Nach mehr als zwei Monaten relativer Ruhe im Streit um das Milliardenprojekt Stuttgart 21 droht der Konflikt jetzt wieder neu zu entfachen. Die Bahn will heute die Bagger anrollen lassen und den Baustopp beenden.
Am Morgen begann das Unternehmen damit, den Betrieb auf der Baustelle wieder aufzunehmen. "Es laufen die ersten Vorbereitungsarbeiten", sagte ein Bahnsprecher. Nach Angaben der Parkschützer blockierten etwa 250 Menschen die Zufahrt der Handwerker zum Grundwassermanagement im Schlossgarten. Die Polizei sei mit Ausnahme eines Kamerawagens noch nicht am Ort, sagte ein Sprecher der Bahnhofsgegner. Zunächst solle am Nordflügel des Bahnhofs die Baustelleneinrichtung für das geplante unterirdische Technikgebäude vorbereitet werden, hieß es. Über weitere Schritte will der Konzern erst am Mittwoch auf einer Pressekonferenz berichten.
Die Bahn hatte den Bau- und Vergabestopp für das umstrittene Projekt nach mehr als zwei Monaten Stillstand am Freitag nach einer Sitzung des Lenkungskreises der Projektträger aufgehoben.
"Es wäre doch nur redlich, den Stresstest abzuwarten"
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wirft der Bahn vor, mit der Wiederaufnahem der Bauarbeiten vom Schlichterspruch abzuweichen: "Es wäre doch nur redlich, bis zum Ergebnis des Stresstests keine weiteren Baumaßnahmen vorzunehmen. Diese Erwartung wird nun von der Bahn konterkariert", sagte Kretschmann am Wochenende dem "Tagesspiegel". Im Namen der Bahn konterte der S21-Sprecher Wolfgang Dietrich: "Wir werden bis zum Stresstest sowieso nichts bauen, was diesen Test konterkarieren könnte." Das habe die Bahn immer gesagt und das wisse auch Kretschmann ganz genau. Der Stresstest ist für Mitte Juli geplant.
Im Übrigen habe das Land keinen Baustopp beantragt, "weil es sich an den Kosten dafür nicht beteiligten wollte", sagte Dietrich. Zuvor hatte Kretschmann kritisiert, ihm lägen wichtige Daten nicht vor, auf deren Grundlage er hätte einen Einspruch formulieren können. Dietrich nannte dieses Argument "schlicht falsch".
Kommt die Volksabstimmung?
Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) verteidigten den Fortgang der Bauarbeiten: "Es ist sehr wichtig, dass keiner der Projektpartner von Stuttgart 21 einen Baustopp beantragt hat", sagte Grube der Bild am Sonntag. Dies habe weit über die baden-württembergische Landeshauptstadt hinaus Signalwirkung. "Denn würden erworbenes Baurecht und gültige Planfeststellungsverfahren in Deutschland nichts mehr gelten, hätte das für unser Land nicht abzusehende negative Folgen."
Ramsauer sagte der Stuttgarter Zeitung, er erwarte von der grün-roten Landesregierung, dass sie "dem Baurecht Geltung verschaffen" werde. Eine Volksabstimmung halte er für unwahrscheinlich. Tatsächlich suchten die Regierungsparteien in Baden-Württemberg, "nach Wegen, eine Volksabstimmung zu vermeiden". Ein Sprecher der Landesregierung sagte dazu: "Der weitere Plan ist abgesprochen und klar: Der Stresstest folgt im Juli, dann wird sich die Leistungsfähigkeit des neuen Bahnhofes erweisen oder auch nicht. Danach folgt die im Koalitionsvertrag beschlossenen Volksabstimmung zum Projekt."
Bis dahin allerdings sind in Stuttgart schon ein paar Fakten mehr geschaffen worden.