Affäre um Luftangriff Guttenberg will Aufklären

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat eine Neubewertung des von der Bundeswehr angeordneten Luftangriffs auf zwei Tanklaster in Afghanistan zugesichert. Ihm seien "wesentliche Informationen" im Zusammenhang mit der Bombardierung Anfang September bei Kundus "vorenthalten" worden.

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D/Afghanistan/Bundeswehr/Bundestag/1.ZF » Guttenberg sichert Neubewertung von Angriff in Afghanistan zu - Oppositionspolitiker fordern Rücktritt Jungs (mit Koenigs, Ströbele, Niebel) = Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat eine Neubewertung des von der Bundeswehr angeordneten Luftangriffs auf zwei Tanklaster in Afghanistan zugesichert. Ihm seien "wesentliche Informationen" im Zusammenhang mit der Bombardierung Anfang September bei Kundus "vorenthalten" worden, sagte Guttenberg am Donnerstag im ZDF-"heute-journal".

Seine frühere Beurteilung des Angriffs mit bis zu 172 Toten als "militärisch angemessen" habe auf dem einzigen ihm vorliegenden Bericht der NATO-Truppe ISAF beruht, sagte Guttenberg. Da nun neue Berichte vorlägen, werde er "mit Sicherheit" eine neue Beurteilung abgeben. Warum es diese Vertuschung gegeben habe, müsse unter Beteiligung des Bundestages "umfassend aufgeklärt" werden. Es müsse aufgezeigt werden, welche Wege zu diesen "ungenügenden und mangelhaften Informationen" führten. Wegen ihrer möglichen strafrechtlichen Relevanz müssten die neuen Informationen an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet werden, sagte Guttenberg. Auch hier seien "Transparenz und Klarheit" wichtig.

Guttenberg verteidigte die Entlassung von Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert. Es habe "zwei verdiente Menschen" getroffen, aber die "harte Konsequenz" sei "notwendig" gewesen. Der ehemalige Bundesverteidigungsminister und jetzige Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte am Donnerstag gesagt, er habe den Inhalt des geheimen Berichtes nicht gekannt, da er ihn ungelesen nach Brüssel weitergegeben habe.

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung (Freitagsausgabe) enthielt der geheime Bericht der Feldjäger über die Versäumnisse bei dem Luftangriff einen Vermerk mit der ausdrücklichen Warnung vor einer Weitergabe. Es drohten "negative Folgen", sollte der Bericht "ohne begleitende, fachliche Kommentierung in eine Untersuchung einfließen", zitierte das Blatt.

Zumindest von einer dieser Einzelmeldungen muss der frühere Verteidigungsminister laut "Bild" gewusst haben. Es handele sich dabei um eine Meldung vom 6. September mit einem Brief des Gouverneurs von Kundus an den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Der Gouverneur erklärt darin, dass "alle Getöteten zu den Taliban" gehört hätten. Aus diesem Bericht habe Jung bereits am 8. September zitiert. Auf demselben Meldungsweg habe das Regionalkommando in Masar-i-Sharif bereits ab dem 4. September auch die Meldungen über zivile Opfer des Luftangriffs ans Einsatzführungskommando in Potsdam geschickt. Davon will Jung erst deutlich später erfahren haben.

Nach Ansicht der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Susanne Kastner (SPD), sollte Jung zurücktreten. Sein Verhalten habe gezeigt, "dass Herr Jung nicht für ein Regierungsamt geeignet ist", sagte Kastner den "Ruhr Nachrichten" (Freitagsausgabe). Nun werde ein umfassender Bericht von Guttenberg im Verteidigungsausschuss des Bundestags erwartet. Das Gremium wollte sich am Freitag in einer Sondersitzung mit dem Fall beschäftigen.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs forderte ebenfalls Jungs Rücktritt. Der Ex-Verteidigungsminister habe "seinen Laden nicht so organisiert, dass er rechtzeitig wusste und erklären konnte, was passiert ist", sagte der ehemalige UN-Sonderbeauftragte in Afghanistan der "Frankfurter Rundschau". Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele verlangte Jungs Rücktritt. Es könne "nicht sein, dass das Verteidigungsministerium ein Tollhaus ist, in dem die entscheidenden Personen nicht wussten, was aus Afghanistan gemeldet wurde", sagte Ströbele der "Berliner Zeitung".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) forderte "Aufklärung und Transparenz". Die deutsche Bevölkerung müsse sich darauf verlassen können, "dass sie zu jeder Zeit über die Entwicklungen in Afghanistan korrekt informiert wird", sagte Niebel der "Passauer Neuen Presse".

AFP
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