Bürgerschaftswahl Schröders schöne Stunden

Mit Verzögerung nahm Henning Scherf am Montagmittag Gerhard Schröders Glückwünsche in der Berliner SPD-Zentrale an. Grund war eine Zugverspätung auf dem Weg von Bremen.

Der Wahlsieger ließ erst einmal auf sich warten. Mit Verzögerung nahm Henning Scherf am Montagmittag Gerhard Schröders Glückwünsche in der Berliner SPD-Zentrale an. Grund war eine Zugverspätung auf dem Weg von Bremen. Auffällig gelöst stand Schröder im Foyer des Willy-Brandt-Hauses in Wartestellung, bis der Bremer Bürgermeister Scherf schließlich vorfuhr. Die Journalisten interessierte der unerwartete SPD-Triumph in der Hansestadt aber nur noch mäßig. "Und was ist mit NRW?" wurde der Kanzler wegen der neuesten SPD-Krise bedrängt.

Überraschender Erfolg

Doch nach einem halben Jahr mit meist desaströsen Nachrichten in Serie für seine Partei an der Wahlfront wollte Schröder als alter Werder-Fan wenigstens kurz das SPD-Abschneiden in Bremen öffentlich genießen. Zumal auch für ihn dieser Erfolg ziemlich überraschend kam. Dass Scherf zur Gratulation nach Berlin eilte, wurde erst vereinbart, als der Sieg feststand.

Besonderes Wahlrecht

In Bremen und Bremerhaven gilt eine Besonderheit des Wahlrechts: Wer nur in einer der beiden Städte die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, kommt dennoch in das Landesparlament. Somit ziehen FDP und DVU über ihr Ergebnis in Bremerhaven in die Bürgerschaft mit jeweils einem Sitz ein.

Als Legende wies Scherf beim gemeinsamen Auftritt mit dem Kanzler jedoch die Darstellung zurück, die Bremer SPD habe Schröder aus Angst vor Stimmeinbußen im Wahlkampf einfach versteckt. "Das Gegenteil ist richtig", gab Scherf zu Protokoll. Man habe Schröder schließlich nur vor "schrillen Konfrontationen" mit protestierenden Gewerkschaftern schützen wollen.

Psychologischer Rückenwind

Der Kanzler machte trotzdem nicht den Versuch, den Erfolg auch für sich zu reklamieren. Den habe sich Scherf allein wohl verdient, trotz der ganzen Berliner Widrigkeiten, räumte er ein. Doch Schröder ließ auch klar erkennen, dass er sich von der Bremer Wahl zumindest psychologisch Rückenwind für den SPD-Sonderparteitag am kommenden Sonntag verspricht. Mehr denn je sei er jetzt sicher, dass die Delegierten ihm den nötigen Rückhalt für seine Reform-Agenda geben würden, lautete die Vorhersage.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Zur guten Laune Schröders trug zusätzlich noch ein Interview von Michael Sommer bei, der nach einem diskreten Treffen mit dem Kanzler dessen Reformpläne plötzlich gar nicht mehr so schlimm fand. Schließlich seien "die gröbsten Klötze" ja nun weg, lautete die jüngste Erkenntnis des DGB-Chefs.

Störfeuer aus NRW

Störend wirkten sich da nur noch die beunruhigenden politischen Vorgänge an Rhein und Ruhr aus. Bevor sich die schleichende rot-grüne Entfremdung in Düsseldorf richtig zum großen Knall ausweitet, griff er von Berlin aus zur Notbremse. Seinen etwas ungestümen Parteifreund Peer Steinbrück, Ministerpräsident in NRW, bat er kurzfristig am Vatertag nach Berlin, um ihn vor unbedachten Planspielen mit einer Scheidung von den Grünen abzubringen.

Sanfter Druck auf Steinbrück

Vor dem Parteirat machte der Kanzler am Montag bereits deutlich, dass ihm das auch aus bundespolitischer Sicht überhaupt nicht ins Konzept passen würde. Und als sanftes Druckmittel, um diese NRW-Genossen zur Räson zu bringen, hat Schröder für alle Fälle das Thema Subventionsmilliarden in Bereitschaft. Zunächst zeigte sich der Genosse Steinbrück aber weiterhin uneinsichtig.

Die Opposition nahm die rot-grünen Probleme in NRW mit einiger Dankbarkeit auf, um von ihrem schwachen Abschneiden in Bremen etwas ablenken zu können. Die FDP ließ dementieren, dass sie bereits Geheimgespräche mit Steinbrück über einen Regierungseintritt führt. Und die CDU, die als Juniorpartner der SPD in der Hansestadt böse abstürzte, stellte durch ihre Berliner Führung ernüchternd fest, dass der Einstieg in ähnliche Unternehmen im Bund oder anderswo ein zu gewagtes Risiko darstellt.

Die FDP freut sich trotzdem

Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle hat das Abschneiden seiner Partei bei den Bremer Bürgerschaftswahlen als "Teilerfolg" bezeichnet. "Wir haben uns mehr gewünscht, haben aber insgesamt einen deutlichen Zuwachs", sagte Westerwelle am Montag in Berlin nach Sitzungen von Parteipräsidium und -Bundesvorstand. Die Liberalen blieben am Sonntag im Land Bremen mit 4,2 Prozent (1999: 2,5) unter der Fünf-Prozent-Grenze. Ihr einziges Abgeordnetenmandat holten sie in Bremerhaven, wo sie auf 5,7 Prozent kamen.

Die FDP habe damit zum elften Mal hintereinander bei Wahlen Stimmen hinzu gewonnen. "Dies zeigt, dass der Substanzgewinn der FDP fortgesetzt wird", sagte Westerwelle. Insgesamt wertet die FDP das gute Abschneiden der SPD in Bremen als persönlichen Erfolg von Bürgermeister Henning Scherf: "Die SPD kann Wahlen gewinnen, wenn sie sich klar gegen rot-grün stellt", sagte Westerwelle. Für den FDP-Chef ist es einmalig in Deutschland: "Wer den Kanzler versteckt, kann sogar Wahlen gewinnen."

Wie verhält sich die CDU

Die Bremer CDU will nach Aussage ihres Spitzenkandidaten Hartmut Perschau die große Koalition mit der SPD "nicht um jeden Preis" fortsetzen. Nach einer Sitzung der Spitzengremien der Bundes-CDU sagte Perschau, dass die Christdemokraten in der Hansestadt die Fortführung aber in jedem Fall anstrebten. Die Gespräche mit der SPD würden aber "anstrengende Koalitionsverhandlungen". Donnerstag wollen sich nach seinen Worten SPD und Union zu ersten Gesprächen zusammensetzen.

DPA