Mit "Die große Ratlosigkeit" war die Sendung überschrieben – und sie hatte auch ein Gesicht dazu: Helge Braun. Müde und abgekämpft, die Stimme brüchig vom permanenten Konferieren, hing der Kanzleramtsminister im Sessel. Sinnbild für ein Staatswesen, das an sich selbst leidet. Schlecht organisiert, schwerfällig, zerrissen von den Egoismen der Bundesländer. Was für ein Kontrast in der Runde schräg gegenüber von Braun. Sprudelnd stellte der Rapper Smudo die von ihm mitentwickelte App Luca vor. Das war eine andere Sprache, eine andere Energie, eine Begeisterung, die übersprang. Ansteckend endlich mal anders.
Bei "Anne Will" zu Gast waren:
- Helge Braun (CDU), Chef des Bundeskanzleramts und Mitglied im Corona-Kabinett
- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Richterin am Bayerischen Verfassungsgerichtshof und Bundesjustizministerin a.D.
- Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrats
- Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist
- Smudo, Musiker und Rapper "Die Fantastischen Vier"

Sehen Sie im Video: "Nicht mehr mit der Lockdown-Keule kommen" – Rapper Smudo über die Luca-App.
Das Prinzip von "Luca" ist einfach: Man checkt sich über einen QR-Code in einem Restaurant oder beim Friseur ein und wieder aus. Dadurch entsteht ein digitales Kontakttagebuch. Im Falle einer Infektion können die gesammelten Daten vom Nutzer freigegeben und an das Gesundheitsamt übermittelt werden. Dieses informiert dann sofort alle betroffenen Personen. Damit erledigt sich das leidige Herumrecherchieren mit unleserlichen und fehlerhaften Adresslisten. Smudo: "Das bedeutet Geschwindigkeit." Die wirksamste Waffe im Wettlauf mit dem Virus.
Mehr Eigenverantwortung, weniger Lockdown
Stellt sich nur die Frage: Warum kann das die offizielle, rund 67 Millionen Euro teure Corona-Warn-App des Bundes nicht? Ranga Yogeshwar legte den Finger in die Wunde. "Sie, Herr Braun, haben gesagt, die Corona-App sei weltweit die beste. Definitiv ist sie weltweit die teuerste." Fast schon hämisch demonstrierte er, wie 1.0-mäßig die Kontakte in der Corona-Warn-App dokumentiert werden: von Hand, einzeln eingetippt. Braun wehrte sich auf bemerkenswerte Weise. "Warum", gab er trotzig zurück, "muss der Staat alles anbieten? Warum ist es nicht schön, dass Smudo hier sitzt mit seiner App, die eine wunderbare Ergänzung zu unserer App ist?"
Damit sprach der Minister einen guten Punkt an. Die Zeit der staatlich verordneten Lockdowns, unter denen sich die meisten von uns bislang wegduckten wie unter einem Unwetter, neigt sich dem Ende zu. Die Gesellschaft ist aufgerufen, selbst aktiv zu werden und mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Stichwort Schnell- und Selbsttests. Laut Helge Braun kann sich zukünftig jede Person in einem Testzentrum oder bei Ärzten und in Apotheken kostenlos testen lassen. "Definitiv kostenlos?", hakte Yogeshwar nach. "Ja, kostenlos", versprach Braun. Man betet, dass es kein Jens-Spahn-Versprechen war.
Testen als Morgenroutine
800 Millionen Antigen-Schnelltests stehen laut Gesundheitsministerium bis Ende des Jahres zur Verfügung. Also rund zehn Stück pro Bundesbürger. Eine geradezu fahrlässig geringe Menge, findet Christiane Woopen. Es müsse dringend in Produktionskapazitäten und neue Technologien investiert werden – mit dem Ziel, dass Tests zur Verfügung stünden, die in Sekundenschnelle das Ergebnis anzeigen und die man jeden Tag als eine Art Morgenroutine durchführen könne. "Da gehört das Geld hin. Das ist alles viel billiger als das, was für die Lockdowns als Ausgleichszahlungen geleistet wird – von den psychologischen und medizinischen Folgekosten einmal ganz abgesehen."
Wir werden das ganze Instrumentarium – Impfung, Tests, Apps – noch lange brauchen. Ranga Yogeshwar glaubt sogar: für immer. "Das Virus ist da, das Virus wird bleiben. Wir werden im nächsten Jahr hier sitzen, und es wird nicht heißen: Das war der Albtraum der letzten beiden Jahre."
Die komplette "Anne Will"-Sendung können Sie in der ARD-Mediathek sehen.