Khaled el Masri ist schon nach einer knappen halben Stunde nervlich am Ende. Der Deutsch-Libanese schildert am Donnerstag vor dem BND-Untersuchungsausschuss in Berlin seine spektakuläre Entführung von Mazedoniens Hauptstadt Skopje am 31. Dezember 2003 in ein Kabuler Gefängnis in Afghanistan. Rund fünf Monate sei er dort gefangen gehalten worden. Er berichtet von Misshandlungen, erzählt von Verhören in tiefer Nacht, von Ketten an den Füßen und Handschellen und vermummten Bewachern.
"Sam" kannte viele Details
Drei bis vier Mal sei er von einem "Sam" auf Deutsch befragt worden. Kurz vor seiner Freilassung und dem Rückflug nach Europa - Ende Mai 2004 - habe "Sam" ihn vorgewarnt: "Erschrecken Sie nicht, wenn Sie nach Hause kommen." An dem Punkt seiner Geschichte bittet el Masri die elf Ausschussmitglieder um eine kurze Pause - dem im Libanon geborenen und mit leicht schwäbischen Akzent sprechenden Mann mit dickem Haarzopf stehen die Tränen in den Augen. Bei seiner Rückkehr nach Neu-Ulm - so seine Worte - war seine Familie weg.
El Masri lässt keine Zweifel an seiner Verschleppung aufkommen. "Ich weiß überhaupt nicht, warum man mir das angetan hat." Er ist auch sicher, dass "Sam" ein Deutscher war, er glaubte gar einen norddeutschen Akzent zu erkennen. Seine Bitte, mit deutschen Diplomaten in Kontakt treten zu können, sei einfach ignoriert worden, sagte el Masri. "Sam" habe auch erstaunliche Details aus einem Multi-Kulturhaus in Neu-Ulm - dem Wohnort el Masris - gewusst, die ihn bestärkt hätten, dass der Befragte Deutscher sei. So habe "Sam" genau gewusst, wo in dem Haus eine Kühltruhe stand.
El Masri an der Waffe ausgebildet
Bei den voraus gegangenen Befragungen vor dem Ausschuss hatten zwei Staatsanwälte aus München der Entführungsschilderung el Masris überwiegend Glauben geschenkt. Schon bei den ersten Vernehmungen von Zeugen des Ausschusses ging es um den ominösen "Sam" und die Frage, ob und wann deutsche Behörden von der Entführung el Masris wussten. Bei einer späteren Gegenüberstellung war sich el Masri aber nicht mehr restlos sicher, ob es sich bei diesem Mann um "Sam" handelte.
Allerdings habe er die Person auf einem im Internet verbreiteten Foto wieder erkannt, sagte el Masri. Das Grünen-Ausschussmitglied Hans-Christian Ströbele kam auch nicht weiter. "Könnte ich mal fragen, ob 'Sam' im Saal ist?", wollte er wissen - ohne Ergebnis. Befragt nach seinem Lebensweg bestätigte el Masri auch, dass er sich Anfang der 80er Jahre an Kämpfen im Libanon gegen die "syrischen Besatzer" beteiligt habe und an der Waffe ausgebildet worden sei.

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Mehrheit glaubt nicht an deutsche Verwicklung
Die Münchner Staatsanwaltschaft verfolge mehrere "Sam-Varianten", sagte Staatsanwalt Martin Hofmann. Bei zwei möglichen "Sams" sei aber erwiesen, dass sie nicht die Verhörpersonen gewesen sein können. Dass dieser "Sam" deutsch gesprochen habe, bedeute noch nicht, dass dies ein deutscher Staatsbürger war oder einer deutschen Behörde angehörte. Spuren über einen dritten "Sam" würden gegenwärtig untersucht, die Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen - so Oberstaatsanwalt August Stern.
Für die Ausschussmehrheit aus SPD und Union wie auch für die FDP scheint festzustehen, dass keine deutschen Stellen an der Entführung beteiligt waren. Erst kürzlich stellte sich aber heraus, dass zumindest ein in Skopje stationierter BND-Angehöriger schon im Januar, also unmittelbar nach Al Masris Festnahme in Mazedonien, von der Festnahme erfuhr.
Neuer Zeuge aufgetaucht
Plötzlich gab es aber noch eine Person, die von der Festnahme eines Deutschen an der mazedonisch-serbischen Grenze erfahren haben will. Das Auswärtige Amt berichtete erst am Mittwoch, dass ein Deutscher wohl die deutsche Botschaft in Skopje informiert habe. Nur gut 24 Stunden später, saß dieser Mann, der frühere Direktor der Deutschen Telekom in Mazedoniens Hauptstadt, Wolf-Dietrich Mengel, auf der Zeugenbank in Berlin. Er habe Anfang 2004 die Botschaft informiert, und ihm sei gesagt worden: "Das ist bekannt." Dass es sich dabei um el Masri gehandelt haben könnte, wusste er damals nicht, könne dies aber auch nicht ausschließen.
Die Suche nach "Sam" geht auch nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses am Donnerstag weiter. Und die Frage, wann genau deutsche StAllen von der Entführung gewusst haben, bleibt weiter unbeantwortet.