"Ja, mach nur einen Plan
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch 'nen zweiten Plan,
geh'n tun sie beide nicht."
Bert Brecht, "Dreigroschenoper"
Man kann die Sache von innen und von außen betrachten. Aus der Binnensicht der Politik, die stets von der Frage umgetrieben wird: Wer wen? Wer legt wen aufs Kreuz, wer ist Sieger? Oder aus der Perspektive des betroffenen Bürgers, den nur die Antwort auf die Frage interessiert: Was geht's mich an? Wie beeinflusst das mein Leben, nicht zuletzt mein Portemonnaie? Sie als Staatsbürger sollten im vorliegenden Fall noch sorgfältiger als sonst darauf achten, dass Sie die Kunstwelt der Politik nicht mit der Ihren, der realen, verwechseln. Dann dürfen Sie sich entspannen. Vorerst. Denn nach der Wahl 2006 kommt in Sachen Krankenversicherung - ob nun Prämienmodell der Union oder Bürgerversicherung von Rot-Grün - vieles anders, als der Schlachtenlärm der Parteien heute verheißt. Garantiert.
Betrachten wir die Lage zunächst von innen. Schon da gibt es einiges geradezurücken. Modell eins: Kopfprämie der Union. Edmund Stoiber ist, jedenfalls tendenziell, Sieger im Ringen mit Angela Merkel, war und ist allenthalben zu lesen. Falsch. Stoiber ist der Verlierer. Denn er hat der innerparteilichen Machtdemonstration seine ökonomische Kompetenz geopfert, die Reinheit der Merkelschen Idee kontaminiert, sozusagen bürokratisch verschmutzt. Wenn Deutschlands Wirtschaftsführer die Köpfe schütteln über die umfrisierte Kopfpauschale, dann schütteln sie die Köpfe über ihn. Und er weiß das. Deshalb bemüht er sich ja um Abbitte - mit schneidigen Konzepten zu Kündigungsschutz, Tarifverträgen und Mitbestimmung. Das wird wenig helfen. Der Schaden bleibt. Und: Stoiber muss Horst Seehofer, den er und der ihn instrumentalisiert hat im Ringen mit Merkel, entschärfen. Das wird nicht einfach. Denn der Mann hat psychologisch das Zeug zum parteipolitischen Selbstmordattentäter.
Angela Merkel, so das zweite gängige Urteil, ist kreuzunglücklich über Stoibers Eingriff. Wieder falsch. Denn sie ist be-freit von dem Alb, dass ihr theoretisch stimmiges Modell, was die Subvention der sozial Schwachen angeht, so einfach nicht zu bezahlen war, wie sie stets behauptete. Sie hat nun die Prämienidee gerettet - und in Stoiber den Schuldigen für die komplizierte Finanzierung gefunden. Dass die Union den Spitzensteuersatz nicht auf 36, sondern nur auf 39 Prozent senken kann, ist ihr taktisch gerade recht: Die "Reichen" müssen eben mehr bluten, ist die Botschaft, die hilft, Angriffe von links zu kontern.
Nun zu Modell zwei: der Bürgerversicherung von Rot-Grün. Damit, trompeten die Propagandisten, wird die Koalition die Opposition in die Ecke treiben. Denn die Idee ist so eingängig und der Begriff so schäfchenweich: Alle, auch Selbstständige und Beamte, müssen da rein, und jedermann hat auf alles, was er verdient - auch Mieten und Zinsen - Beitrag zu zahlen. Hübsch einfach und höchst gerecht!
Falsch. Denn die Bürokratie, die dies zu bewältigen hätte, wäre nichts im Vergleich zu der des Unions-Modells. Zudem: Es würde nur frisches Geld ins faule System gepumpt, während die Kassen durch die Einheitsprämie dem Wettbewerb ausge-setzt wären. Und: Wenn wirklich Geld bewegt werden soll, müssten auch Facharbeiter abkassiert werden. Was die Gewerkschaften auf Distanz gehen lässt. Das Ding ist so widersprüchlich, dass SPD und Grüne vor der Wahl lieber nicht konkret werden. Da sind der Kanzler, der Wirtschaftsminister und die Gesundheitsministerin vor - die liebäugeln nämlich mit einer Prämie, die auch der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums empfiehlt.
Stoiber hat der Macht seine ökonomische Kompetenz geopfert
Was heißt das für Sie? Nach der Wahl wird die Messe neu gelesen. Egal, wer gewinnt. Erstens werden die Parteien die Welt im Lichte der aktuellen Steuer(not)lage mit anderen Augen sehen. Zweitens werden Fachleute spitz nachrechnen, was die Parteien rundgerechnet haben. Drittens wird die FDP, im Falle des Regierungswechsels, der Union faule CSU-Zähne ziehen. Viertens wird der Kanzler, falls er siegt, die Bürgerversicherung, so wie sie die Linke erträumt, versenken. Und die Ideen vielleicht fusionieren.
Was ist am Ende Ihr Interesse? Eine möglichst einfache Prämie, sozial gerecht finanziert. Damit der Gesundheitskrake unter Spardruck gerät. Das ist das Einzige, was Sie sich merken sollten. Alles andere, was Ihnen heute entgegendröhnt, können Sie getrost vergessen.