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ARD-DeutschlandTrend Der Aufstieg der AfD: Die Angst vor der Partei regiert mit

AFD-Parteivorsitzende Alice Weidel und Tino Chrupalla
Die AfD liegt laut ARD-Deutschlandtrend gleichauf mit der SPD bei 18 Prozent
© Kay Nietfeld
Die Rechtspopulisten erreichen bundesweit 18 Prozent und ziehen gleich mit der Kanzlerpartei SPD. Es sind nicht die Wärmepumpen, die diese Stimmung befördern. Es ist die mangelnde Strahlkraft der Regierung insgesamt, die damit nicht nur sich selbst schadet, sondern auch der Demokratie.

Das hat es noch nicht gegeben: Die AfD liegt mittlerweile in bundesweiten Umfragen bei 18 Prozent – vor FDP und Grünen, gleichauf mit der SPD. Anders gesagt: Rechtspopulisten könnten, wäre am Sonntag Bundestagswahl, als zweitstärkste Kraft ins Parlament einziehen. Selbst nach dem neuen Wahlrecht würde das wohl deutlich über 100 Abgeordnete bedeuten. Und bis zur Union sind es auch nur noch ein paar Prozentpunkte. 

Tja, was sagt man jetzt dazu? Wo, bitte, ist der Katalog mit den üblichen Antworten? Ach ja, hier: Nicht schön, aber nur eine Momentaufnahme. Umfragen sind keine Wahlen. Muss uns Sorgen machen, aber schuld sind die anderen. Die Politik darf nicht mehr streiten, sie muss liefern. Die AfD hat keine Konzepte, nur schlechte Laune. Die Stärke der AfD ist vor allem die Schwäche der etablierten Parteien.  

Genügt das? Schönes Wochenende

Das Problem mit der AfD besteht weniger in den 18 Prozent in dieser Woche. Es besteht in ihrer Kontinuität über die vergangenen Jahre. Die AfD hat gestritten und gezetert, sie hat sich gespalten und zerlegt, sie wurde immer rechter und immer hemmungsloser. Und trotzdem ist sie noch da. 

Die AfD kam nirgends an die Macht, aber sie hat die Politik verändert. Die Angst vor ihr regiert jetzt mit. 

Das Problem mit der AfD sind nicht Ausschläge nach oben in einzelnen Umfragen, das Problem ist ihre schleichende Vorwärtsbewegung – ja, wohin eigentlich? An die Macht? Kann Björn Höcke Ministerpräsident werden? Unwahrscheinlich, aber nicht mehr auszuschließen. Könnte Tino Chrupalla Kanzler werden? Na, jetzt aber mal halblang. Oder etwa doch? 

Die AfD-Sympathisanten sind enttäuscht von der Ampel

Das ist das Problem: Die AfD hat über die Jahre immer mal wieder ein bisschen mehr geschafft, als man ihr zugetraut hätte. Gegründet als Alte-Herren-Veranstaltung gegen den Euro, scheiterte sie bei der Bundestagswahl 2013 an der Fünf-Prozent-Hürde. Puh, Glück gehabt, die Deutschen sind vernünftig, historische Lektion gelernt, Thema erledigt. 2017 schaffte sie es dann doch ins Parlament und nach und nach in viele Landesparlamente. 

Besonders stark ist die AfD im Osten. In Sachsen-Anhalt profitierte Ministerpräsident Reiner Haseloff 2021 noch von der Furcht vor einem Sieg der AfD, die seiner CDU auch Wähler aus anderen Parteien zutrieb. Gelingt eine solche Gemeinsamkeit 2024 auch wieder in Thüringen, Brandenburg und Sachsen? Oder schafft die AfD wieder ein bisschen mehr als das, was man ihr zutraut?  

Aus der Debatte um die Erderhitzung kennt man die sogenannten Kipppunkte. Es sind Stationen eines Prozesses, nach denen sich bestimmte Entwicklungen nicht mehr rückgängig machen, Fehler und Versäumnisse nicht mehr korrigieren lassen. Der Kipppunkt, an dem die AfD nicht mehr aus der politischen Landschaft verschwindet, ist schon überschritten. Was ist der nächste? 

Es ist natürlich nicht falsch, die Regierung aufzufordern, nicht mehr zu streiten, sondern anständige Arbeit abzuliefern. Aber richtig ist auch: Krieg, Inflation, industrieller Strukturwandel, Energieversorgung – große Probleme erfordern auch große Lösungen. Und um große Lösungen muss gerungen werden. Es geht hier nicht um Entscheidungen nur bis übermorgen, sondern für Jahrzehnte. 

Die Demokratie ist das beste politische System, um diese Lösungen zu finden. Die Ampel hat sogar bewiesen, dass auch Demokratien schnell sein können. Nur hat sie daraus keine Motivation gezogen, nur wechselseitigen Verdruss. Die Regierung Scholz hat die Energiekrise 2022 gemeistert, aber es ist keine Gemeinsamkeit daraus entstanden – mittlerweile dominiert Abbruch statt Aufbruch. Die Ampel-Koalition, die vielleicht das Zeug dazu gehabt hätte, Großes zu bewirken, erscheint zu kleinteilig und zu wenig ernst. Es wirkt, als streite sie nur um des Streites, aber nicht um der Sache Willen. Sie macht damit keine Werbung für sich selbst, aber eben auch nicht für die Demokratie. Sie betreibt ihre Suche nach Fortschritt nicht mit Selbstbewusstsein und Anspruch, sondern mit Neid und Missgunst.  

67 Prozent der AfD-Sympathisanten geben als Motiv Enttäuschung über die Regierung an. Das kann nicht nur an Wärmepumpen liegen. Der Koalition fehlt die Strahlkraft. Sie weckt nicht die Zuversicht, die vor allem der Kanzler ständig im Munde führt. SPD, Grünen und FDP gelingt es nicht, ihre Debatten wirklich konstruktiv zu führen, sie nennen es nur so. Das aber diskreditiert auch die Demokratie an sich. Sie büßt an Wertschätzung ein. Auch das führt die AfD zu 18 Prozent.  

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