Die Regierungschefs der Bundesländer und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten bis in den Dienstagmorgen verhandelt, insbesondere zum Thema Migration. Nach stundenlangen Beratungen hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, Leistungen für Asylbewerber zu kürzen und die Kontrollen an den Grenzen zu Nachbarländern zu verlängern. Zudem soll der Bund künftig jährlich pauschal 7500 Euro pro Flüchtling zahlen.
Die Bundesregierung will zudem prüfen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind. Und Asylverfahren sollen schneller abgewickelt werden. Insbesondere bei Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent sollen diese in drei Monaten abgeschlossen sein. Scholz sprach nach der Einigung von einem "sehr historischen Moment".
SPD:
Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken blickt kritisch auf die Forderung nach Migrationszentren in außereuropäischen Drittstaaten. Es gebe viele Modelle, die derzeit diskutiert würden und über die man sich Gedanken machen könne, sagte Esken dem Nachrichtenportal t-online. In diesem Fall habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jedoch "höflich darauf verwiesen, dass sich erst einmal Herkunftsländer finden müssten, die überhaupt bereit wären, solche Migrationszentren einzurichten und zu verwalten", sagte die SPD-Politikerin. Zudem stellten sich erhebliche rechtliche Fragen.
Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatten sich bereits kritisch zu den Vorschlägen und deren Umsetzbarkeit geäußert. SPD-Parteichef Lars Klingbeil zeigte sich hingegen offen. Im Interview mit dem ZDF sagte Klingbeil: "Wenn das am Ende dazu führt, dass dann dort auch die Asylverfahren durchgeführt werden können, dann finde ich, muss man überlegen, ob man diesen Weg geht."
Esken sieht das anders als ihr Co-Vorsitzender – allerdings verstehe und teile sie "aber durchaus die Intention, das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden und die Schleuserkriminalität auszutrocknen", sagte die SPD-Parteichefin.
Grüne:
Für die Kommunen gebe es nun "deutlich mehr Planungssicherheit und deutlich mehr Geld", sagte Grünen-Chef Omid Nouripour im ARD-"Morgenmagazin". "Es braucht Hilfe für die belasteten Kommunen und die bringen wir jetzt auf den Weg und dann wird es am Ende für alle besser." Die vereinbarten dreieinhalb Milliarden Euro für die Kommunen seien "ein großer Schritt nach vorne".
Man müsse schauen, dass "das Ganze jetzt nicht einfach nur auf dem Papier steht, sondern, dass wir jetzt auch dazu kommen, all diese Maßnahmen in Angriff zu nehmen". Anstatt über weitere Ideen in der Migrationspolitik zu sprechen, sei es wichtig sich nun mit der Realisierung der Beschlüsse zu beschäftigen. "Ruhe reinbringen und umsetzen" sei jetzt das Gebot.
Aus diesen Ländern beantragen die meisten Menschen Asyl in Deutschland

Zwischen Neujahr und Ende Mai 2024 haben 1623 Menschen aus Guinea in Deutschland einen Asylantrag gestellt.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte die Verständigung von Bund und Ländern. "Der Deutschland-Pakt Migration legt wichtige Grundlagen, um angesichts der großen Herausforderungen der Migration handeln und konkrete Probleme lösen zu können", erklärte er nach der Ministerpräsidentenkonferenz. "Es ist wichtig, dass hier alle demokratischen Parteien zusammenarbeiten. Das ist keine Selbstverständlichkeit und hart erarbeitet, aber mit dem Migrations-Pakt sind wesentliche Entscheidungen dafür getroffen."
FDP:
Die FDP hat sich zufrieden mit der Bund-Länder-Einigung zur Finanzierung der Migrationskosten gezeigt. Die geplante Einschränkung bei den Leistungen für Asylbewerber könne zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro führen, schrieb Bundesfinanzminister Christian Lindner am Dienstagmorgen auf der Plattform X, früher Twitter. Dadurch würden nicht nur Länder und Kommunen entlastet. "Durch diese Maßnahme wird auch die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert", so der FDP-Chef.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnete es auf X als "Meilenstein" in der deutschen Migrationspolitik, dass ein Teil der Leistungen für Asylbewerber künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte gewährt werden sollen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es kommen zu viele Menschen nach Deutschland, die hier auf unseren Sozialstaat angewiesen sind. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass Bund und Länder gemeinsam verabredet haben, Fehlanreize bei der Migration senken zu wollen." Es gebe Spielräume bei der Höhe und der Dauer des Bezugs nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Mit dem Beschluss von Bund und Ländern sei klar, dass es Konsens sei, diese zu nutzen. "Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren, sondern müssen zügig daran arbeiten, durch weniger Pull-Faktoren zu einer Migrationswende zu kommen", mahnte Buschmann.
Union:
CDU-Chef Friedrich Merz hat eine zügige Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarungen zur Begrenzung der Migration gefordert. Er erwarte von der Bundesregierung, dass die entsprechenden Gesetze noch vor dem Jahresende von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden, machte der Unionsfraktionschef am Dienstag deutlich. Nur dann könnten die Vorschläge am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Merz sprach insgesamt von einem "Schritt nach vorn" und begrüßte unter anderem vorgesehene Änderungen bei den Leistungen für Asylbewerber. Das Entscheidende sei, dass die Zahlen herunter müssten, sagte er mit Blick auf die nach Deutschland kommenden Migranten. Er mache ein großes Fragezeichen dahinter, ob sie tatsächlich heruntergehen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat die Ergebnisse des Migrationsgipfels als nicht ausreichend kritisiert. "Das bringt keine Asylwende", sagte Dobrindt am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. Es sei zwar zu begrüßen, dass sich der Bund finanziell nun stärker an der Aufnahme von Geflüchteten und Asylbewerbern beteilige. "Das ändert aber nichts daran, dass die Menschen weiter in hoher Zahl zu uns kommen werden."
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat die Ergebnisse der Bund-Länder-Verhandlungen zur Migration als Fortschritt, aber noch nicht ausreichend bewertet. "Positiv: Es bewegt sich was! Negativ: Das reicht noch nicht", schrieb der CSU-Chef am Dienstagmorgen auf der Plattform X, früher Twitter. "Wir müssen weiter Druck machen, um die Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen", betonte Söder.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat die Bund-Länder-Vereinbarung zur Migrationspolitik als unzureichend beurteilt. "Es ist ein kleiner Schritt", sagte Linnemann am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Das Papier reiche aber "bei weitem nicht aus", um die illegale Migration in Deutschland einzudämmen. Asylbewerber sollten erst dann auf die Kommunen verteilt werde, wenn ein Bleiberecht bestehe. Zudem solle der Familiennachzug eingeschränkt und Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden. "In dem Papier heute Nacht steht drin, wir wollen das alles prüfen", sagte der CDU-Politiker. "Das ist alles zu weich."
AfD:
Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla haben die Vereinbarungen von Bund und Ländern in der Migrationspolitik kritisiert. Die beschlossenen Maßnahmen würden nicht zur dringend notwendigen Reduzierung der Migration führen, erklärten Weidel und Chrupalla am Dienstag. "Die theatralische Nachtsitzung von Kanzler und Ministerpräsidenten hat das erwartbare Nicht-Ergebnis gebracht: Einig ist man sich nur, das Asyl-Chaos mit noch mehr Geld vom Steuerzahler zuzukleistern."
Die Ampel-Koalition setze mit Arbeitserleichterungen für Asylbewerber parallel neue Migrationsanreize, kritisierten die AfD-Chefs und forderten eine "grundlegende Reform von Asyl-, Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsrecht" und eine "Streichung von finanziellen und sozialpolitischen Einwanderungsanreizen".
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag, Bernd Baumann, führt die Vereinbarungen auf seine eigene Partei zurück. Die "fast panikhaften Versuche" von Union und SPD, sich bei der Migration auf öffentlicher Bühne zu einigen, sei den Wahlerfolgen der AfD geschuldet, sagte er am Dienstag in Berlin. "Wir sind das, die sie zwingen endlich etwas zu versuchen wenigstens."
Linke:
Der Fraktionschef der Linken Dietmar Bartsch bezeichnete die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels als "Runde der Enttäuschung". Das schrieb er bei X, vormals Twitter. "Die Kosten sollten nicht länger vom normalen Steuerzahler getragen werden." Dagegen forderte er höhere Steuern für Milliardäre und Multimillionäre zur Bewältigung der Migration. "Das wäre auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden."
Daphne Weber, Mitglied des Geschäftsführenden Parteivorstandes, schrieb ebenfalls bei X zum Migrationsgipfel: "Migrant:innen zum Sündenbock erklären löst weder die prekäre Lage der Kommunen, noch die Aufgaben der Integration, noch den Fachkräftemangel. Es schafft eine Diskursgrundlage, in der die Rechten sich weiter bestärkt fühlen und der soziale Frieden gefährdet wird."