Millionen Deutsche kennen das mittlerweile: Die Tage können in der Corona-Isolation wirklich lang werden. Da kommt mancher schon mal auf Ideen, und nicht immer auf gute. Nun hat es auch Bärbel Bas (SPD) erwischt: Die Bundestagspräsidentin hat sich mit dem Virus infiziert und befindet sich in häuslicher Isolation. Von dort sendet sie Grüße auf TikTok: In einem Playback-Video ahmt sie mit den Lippen das Kinderlied "Ich schaff‘ das schon" von Rolf Zuckowski nach.
Der Auftritt hat viel Kritik und eine Diskussion in den sozialen Netzwerken nach sich gezogen: Darf sich eine Bundestagspräsidentin – immerhin die Frau, die das zweithöchste Amt im Staat bekleidet – so präsentieren? Nein, meinen einige. "Man fühlt sich halt auch einfach super vertreten von einer solchen Bundestagspräsidentin", schreibt der CDU-Abgeordnete Johannes Steiniger spöttisch auf Twitter. Der Druck wurde sogar so groß, dass Bas sich für das Video entschuldigte und den Clip löschte. Dabei hat sie auf TikTok doch eigentlich nur das getan, was sich viele Bürger:innen im Land von Politiker:innen wünschen: Sie war eine von ihnen.
Bärbel Bas präsentiert sich nahbar – warum nicht?
Social Media gehört nun einmal zum Alltag in Deutschland – und das nicht erst seit gestern. Jugendliche nehmen an Tanzchallenges teil. Junge Erwachsene posten Urlaubsbilder auf Instagram. Deren Eltern und Großeltern stellen vermeintlich lustige Sprüche und Videos in ihren Whatsapp-Status. Und Bärbel Bas hatte eben Lust, in der Isolation auf TikTok zu singen – warum nicht.
Immer wieder wird der Ruf nach volksnahen Politiker:innen laut, nach Politik zum Anfassen. Dazu gehört auch, dass sich Menschen in hohen Ämtern nicht nur auf dreifach gegengelesene Redemanuskripte beschränken, sondern sich auch mal von einer persönlichen Seite zeigen. Der Text, den Bas da auf TikTok mimte, passt zudem auch noch gut zu ihrer eigenen Situation und der von vielen Bürger:innen, die derzeit mit einer Corona-Infektion kämpfen: "Ich komm' bestimmt, ich komm' bestimmt auch wieder auf die Beine."
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Zum Skandal taugt das TikTok-Video nicht
Man muss diese Art von Humor nicht lustig finden, man darf sie sogar für ziemlich albern halten. Aber zum Skandal taugt das Video von Bärbel Bas deshalb nun wirklich nicht. Der politischen Kultur in Deutschland tut es gut, wenn sich Politiker:innen nahbarer geben, auch wenn das in den sozialen Netzwerken ein schmaler Grat sein kann: Allzu inszenierte Auftritte wirken ebenso unangenehm wie dilettantische Posts.
Da kann durchaus einiges schiefgehen, wie beim jüngsten Selfie-Video des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) vor einer Tankstelle, in dem er sich über die steigenden Spritpreise beschwerte und eine Benzinpreisbremse von der Bundesregierung forderte. Aber schon da war es Unsinn, dass ihm die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann vorwarf, mit dem Video den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj imitieren zu wollen.

Lustige TikTok-Videos der Bundestagspräsidentin während des Ukraine-Kriegs
Der Post von Bärbel Bas ist mittlerweile nicht mehr online verfügbar. "Ich bedauere, dass ich mich in dieser Zeit und in dieser Form aus der Quarantäne heraus so geäußert habe", entschuldigte sich die Bundestagspräsidentin. Tatsächlich hätte sich die 53-Jährige ihren TikTok-Clip vielleicht lieber sparen sollen.
Nicht etwa wegen der vielzitierten "Würde des Amtes" – der Begriff wurde in den vergangenen Monaten eher von anderen Mitgliedern des Bundestagspräsidiums gedehnt. Doch bei aller grundsätzlichen Sympathie für das lockere Auftreten von Bas wirken lustige Videos von hochrangigen Politiker:innen doch etwas deplatziert, wenn in der Ukraine ein brutaler Krieg tobt und der ukrainische Präsident wenige Tage zuvor im Bundestag – in Abwesenheit von Bas, die sich da schon in Isolation befand – eine eindringliche Rede gehalten hat.

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Weitere Videos von Bärbel Bas sind übrigens vorerst nicht mehr zu erwarten, auch wenn sich die weltpolitische Lage irgendwann wieder beruhigen sollte: Sie hat ihr Profil auf TikTok nach der harschen Kritik deaktiviert.