Der CDU-Politiker Norbert Lammert ist neuer Präsident des Bundestags und löst damit Wolfgang Thierse ab. Er wurde am Dienstag in der konstituierenden Sitzung des Parlaments mit 564 von 606 gültigen Stimmen gewählt. Lammert gilt als Schöngeist und Strippenzieher. So zumindest wird er von vielen beschrieben. Der 56-jährige Bochumer ist der elfte Repräsentant der Volksvertreter und bekleidet protokollarisch das zweithöchste Amt in Deutschland. Er präsentiert den Bundestag bei öffentlichen Veranstaltungen, regelt die Parlamentsgeschäfte und leitet die Plenarsitzungen - möglichst gerecht und überparteilich.
Lammert hat sich "überwältigt, geradezu erschüttert" vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit bei seiner Wahl zum Bundestagspräsidenten gezeigt. "Ich weiß um die Bedeutung wie um die Grenzen des Amtes", sagte der CDU-Politiker bei der Amtsübernahme. Seit 25 Jahren sitzt er für die CDU im Bundestag.
In seiner Antrittsrede mahnte Lammert, die oft berechtigte Kritik am Zustand des politischen Systems ernst zu nehmen. Das Parlament sei nicht "Vollzugsorgan der Bundesregierung, sondern umgekehrt sein Auftraggeber". Gerade in Zeiten großer Koalitionsmehrheiten sei das Selbstbewusstsein des Parlaments gefordert. Die Wähler seien womöglich "von dem überrascht, was sie selbst entschieden haben", sagte Lammert weiter mit Blick auf die von Union und SPD angestrebte große Koalition. Aber die Wähler erwarteten, dass sich alle Gewählten zum Wohle des Landes einsetzten, Regierung wie Opposition.
Dem neuen Bundestagspräsidenten werden sechs Stellvertreter zur Seite stehen. Das beschloss das Parlament am Dienstag in seiner konstituierenden Sitzung mit den Stimmen von Union und SPD gegen den Widerstand aller Oppositionsfraktionen. Hintergrund ist, dass die Union und SPD je zwei Posten im Präsidium erhalten sollen, die Oppositionsfraktionen je einen.
Dass die SPD einen zusätzlichen Vizepräsidenten stellt, lehnte die Opposition vor allem aus Kostengründen ab. Der Präsident erhält an Diäten und zusätzlichen Pauschalen 17.732 Euro pro Monat, die Vizepräsidenten je 13.512 Euro. Außerdem erhöhen sich die Pensionsansprüche. "Wir wären sehr gut mit zwei weniger ausgekommen", sagte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt jüngst.
SPD nominiert Wolfgang Thierse als Vize-Präsidenten
Die Sozialdemokraten haben den bisherigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse für einen Vizeposten nominiert, auch ihre bisherige Vizepräsidentin Susanne Kastner steht wieder zur Wahl. Bei der FDP will der bisherige Vizepräsident Hermann Otto Solms erneut für das Amt kandidieren. Die Grünen wollen ihre abgewählte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im Amt der Vizepräsidentin sehen, die Linkspartei Parteichef Lothar Bisky.
Der Präsident und die Stellvertreter werden für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Seit 1994 ist in der Geschäftsordnung die Mindestzahl der Vizepräsidenten festgelegt. Danach hat jede Fraktion das Recht auf mindestens einen Stellvertreterposten.

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Norbert Lammert wollte ursprünglich Dirigent werden. Er gilt als einer der profiliertesten Kulturpolitiker im Parlament. Von der Oppositionsbank aus nahm er in den vergangenen Jahren immer wieder Stellung zu Fragen des Kulturföderalismus, der auswärtigen Kulturpolitik und der Förderung Berlins. Für die Unions-Fraktion war er von 1998 bis 2002 kulturpolitischer Sprecher.
Die bisherigen Bundestagspräsidenten:
Erich Köhler (CDU) 1949-1950
Hermann Ehlers (CDU) 1950-1954
Eugen Gerstenmaier (CDU) 1954-1969
Kai-Uwe von Hassel (CDU) 1969-1972
Annemarie Renger (SPD) 1972-1976
Karl Carstens (CDU) 1976-1979
Richard Stücklen (CSU) 1979-1983
Rainer Barzel (CDU) 1983-1984
Philipp Jenninger (CDU) 1984-1988
Rita Süssmuth (CDU) 1988-1998
Wolfgang Thierse (SPD) 1998 bis 2005