Glaubt man dem hessischen Ministerpräsident Roland Koch, dann ist Deutschland mit einem konkursreifen Unternehmen zu vergleichen. "Würden die Regeln des privatwirtschaftlichen Insolvenzrechtes gelten, würde jede Minute, die man zögerte, beim Insolvenzgericht den Konkurs des Unternehmens Deutschland anzumelden, eine Straftat darstellen", so der CDU-Politiker in der "Welt". Glaubt man dagegen dem designierten Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), dann ist "die Haushaltslage zwar problematisch, aber man sollte sie nicht täglich dramatisieren".
Beide Politiker sind sich darüber einig, den öffentlichen Kassen einen harten Sparkurs aufzuerlegen - den rigidesten in der Geschichte der Bundesrepublik: 35 Milliarden Euro müssen im Bundeshaushalt 2007 im Vergleich zu 2006 eingespart werden. Darauf haben sich Union und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen geeinigt. Ziel ist es, so die Defizitvorgaben der EU einzuhalten. Für das kommende Jahr könnten die Lücken mit Einmalmaßnahmen - also vor allem mit Privatisierungen - zu schließen sein, hoffen die Sozialdemokraten, die von einem Volumen in Höhe von 15 Milliarden Euro ausgehen.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sprach angesichts der Haushaltslage von einer "schweren Last, einem schweren Erbe" nach sieben Jahren Rot-Grün. Deswegen sieht Koch nun die SPD in der Pflicht, "Vorschläge zu machen, wie wir aus dieser Lage wieder herauskommen".
Eine nicht besonders populäre Aussage dazu hatte jüngst Peer Steinbrück getroffen, als er nicht länger die Privatisierung der Autobahnen ausschließen wollte. Sein Parteikollege Olaf Scholz, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, hat zwar keine konkrete Sparvorschläge, sagte aber, niemand solle damit rechnen, "dass es steuerlich zu einer Nettoentlastung kommt". Das gelte auch für Unternehmen. Man werde versuchen, "ein gutes Werk zu zimmern", so Scholz und "alle haben nun endgültig verstanden, dass wir eine große Aufgabe zu bewältigen haben".
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, kündigte an, manche Wahlzusagen einzukassieren, etwa in den Bereichen Kinderbetreuung und Pendlerpauschale. "Jede Arbeitsgruppe müsse eigentlich die Auflage bekommen, Sparvorschläge zu machen und nicht drüber nachzudenken, wie man noch mehr Steuergeld verteilen könnte", so Böhmer zur "Sächsischen Zeitung".
Kein Spielraum für zusätzliche familienpolitische Leistungen
Angesichts dieser Lage sieht Böhmer keinen Spielraum mehr für zusätzliche familienpolitische Leistungen des Bundes. "Ich kann mir nicht vorstellen, wo jemand das Geld für zusätzliche Leistungen in der gegenwärtigen Situation hernehmen will." Neue Subventionen wie die leichtere steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuung werde es nicht geben. "Wir werden solche Leistungen abbauen müssen, aber nicht neue aufbauen", sagte Böhmer.
Auch seine Forderung nach Beibehaltung der Pendlerpauschale schränkte der Ministerpräsident ein. Allerdings sollte gelten: "Wer über kurze Entfernungen pendelt, braucht nicht unbedingt so viel Unterstützung wie der, der einen langen Atem hat."
Zuschuss für BA könnte sinken
Ein Hauch Entlastung für den Haushalt kommt nun ausgerechnet von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Der zum Ausgleich des Defizits benötigte Bundeszuschuss könnte in diesem Jahr nach Einschätzung der Behörde unter den eingeplanten vier Milliarden Euro liegen.

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Der Bedarf könne "gegebenenfalls auch unterhalb von drei Milliarden Euro" liegen, teilte die Behörde am Dienstag mit. Die ersten neun Monate habe die BA mit einem um rund zwei Milliarden Euro geringeren Defizit abgeschlossen als in der Planung angenommen. Zwar habe sich der Beitragsausfall bei den Einnahmen unvermindert fortgesetzt. Die Ausgaben seien aber wesentlich stärker als die Einnahmen unter den Planzahlen geblieben.