Raus aus der Krise - das ist beim Dreikönigstreffen in Stuttgart die Mission der FDP und ihres Vorsitzenden Guido Westerwelle. Schließlich dümpelt die Partei in Umfragen unter fünf Prozent herum. Auch wenn sein parteiinterner Kritiker Herbert Mertin im stern.de-Gespräch abwiegelte ("Westerwelles Rede wird völlig überschätzt"): Die Partei setzte auf einen starken Auftritt ihres Vorsitzenden. Vorab heizte Generalsekretär Christian Lindner ein - mit Attacken auf die Union: "Wir arbeiten in einer Koalition, in der wir selbst um kleine Schritte ringen müssen. (...) Wenn man die Union nicht treibt, treibt sie nichts."
Die wichtigsten Momente von Westerwelles Rede in der Rückschau:
13:33 Uhr: War das der große Wurf?
Das war's dann. Westerwelle, wie man ihn kennt - laustark, angriffslustig, rhetorisch ausgefeilt. Von Selbstkritik dagegen keine Spur, von Parteikrise kaum ein Wort. Der große Wurf? Der Applaus ist zwar nicht dürftig, aber Standing Ovations sehen anders aus.
13:31 Uhr: Kampf und Pathos
Jetzt kommt er endlich zur Frage der Fragen. Wozu braucht Deutschland seine Partei? "Wer die Freiheit liebt, der braucht die FDP." Aha. Und er fordert seine Partei zum Kämpfen auf - attestiert auch: "Man merkt, dass die Partei kämpft." Vorher gab's noch mächtig Pathos. "Auch eine Dreikönigskundgebung verneigt sich in Dankbarkeit vor jenen, die für das Land ihr Leben und ihre Unversehrtheit ließen". Worum es ging? Afghanistan - das vorletzte Thema seiner allumfassenden Rede.
13:20 Uhr: Westerwelle liest Sarrazin
Westerwelle prahlt: Er zähle zu den "ganz wenigen Politikern, die das Buch gelesen haben". Welches Buch? Das von Thilo Sarrazin natürlich, auch wenn der FDP-Chef den Namen nicht erwähnt. Ein Buch wie seines müsse ein Land mit Meinungsfreiheit, wie Deutschland, ertragen, auch wenn es keine liberalen Auffassungen wiedergebe. Themen jetzt: Toleranz, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit. Klassische liberale Werte. Westerwelle legt sich für die "freiheitlichen Werte" ins Zeug. "Deutschland muss ein Land sein, das für Toleranz steht."
13:16 Uhr: Europa ist unser Schicksal
Westerwelles Politstreifzug macht wirklich überall Halt: Nach Banken und Innenpolitik ist jetzt Europa dran. "Unser Schicksal" nennt er den Kontinent. Historische Irrtümer von Rot-Grün seien mitschuldig an den Problemen des Euro, meint der Außenminister.
13:12 Uhr: Unruhe auf den Rängen
Uuups. Gepöbel von den Rängen, als Westerwelle über die Bankenkrise schwadroniert. "Schande", ruft einer, der FDP-Chef bleibt cool. Ein Parteifreund war's wohl nicht, es sind ein paar Gäste da.
13:10 Uhr: Des Westerwelles Kern
Westerwelle ist angekommen - beim Kern der Partei und seiner Politikphilosophie: Zukunft, anpacken, machen, investieren. Es mutet ein wenig wie Wahlkampf an - da im März in Baden-Württemberg gewählt wird, ist das ja wohl beabsichtigt. Dagegen -gibt's nicht. Der FDP-Mann fordert mal ein Volksbegehren "für etwas". In der Schweiz werden Tunnel gebaut, "in einer gewissen Stadt" in Deutschland dagegen über einen Bahnhof diskutiert. Die FDP ist nicht dagegen, sie "war immer eine lebensbejahende Partei".

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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13:00 Uhr: Die Bildung kommt zu ihrem Recht
Die Bildung ist dran. Westerwelle zählt die "Erfolge" der Regierung auf: Bafög-Erhöhung (minimal), Begabtenstipendium (umstritten), Bildungsgutscheine für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern (Bürokratieprobleme).
12:56 Uhr: "Seid ehrgeizig"
Jetzt ist das alte Mantra der Partei dran - Leistung muss sich lohnen. "Leistungsgerechtigkeit", nennt Westerwelle so etwas. "Steigt auf, seid ehrgeizig, strengt euch an, kommt raus aus diesen Verhältnissen", ruft Westerwelle Hartz-IV-Empfängern zu. Ob die sich seinen Appell zu Herzen nehmen? Der ein oder andere wird ihm wohl eher verübeln, dass er die Streichung des Tabakzuschusses verteidigt. Auch das versteht Westerwelle unter "Leistungsgerechtigkeit". Das Geld könne man schließlich besser in Bildung investieren.
12:49 Uhr: Das liberale Immunsystem
Jetzt trumpft er auf. Die Parteifreunde sollten ihr "liberales Immunsystem" einschalten, wenn es wieder den Vorwurf der Klientelpolitik gebe. Und zur Gesundheitspolitik: Die SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt habe ein System hinterlassen, das "nicht mal Herkules" schnell aufgeräumt hätte.
12:45 Uhr: Sein Lieblingsthema
Die wirtschaftlichen Erfolge - den Punkt will Westerwelle auf seiner Habenseite verbuchen. Jetzt hebt er die extrem niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Baden-Württemberg hervor (2,7 Prozent), in den westlichen Nachbarländern liege die "bei 30 bis 40 Prozent". Von Selbstkritik nach gut 20 Minuten Rede noch keine Spur.
12:41 Uhr: Ein belesener Mann
Jetzt zitiert der FDP-Mann Dante. "Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt." Was das soll? Westerwelle ruft zum Ruck auf, man solle sich ein Beispiel an aufstrebenden Staaten wie Brasilien nehmen, wo gerade eine starke Mittelschicht entstünde. Auch in Deutschland müsse mehr für den Mittelstand getan werden. Das wolle seine Partei - ihr deshalb den Vorwurf der Klientelpolitik zu machen, sei absurd.
12:36 Uhr: Westerwelle über Durststrecken
Jetzt wird klar, was hinter dem historischen Geplänkel steht. Zur Zeit, als die Einheit geschmiedet wurde, hätten Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl auch mit schlechten Umfragen leben müssen. Das Beispiel zeige: "Wer ein Land führen will, muss bereit sein, Durststrecken zu ertragen." Jetzt fragt sich der geneigte Beobachter, welche historische Leistung Westerwelle denn wie Genscher gegen Widerstände und schlechte Umfragen durchgedrückt hat. Steht die ermäßigte Hotelmehrwertsteuer auf einer Stufe mit der Einheit?
12:32 Uhr: Die patriotische Karte
Die Stellung Deutschlands in der Welt: nicht unbedingt das brennende Thema der Zeit. Dennoch spielt Westerwelle zu Beginn seiner Rede die patriotische Karte. Früher hätten Minister beim Abspielen der Nationalhymne die Zähne nicht auseinander gekriegt. Das sei jetzt anders. Und das Land im Topzustand. "Unserem Land geht es heute besser", ruft Westerwelle, "und ich spreche das aus." Warum auch nicht?, fragt sich mancher. Ist ja keine unangenehme Wahrheit. Schnell schwenkt der FDP-Chef dann auf ein erneutes Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft über samt Bonmots über Ludwig Erhard und weiteren Ausflügen in die Historie.
12:24 Uhr: Er redet sich warm
Der Vorsitzende hat sich schnell warmgeredet, ein paar etwas spät eintreffende Gäste - offenbar keine Liberalen - bieten Anlass zum Witz. "Jusos, Grüne, woher Sie auch kommen", die etwas formell gekleideten Zaungäste, für die Westerwelle seine Rede unterbricht, sollten sich mal ein Beispiel an den Jungliberalen nehmen, "die tragen keine Krawatte".
12:22 Uhr: Starke Zahlen zur Eröffnung
Westerwelle zieht zum Start einen Vergleich mit früheren Jahren und blickt auf den starken wirtschaftlichen Zustand des Landes: hohes Wachstum, niedrige Arbeitslosigkeit statt fünf Millionen Joblose wie früher. "Das sind also die schwierigen Umstände eines Dreikönigstreffens?", fragt der Chef-Liberale. Implizte Schlussfolgerung: Die FDP ist in ihrem Kernthema Wirtschaft erfolgreich wie selten.