie auch:

Der 30. September sollte nach dem Willen von Wladimir Putin in die Geschichte eingehen – als Feiertag, an dem er ukrainische Gebiete einverleibte. Eine große Show sollte dem großen Tag die Krone aufsetzen. Ein bestelltes Publikum musste vor die Kremlmauern her.