Vereinbarung unterzeichnet Deutschland kauft Raketenschild von Israel – was kann das neue Abwehrsystem Arrow 3?

Israel ist einer der führenden Staaten bei der Raketenabwehr, nun kauft Deutschland mit Arrow 3 das neueste System des Landes. Wie die Anti-Raketen-Raketen den Schutz Deutschlands und Europas verbessern können.

Es sei eine "schöne Wendung der Geschichte, dass ein israelisches Raketenabwehrsystem nun Europa schützen soll", merkte die "Welt" jüngst an, als im Juni klar war, dass die Bundeswehr "Arrow 3" erwerben werde – ein System aus so genannten Anti-Raketen-Raketen. Das Blatt verwies in diesem Zusammenhang auf die lange Geschichte west-nahöstlichen Waffenaustauschs: Wie die Lieferung von französischen "Mirage III"-Jets an Israel im Sechstagekrieg. Oder Jahre zuvor, 1948, als die Tschechoslowakei Nachbauten deutscher Messerschmidt-Jäger an den entstehenden Staat schickte. Beide Male siegten die Israelis.

Israel "stolz, Deutschland und Europa zu schützen"

In gewisser Weise revanchiert sich Israel jetzt, und der Berliner Botschafter des Landes, Ron Prosor, jubelte bereits auf X (früher Twitter): "Dies ist ein historischer Tag, der die Zeitenwende in den Beziehungen zwischen Israel und Deutschland markiert". Er sei "stolz darauf, dass der Nationalstaat des jüdischen Volkes 75 Jahre nach seiner Gründung dazu beiträgt, Deutschland und Europa zu schützen."

Denn Arrow 3 ist ein System, das die israelische Firma Aerospace Industries (IAI) zusammen mit Boeing aus den USA entwickelt hat: Im Präsentationsvideo wehen die Flaggen der beiden Herstellerstaaten, zu anschwellenden Geigen ist Countdown zu hören und der Rauch zahlreicher Raketen zu sehen: "Israels erste außeratmosphärische Anti-Raketen-Rakete" steht darunter.

Wie es der Name schon andeutet, ist das System in der Lage, ballistische Raketen oberhalb der Atmosphäre abzufangen, die aus einer Entfernung von bis zu 2400 Kilometern abgefeuert wurden. Es gilt als leistungsfähig genug, um auch benachbarten EU-Ländern Schutz zu gewähren, sollte es in Deutschland installiert werden. Das System könnte somit einen entscheidenden Beitrag zum europäischen Luftverteidigungsprojekt Sky Shield leisten. 

Schutz für Militär und Bevölkerung

Die Arrow-Raketen haben eine deutlich höhere Reichweite als das bisher in Deutschland eingesetzte Patriot-Luftabwehrsystem und das System Iris-T. Arrow 3 wäre also eine Ergänzung der bestehenden deutschen Raketenabwehr: Das System besteht aus einem Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und Lenkflugkörpern und ist der Lage Angriffe zu erkennen, die feindlichen Raketen zu verfolgen und zu zerstören. Damit sollen großen Gebiete wie militärische Stützpunkte oder Bevölkerungszentren geschützt werden können.

Der Abwehrraketen kamen erstmals im Jahr 2017 auf einem israelischen Luftwaffenstützpunkt zum Einsatz. Damals hatte ein Exemplar eine syrische S-200-Rakete sowjetischer Bauart vom Himmel geholt. Anders als das Raketenschutzschild Iron Dome (Eiserne Kuppel), das Israel vor allem vor Angriffen aus dem Gazastreifen und dem Libanon schützt, ist das Arrow-System zur Abwehr von Langstreckenraketen konzipiert. Israel schützt sich damit etwa vor Angriffen aus dem Iran oder Syrien. Laut IAI verfügt Arrow 3 über eine "sehr kurze Reaktionszeit" und kann auch modernste Angriffswaffen abwehren.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Israels Waffenproduktion war lange für die Uzi-Maschinenpistole bekannt. In den 1980er Jahren hat das Land begonnen, ballistischen Abwehrraketen zu entwickeln. Zu Beginn wurden Artilleriegeschosse abgewehrt. 2010 kam die "eiserne Kuppel" hinzu, die vor Angriffen aus dem Gazastreifen mit Kassam-Garagenraketen schützen soll. Die neuste Generation des Abwehrschirms ist in der Lage, nuklear bestückte Raketen abzufangen.

Knapp vier Milliarden Euro kostet der Schutzschirm, der aus dem 100 Milliarden Euro umfassenden "Sondervermögen Bundeswehr" bezahlt werden soll. Rund 20 Milliarden Euro fließen im nächsten Jahr davon in Großprojekte ab. Neben Arrow 3 ist das der Kauf von Transporthubschraubern, Flottendienstbooten, und Munition. Bis Ende dieses Jahres wollen Deutschland und Israel einen verbindlichen Vertrag zur Lieferung des Systems besiegeln.

Für den Deal mussten auch die USA als Mitproduzent grünes Licht geben, was sie nun getan haben. Das sehen die Abkommen zu Rüstungsexporten vor. So musste Deutschland auch die Weitergabe von Leopard-II-Panzern an die Ukraine genehmigen.

Stationiert in vier Bundesländern

In Deutschland liegt der Stützpunkt auf der Grenze zu Sachsen-Anhalt, zum größeren Teil in Schönewalde (Brandenburg). Zwei weitere der Systeme sollen in Schleswig-Holstein und Bayern stationiert werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits vor einem Jahr als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine die Absicht bekundet, einen Raketenabwehrschirm für Deutschland beschaffen zu wollen. Im Juni stellte der Haushaltsausschuss bereits 560 Millionen Euro für eine Vorvertragsvereinbarung bereit. Bis Ende 2025 soll das System in Deutschland einsatzbereit sein. 

Das Arrows-System hat jedoch den Nachteil, dass jede Abwehrrakete mehr als eine Million Euro kostet. Für Angriffe mit günstigen Drohnen oder Kleinraketen ist es ungeeignet beziehungsweise zu teuer. Wie in der Ukraine ist und bleibt daher Iris-T-SLM im Einsatz.

Neue Infrastruktur, neues Personal

Man werde für das Abwehrsystem, das an Deutschland geliefert werde, eine völlig neue Infrastruktur mit neuem Personal aufbauen, sagte Moshe Patel, Arrow-Entwicklungschef im israelischen Verteidigungsministerium. Eine erste Einsatzfähigkeit des Systems sei bis 2025 geplant, die volle Einsatzfähigkeit bis 2030. Die israelische Luftwaffe werde an dem Prozess beteiligt sein und ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von Arrow 3 teilen. 

Deutschland und Israel haben den Kauf des Raketenabwehrsystems Arrow 3 durch Berlin an diesem Donnerstag schriftlich vereinbart. Die Verteidigungsminister beider Länder, Boris Pistorius und Joav Galant, unterzeichneten in Berlin eine entsprechende Absichtserklärung. Die Beschaffungsbehörden beider Länder unterschrieben zudem einen Vertrag über den Start der Produktion von Arrow 3. Die Vereinbarung gilt als Zeichen für eine weitere Stärkung der besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Der Erwerb des Raketenabwehrsystems ist eine Reaktion Berlins auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Das System soll Deutschland und seinen Nachbarn in rund zwei Jahren einen besseren Schutz vor möglichen Raketenangriffen bieten.

Quellen: "Welt", "The Economist", DPA, IAI auf Youtube, Bundesverteidigungsministerium.