Agenda 2010 Gewerkschaften kündigen Proteste an

Trotz positiver Signale von der Basis und klarer Unterstützung des Parteivorstands für den Reformkurs von Kanzler Gerhard Schröder kommt die SPD nicht aus der Krise.

Trotz positiver Signale von der Basis und klarer Unterstützung des Parteivorstands für den Reformkurs von Kanzler Gerhard Schröder kommt die SPD nicht aus der Krise. Am Dienstag zeichnete sich eine immer heftigere Konfrontation mit den Gewerkschaften ab: Der DGB kündigte für den 24. Mai - acht Tage vor dem SPD-Sonderparteitag - bundesweit Demonstrationen gegen Schröders "Agenda 2010" an. Nach einer Forsa-Umfrage sank die SPD in der Wählergunst wieder auf 29 Prozent.

Erpressung mit Rücktritts-Drohung

Wegen Schröders Verknüpfung des Reformprojekts mit einem möglichen Rücktritt sprachen Kritiker von "Erpressung". IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sagte in Frankfurt/Main, die geplanten Kürzungen seien weder sozial noch gerecht. "Wirtschaftswachstum entsteht nicht durch den einseitigen Griff in die Taschen der Arbeitnehmer."

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering verlangte von den Abgeordneten erneut Geschlossenheit. Die rot-grüne Koalition benötige eine eigene Mehrheit im Bundestag. Der Parteivorstand rief die SPD-Mitglieder dazu auf, am 1. Mai gemeinsam mit den Gewerkschaften "für Frieden, Freiheit, Arbeit und Gerechtigkeit" zu demonstrieren. Die Parteispitze versicherte, die Reformen würden gerecht gestaltet und sollten zu Vollbeschäftigung führen. Im März waren 4,6 Millionen Menschen arbeitslos.

Sachdiskussionen oder Vertrauensfrage

Der Saar-SPD-Vorsitzende Heiko Maas nannte das Konzept indes sozial unausgewogen. Schleswig-Holsteins SPD-Chef Claus Möller lehnte eine alleinige Finanzierung des Krankengeldes durch die Arbeitnehmer ab. Juso-Chef Niels Annen sagte zur indirekten Rücktrittsdrohung des Kanzlers: "Über der Partei schwebt das Damoklesschwert einer Erpressung, weil Schröder Sachdiskussionen mit der Vertrauensfrage verbindet." Die einfachen Mitglieder verstünden den Kanzler und diese Reformen nicht mehr, sagte er im NDR-Fernsehen. SPD-Vorstandsmitglied Andrea Nahles warnte Schröder, die Partei in die Enge zu treiben. "Schröder darf die Personalisierung nicht inflationieren."

Unterstützung der SPD-Basis

Bei der ersten SPD-Regionalkonferenz zu den geplanten Reformen am Montagabend in Bonn hatte Schröder überwiegend die Unterstützung der Basis erhalten. Vor 750 SPD-Funktionären aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland warb er für seinen innerparteilich heftig umstrittenen Kurs. Für seine Rede, in der er keine Abstriche vom Konzept machte, bekam er Beifall. Nur vereinzelt gab es Pfiffe für den Kanzler und SPD-Vorsitzenden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Beifall erhielt aber auch sein Kontrahent, der Bundestagsabgeordnete und Mitinitiator des SPD-Mitgliederbegehrens, Ottmar Schreiner. Er blieb bei seiner Kritik: Das Schröder-Konzept werde nicht zu weniger, sondern zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Nordrhein-Westfalens SPD-Chef Harald Schartau nannte dies am Dienstag im ZDF "Quatsch". Seiner Meinung nach beginnt die Partei, sich zusammenzuraufen.

Harte Schnitte notwendig

Schröder warf seinen Kritikern vor, die Probleme in Deutschland zu verkennen. Bei den noch ausstehenden drei Regionalkonferenzen im Mai will er die SPD von der Notwendigkeit harter Einschnitte beim Arbeitslosen- und Krankengeld überzeugen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) räumte ein: "Wir haben offensichtlich noch erhebliche Vermittlungsaufgaben." Er sei aber zuversichtlich, "dass uns dies gelingt".

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck verteidigte im Deutschlandfunk Schröders erneute indirekte Rücktrittsdrohung vom Vortag. Ein Bundeskanzler könne nur dann erfolgreich arbeiten, wenn er seine Partei hinter sich habe. Dies habe nichts mit "Erpressung" zu tun, sondern es sei eine "klare, ehrliche Ansage".