Angela Merkels Sommer-Pressekonferenz Sonne im Herzen, die Macht fest in der Hand

  • von Hans Peter Schütz
Die Kanzlerin in der Krise, war da was? Von wegen. Strahlend hat sich Angela Merkel am Mittwoch in der Bundespressekonferenz präsentiert - und jeden Zweifler an ihrem Machtwillen verstummen lassen.

Da sitzt eine Kanzlerin, die sich an diesem Mittwoch von der Berliner Journaille in den Urlaub verabschiedet und strahlt, als käme sie soeben aus demselben zurück. Sitzt da und lächelt und lächelt und lächelt. Im elfenbeinfarbenen Jackett. Ein Silberkettchen um den Hals. Die Mundwinkel auf beste Laune gestellt, was in den vergangenen Wochen bei ihr eher selten zu besichtigen gewesen war.

Und natürlich kommt auch die Frage, die in die Selbstinszenierung der Angie Merkel maßgeschneidert passt. "Haben Sie noch, Frau Bundeskanzler, einen Wunsch, der bei ihrem 59. Geburtstag vor wenigen Tagen nicht erfüllt worden ist?" Diese Vorlage nutzt sie zu einem politischen Bilderbuchtor: "Ich habe mir", antwortet sie geradezu entzückt, " ja schon den Wunsch erfüllt, dass Christian Wulff jetzt Bundespräsident ist". Und lächelt und lächelt. Sie gibt die im hier und heute wunschlos glückliche Angie Merkel: "Ich habe ja noch zu Weihnachten einen Wunsch frei."

Chaoskanzlerin? Von wegen

Von wegen Chaoskanzlerin, die sich seit Monaten von einer Krise zur nächsten Schlappe schleppt. Der in allen Medien, ob regierungstreu oder regierungskritisch, die dickste Pannenspur einer neuen Bundesregierung seit 1949 bescheinigt wird. Deren schwarz-gelber Koalition die Wähler haufenweise weglaufen - nur noch zwei Drittel der Wähler von der Bundestagswahl würden laut jüngster Forsa-Umfrage noch einmal CDU/CSU wählen, nur noch ein Fünftel wieder die FDP.

Und laufen dieser Kanzlerin nicht auch wichtige politische Männer weg? Etwa in Hamburg ein Ole von Beust, in Hessen ein Roland Koch. Beide mit der schönen Begründung, sie suchten in neuen beruflichen Umfeldern außerhalb der Politik neue Lebenschancen. Wieder lächelt die Kanzlerin und bekennt sich auf ihre Art zur Männer-Massenflucht aus ihrer Nähe. Sie habe, lächelt sie, die Chance neuer beruflicher Erfahrungen schon zwischen ihrem 26. Und 35. Lebensjahr genutzt. Sie wisse ja längst, wie es außerhalb der Politik aussehe. Will heißen: Die "Zukunft" der Kochs und von Beusts habe ich bereits als Physikerin im Dienst der DDR-Wissenschaft hinter mich gebracht. Zudem: Was werde da denn von Abstiegen geredet, wenn ein Günther Oettinger oder ein Christian Wulf neue Chancen wahrnehmen? "Das ist besser als am Stuhl zu kleben."

Von wegen angeschlagene Kanzlerin. Eine Regierungschefin präsentiert sich, die eine Zukunft wie die CDU-Männer sich derzeit suchen, längst hinter sich hat. Ihrer eigenen sieht sie in gelassener Zuversicht entgegen. Ob sie Fehler gemacht habe, wird sie gefragt. Ob sie in drei Jahren, im Bundestagswahljahr 2013, noch an der Macht sei? "Da bin ich mir ganz sicher", antwortet eine Kanzlerin, die tief in sich und der Beherrschung des Machtspiels zu ruhen scheint.

Vom zitternden Mädchen zur Kanzlerin

Wer diese Frau noch erlebt hat, wie sie vor 20 Jahren hat nach ihrer Berufung zum "Mädle" von Kanzler Helmut Kohl Bundesministerin werden durfte, kann sie in dieser absoluten Gelassenheit von heute nicht wieder erkennen. Zitternd saß sie damals in Pressekonferenzen. Im Kabinett flossen bei ihr schon mal die Tränen. Und sie selbst erinnert sich noch sehr genau daran, wie sie einräumt, wie groß das Lamento gewesen sei, als sie Umweltminister Klaus Töpfer Anfang der neunziger Jahre ersetzt habe. Zeit sei es jetzt, Männern wie Stefan Mappus oder David McAllister, "ein großes Talent", eine Chance zu geben. Sie seien durchaus fähig, "die Union zu verkörpern."

Wo es in der Sache heikel wird, schönt die Kanzlerin die Lage nicht, weicht aber konsequent Festlegungen aus. Bundeswehrreform und Wehrpflicht? "Da wird man breit denken müssen." Das Problem der Zeitarbeit? "Damit müssen wir uns noch einmal beschäftigen." Neue Quertreibereien durch den CSU-Vorsitzenden Seehofer? "Der ist nicht in meiner Regierung, aber eine wichtige Figur der Koalition." Die CSU stänkere doch fortwährend? "Wesentliche Zeit verbringt Seehofer nicht mit Polarisieren." Eine Streicheleinheit samt Ohrfeigeneffekt.

"Es hat noch keiner nach der Gesundheitsreform gefragt"

Sich selbst sieht Merkel keineswegs im medialen Schlagwetter. "Schauen sie, was die Medien über mich schreiben", rät sie den Schreibern vor sich. Da sei doch "ab und an eine gewisse Anerkennung da". Und weil sie sich so gut in Form fühlt, stachelt sie die Journalisten mit kessem Lächeln an. "Es hat noch gar keiner nach der Gesundheitsreform gefragt!" Keiner fragt. Wenigstens will jemand wissen, ob denn noch mit Steuersenkungen vor 2013 zu rechnen sei, dem Herzenswunsch der Liberalen. Angela Merkel antwortet nicht mit Worten. Sie schüttelt den Kopf, sie blickt zur Decke des Konferenzsaals der Bundespressekonferenz und schweigt lange. Wichtiger sei die Konsolidierung der Staatsfinanzen, sagt sie schließlich. Das ist keine direkte Antwort und doch eine. Dazu passt ein anderer Satz aus dieser Pressekonferenz maßgeschneidert: "Die Macht, die mir gegeben ist, spiegelt sich in jedem meiner Worte wieder". Könnte Guido Westerwelle über sein Bett hängen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ihr jedenfalls, signalisiert diese Kanzlerin dutzendfach, "macht die Politik jetzt noch Spaß." Und verabschiedet sich auf unmissverständliche Weise in den Urlaub: "Sie können ganz sicher sein, dass sie mich noch nach diesen Ferien wieder sehen."