Weil es seit Tagen kein Lebenszeichen von dem inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny gibt, wachsen die Sorgen um den 47-Jährigen. In den Straflagern sechs und sieben im Gebiet Wladimir sei dem Anwalt nun mitgeteilt worden, dass Nawalny dort nicht sei, teilte die Sprecherin des Oppositionellen, Kira Jarmysch, im Nachrichtendienst X (früher Twitter) mit. Noch am Freitag habe es gar keine Antwort gegeben zu Nawalnys Verbleib. Nun sei den Aufsehern offenbar erlaubt worden, dem Anwalt auszurichten, dass der Gegner von Kremlchef Wladimir Putin nicht mehr dort sei.
Seit Tagen ist unklar, was mit Nawalny geschieht
"Wir wissen immer noch nicht, wo Alexej ist", sagte Jarmysch. Die Sorge um den Gesundheitszustand Nawalnys nahm nach seinem erneuten Fehlen bei einer Gerichtsverhandlung zu. Es sei schon der sechste Tag, an dem nicht klar sei, "was mit ihm geschieht". Vor einem Gericht in der Stadt Kowrow werden derzeit Klagen des Politikers gegen die Gefängnisleitung verhandelt.
Seit Donnerstag wurde Nawalny nicht mehr wie üblich zu dem Prozess zugeschaltet. Die Gefängnisleitung des Straflagers begründe dies mit angeblichen Problemen bei der Stromversorgung, schrieb Jarmysch. Noch in der vergangenen Woche hatte ein Vertreter des Straflagers Journalisten erklärt, dass die Probleme schnellstmöglich behoben würden. Zugleich bekommen die Anwälte seit vergangenem Mittwoch keinen Zutritt mehr zu Nawalny.
USA "tief besorgt" über Nawalnys Verschwinden
Die Sorgen um Nawalny sind besonders groß, weil ihm nach Angaben Jarmyschs vor zwei Wochen in seiner Zelle schlecht geworden war. Auch Briefe von Nawalny oder an ihn würden nicht zugestellt. Nawalnys Team hatte in der vergangenen Woche mit Blick auf die Präsidentenwahl am 17. März 2024 auch die Kampagne "Russland ohne Putin" gestartet. Das Team rief dazu auf, für andere Kandidaten zu stimmen, um eine Wiederwahl des 71 Jahre alten Kremlchefs zu verhindern.
Auch die US-Regierung kommentiert Nawalnys Verschwinden: "Wir sind tief besorgt über diese Berichte", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby. Er bekräftigte, dass die US-Regierung die "sofortige" Freilassung Nawalnys verlange. Die US-Botschaft in Moskau werde sich um Informationen zum Verbleib Nawalnys bemühen, so Kirby.
Nawalny saß zuletzt im Straflager in der Stadt Kowrow im Gebiet Wladimir rund 260 Kilometer östlich von Moskau. Er war zu 19 Jahren Straflager verurteilt worden und ist international als politischer Gefangener eingestuft. Der Oppositionelle, der auch Folter in Haft beklagte, hatte im August 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebt. Nawalny hatte Putin und ein Killerkommando des Inlandsgeheimdienstes FSB für das Attentat verantwortlich gemacht.
Wird Nawalny gerade überführt?
Ein Gericht hatte zuletzt Nawalnys Überführung in eine Strafkolonie mit schärferen Haftbedingungen angeordnet. Doch solche Überstellungen von einem Lager zum anderen dauern in Russland häufig mehrere Wochen. Die Häftlinge legen die Strecke per Zug zurück, wobei die Reise oft in mehreren Etappen stattfindet. Während dieser Überführungen haben die Nahestehenden keinen Kontakt zu den Häftlingen. Die Straflager mit besonders harten Bedingungen liegen oft in entlegenen Regionen.