EU-Asylrechtsreform Bringen die Zentren an der Grenze etwas? Daran gibt es Zweifel

Eine Luftaufnahme vom "Hotspot" genannten Einsatzzentrum auf der italienischen Insel Lampedusa
Eine Luftaufnahme vom "Hotspot" genannten Einsatzzentrum auf der italienischen Insel Lampedusa
© Alessandro Serran / AFP
Die geplante Reform des EU-Asylrechts geht auf die Zielgerade zu. Ein wichtiger Baustein: Asylzentren an den Außengrenzen. Werden sie den Zuzug, auch nach Deutschland, tatsächlich begrenzen?

Ein weiteres Kernelement der EU-Asylrechtsreform steht: Die Mitgliedsstaaten haben letzte Differenzen um die Krisenverordnung aus dem Weg geräumt, die deutlich verschärfte Maßnahmen bei einem besonders hohen Aufkommen von Migranten vorsieht. Am Mittwoch verständigten sich alle EU-Staaten auf einen Kompromiss, wie die spanische Ratspräsidentschaft mitteilte (mehr dazu lesen Sie hier).

Damit geht die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) auf die Zielgeraden zu. Nach der Einigung auf Regierungsebene der EU-Staaten soll nun schnellstmöglich auch mit dem Europaparlament eine Verständigung über das Reformprojekt erzielt werden. Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform zahlreiche Ergänzungen und Verschärfungen vor, um unerwünschte Migration zu begrenzen.

Nicht nur Innenministerin Nancy Faeser sieht in europäischen Lösungen das effektivste Mittel gegen irreguläre Migration, auch Kanzler Olaf Scholz (beide SPD) knüpft hohe Erwartungen an die "historische" Asylrechtsreform. Ein wichtiger Baustein der Pläne: Künftig sollen Asylverfahren schon an der Außengrenze durchgeführt werden, damit Migranten ohne große Bleibeperspektive schnell(er) zurückgeführt werden können. Im Normalfall sollen sie dafür bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen in Aufnahmezentren festgehalten werden dürfen.

Aber ist das restriktive Vorgehen auch effektiv? Nennenswert einbrechen dürften die Flüchtlingszahlen in Deutschland dadurch nicht, meint Migrationsforscher Gerald Knaus.

"Das, was die Reform vorgibt zu verändern, gibt es schon"

Jedenfalls nicht so, wie derzeit geplant. So sei völlig unklar, was nach den geplanten Schnellverfahren passieren soll. "Solche Verfahren ergeben nur dann Sinn, wenn man in der Lage ist, Menschen auch sehr schnell in ihr Herkunftsland oder in einen sicheren Drittstaat zu bringen", sagt der Experte zum stern. Das sei derzeit nicht der Fall.

Damit bleibe es für Länder wie Italien am bequemsten, wenn die Geflüchteten schnell nach Europa weiterziehen – und nicht auf Lampedusa warten, bis ihr Status geklärt ist. Der Migrationsforscher hält es daher für unrealistisch, dass die Mittelmeeranrainerstaaten große Zahlen an Asylbewerbern aus Tunesien, Bangladesch, Ägypten und anderen Ländern in großen Grenzlagern festhalten würden. "Und daher wird dies wohl auch nie wie vorgesehen umgesetzt werden", sagt Knaus.

Die Diskussion um die EU-Reform erinnere ihn an Hans Christian Andersens Märchen "Des Kaisers neue Kleider", sagt Knaus: In Brüssel sei so viel Zeit in die Reform gesteckt worden, "dass die Mitgliedsstaaten heute nicht aussprechen wollen, dass dieser Kaiser eigentlich nackt ist." Die Pläne würden im Kern keine wichtigen Änderungen bringen und daher nicht zur Lösung drängender Probleme beitragen.

Also doch kein großer Durchbruch auf EU-Ebene? "Das, was die Reform vorgibt zu verändern, gibt es schon", winkt Knaus ab. "Schnelle Verfahren sind nicht gegen die Flüchtlingskonvention, Verfahren an der Grenze auch nicht." Nur ohne Herkunftsländer, die ihre Staatsbürger zurücknehmen, oder sichere Transitländer, würden solche Verfahren schlichtweg nichts bringen. "Es ist so nicht ersichtlich, wie das die aktuelle Situation verändern würde, weder für Deutschland noch für andere EU-Staaten."