Die Reform der Hartz-IV-Gesetze soll umfassender ausfallen als erwartet. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte im ZDF-Morgenmagazin, die Überarbeitung solle genau vorbereitet und erst im Sommer abgeschlossen werden. Vieles an Hartz IV sei "hastig" gemacht worden und müsse gerechter werden. CSU-Chef Horst Seehofer forderte im Bayerischen Fernsehen eine generelle Neuordnung. Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel rückte von den geltenden Bestimmungen ab und forderte Verbesserungen vor allem für ältere Arbeitslose.
Union und FDP hatten sich bereits in den Koalitionsvereinbarungen auf eine deutliche Anhebung der sogenannten Schonvermögen und der Zuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Bezieher geeinigt. Zudem wird im Februar eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Sätze vor allem für Kinder erwartet. Diese könnte womöglich auf eine womöglich starke Anhebung der Bezüge hinauslaufen.
Von der Leyen: "Vieles ist hastig gemacht worden"
Von der Leyen kritisierte in dem Fernsehinterview: "Der Grundansatz: 'Jeder kriegt eine Chance' ist richtig. Aber vieles an dieser Reform ist hastig gemacht worden. Wir müssen jetzt hinschauen, wie wir es gerechter machen können". Dabei sei ihr wichtig, "dass der Gedanke wegkommt: 'Ich habe Hartz IV und verdiene was dazu'". Stattdessen müsse der Anreiz da sein zu sagen: "Ich verdiene so gut es geht, und wenn es nicht reicht, dann zahlt die Gemeinschaft was dazu."
Unterm Strich sei der Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit gesunken, räumte die CDU-Politikerin ein. Nur habe man bei "bestimmten Gruppen nicht genug hingeschaut". Bei Alleinerziehenden etwa sei die Notwendigkeit einer Kinderbetreuung nicht ausreichend berücksichtigt worden. "Da wurde immer gesagt: 'Die hat Kinder, nö, dann steht sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung.'" Auch Jugendliche bräuchten Unterstützung, um zu lernen: "Es lohnt sich, was zu tun, ich habe ein Ziel, und ich komme in einen Job rein." Besonders schwierig sei es, wenn einfache Arbeiter weniger verdienten als Hartz-IV-Empfänger. Die Kombination von Hartz-IV-Leistungen vom Staat und eigenem Zuverdienst sei schwierig, weil Arbeitnehmer dies ebenso wie Arbeitgeber von vornherein mit einkalkulieren könnten.
Seehofer will Hartz IV "generell neu machen"
Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Seehofer plädierte im Bayerischen Fernsehen für eine umfassende Neuordnung. "Hartz IV muss aus meiner Sicht generell neu gemacht werden. Das sollte alles einfacher und gerechter werden - jetzt kennt sich überhaupt kein Mensch mehr aus", sagte er in der Sendung "Münchner Runde".
Auch SPD-Chef Gabriel forderte im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" für Korrekturen an der unter Rot-Grün verabschiedeten Arbeitsmarkreform. Generell sprach er sich für eine Besserstellung insbesondere von älteren Arbeitslosen aus. So sollten sie künftig ihr Vermögen behalten dürfen, wenn sie 30 Jahre oder länger gearbeitet hätten. Das ginge über die von der schwarz-gelben Koalition geplante Anhebung der Freibeträge von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr hinaus. "Warum darf jemand, der 30 Jahre lang gearbeitet hat, im Fall der Arbeitslosigkeit nicht das behalten, was er für das Alter angespart hat, zum Beispiel seine Lebensversicherung?", wird Gabriel zitiert.
Diese Pläne und zum Teil weitergehende Forderungen aus den Landesverbänden sollen auch Thema der Klausurtagung des SPD-Bundesvorstands am kommenden Wochenende in Berlin sein. So fordern die hessischen Sozialdemokraten, das vor Hartz IV fällige Arbeitslosengeld I länger zu zahlen, wenn sich Beschäftigungslose in dieser Zeit beruflich qualifizieren. Nach dem Zeitungsbericht soll Gabriel intern Sympathie für diese Idee gezeigt haben.