Geheimtreffen Recherchen bringen AfD in Bedrängnis: Berieten hochrangige Mitglieder über verfassungsfeindliche Massen-Abschiebungen?

AfD bemüht sich um Distanz nach Treffen mit Rechtsextremen in Potsdam
Nach dem Bericht über ein Treffen von AfD-Politikern mit Neonazis im November erklärte die AfD, dass es sich lediglich um eine private Veranstaltung gehandelt habe.
Sehen Sie im Video: AfD beschwichtigt nach "Masterplan"-Treffen – scharfe Kritik von CDU und SPD.
Videoquelle: n-tv.de
Hochrangige AfD-Politiker sollen sich im November mit bekannten Rechtsextremisten und Unternehmern in einem Potsdamer Hotel getroffen haben. Auf der Tagesordnung sollen einer "Correctiv"-Recherche zufolge auch verfassungsfeindliche Pläne gestanden haben.

Der Fall könnte weitere Bewegung in ein mögliches AfD-Verbotsverfahren bringen: Nach Informationen des gemeinnützigen Rechercheverbunds "Correctiv" haben sich in Potsdam hochrangige Vertreter der AfD mit Neonazis getroffen, um über ein angeblich als "Masterplan" bezeichnetes Vorhaben zu sprechen.

Bei der konspirativen Zusammenkunft in einem Hotel am Lehnitzsee sollen unter anderem ein Referent von Parteichefin Alice Weidel, eine AfD-Bundestagsabgeordnete und der AfD-Fraktionsvorsitzende in einem ostdeutschen Landesparlament dabei gewesen sein. Außerdem mehrere bekannte Rechtsextremisten wie ein prominenter Kopf der extrem rechten Identitären Bewegung (IB). Eingeladen hatte den Recherchen zufolge ein Geschäftsmann, der unter anderem mit einer Backwaren- und einer Burgerkette zu Geld gekommen ist. Insgesamt sollen rund 20 Menschen an dem Treffen im November teilgenommen haben.

Das Treffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremisten fand in einem Potsdamer Hotel statt
Das Treffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremisten fand in einem Potsdamer Hotel statt
© Correctiv

AfD-Referent an Treffen in Potsdamer Hotel beteiligt

Eines der Ziele der Runde: Geld sammeln für politische Zwecke. So stehe es in der Einladung, die dem Rechercheverbund "Correctiv" vorliege. Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung demnach: ein "Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans". Die "Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen", seien "so groß wie zuvor". Man kann annehmen, dass für diese Einschätzung unter anderem die hohen Umfragewerte der AfD eine Rolle spielen.

"Correctiv" hat Fotos vom Zusammenkommen der Teilnehmer in Potsdam veröffentlicht und die mutmaßlichen Inhalte des Treffens anhand von "belastbaren Quellen" rekonstruiert. Demnach soll der IB-Mann einen "Masterplan" zur "Remigration" vorgestellt haben. Er sehe vor, "die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln". Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und "nicht assimilierte Staatsbürger" sollten Deutschland verlassen.

Der stern konnte die Recherchen von "Correctiv" nicht detailliert nachprüfen. Das Recherchebündnis hat nach eigenen Angaben das Treffen mit mehreren Kameras von außen dokumentiert, zudem sei ein Reporter undercover und mit versteckter Kamera im Hotel vor Ort gewesen. Den Journalisten seien außerdem Dokumente zugespielt worden, die das Treffen belegen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Remigrations"-Pläne vorgestellt?

"Im Grunde laufen die Gedankenspiele an diesem Tag alle auf eines hinaus: Menschen sollen aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben", bilanziert "Correctiv". "Das wäre ein Angriff auf das Grundgesetz – auf das Staatsbürgerrecht und auf den Gleichheitsgrundsatz." Und: "Was dort an diesem Wochenende entworfen wird, ist nicht weniger als ein Angriff gegen die Verfassung der Bundesrepublik." 

Widerspruch zu diesem Gedanken habe es in der Runde nicht gegeben, lediglich Zweifel an der Umsetzbarkeit. Der Kopf hinter den Plänen habe gekontert, man müsse einen "hohen Anpassungsdruck" auf die Menschen ausüben, "zum Beispiel über 'maßgeschneiderte Gesetze'". Der AfD-Fraktionsvorsitzende habe ergänzt, es solle in seinem Bundesland "für dieses Klientel möglichst unattraktiv sein zu leben". Die von "Correctiv" konfrontierten Teilnehmer bestritten im Wesentlichen, über verfassungsfeindliche Pläne gesprochen oder sie gebilligt zu haben. 

Das Büro von Alice Weidel bestätigte auf Nachfrage des stern am Mittwoch zwar, dass der Referent an dem Treffen teilgenommen habe, erklärte aber: "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist, nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern."

Die "Remigrations"-Idee umfasse auch einen "Musterstaat" in Nordafrika, so die Recherche. Dorthin solle man die Menschen "hinbewegen", darunter auch solche, die sich hierzulande für Geflüchtete einsetzten. Insgesamt beträfe das Vorhaben Millionen Menschen in Deutschland.

Es gehe um ein "Jahrzehnteprojekt", wird der IB-Mann zitiert. Zunächst müsse das "Meinungsklima" in Deutschland geändert werden. Hierzu müsse, auch durch Influencer, eine rechtsextremistische Gegenöffentlichkeit aufgebaut werden – auch dazu solle die Sammlung des Geldes dienen.

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Alice Weidels Referent habe zugesagt, das Projekt im AfD-Bundesvorstand zu präsentieren. "Der neue Bundesvorstand, der jetzt anderthalb Jahre im Amt ist, ist offen für diese Fragestellung. Wir sind also bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Themen zu betreiben, die nicht unmittelbar nur der Partei zugutekommen", zitiert ihn "Correctiv". Die AfD bestreitet auf stern-Anfrage, dass das "Remigrations"-Programm "in die Partei getragen" worden sei. 

Sollten die Recherchen jedoch zutreffen, wären sie ein Beleg dafür, dass rechtsextreme und verfassungsfeindliche Ideen bis in die AfD-Führung hineinreichen – das Gegenteil dessen, was die Parteispitze stets öffentlich behauptet. Für ein mögliches AfD-Verbotsverfahren könnte dies ein weiterer Baustein sein – besprochen an einem Novemberwochenende in Potsdam, keine acht Kilometer entfernt vom Haus der Wannseekonferenz.

Anmerkung der Redaktion: Der Info-Kasten zur "Remigration" wurde nachträglich eingefügt, zudem wurde im siebten Absatz eine Wiedergabe korrigiert.

wue / vme

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