Nach der Bundestagswahl So wird Armin Laschet Kanzler

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet
CDU und CSU holten mit Kanzlerkandidat Armin Laschet 24,1 Prozent der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2021
© Clemens Bilan / Getty Images
Die Bundestagswahl 2021 bescherte der Union ein historisch schlechtes Wahlergebnis. Dennoch kann CDU-Chef Armin Laschet ins Kanzleramt einziehen. Dafür muss er mehrere Kämpfe auf einmal gewinnen. So könnte sein Weg aussehen.

Die zaghafte Euphorie in der CDU vom Wahlabend war spätestens am Tag danach komplett verflogen. Nach einer (kurzen) Nacht machte der nüchterne Blick auf die Zahlen klar: 24,1 Prozent der Stimmen sind eben kein Erfolg, auch kein kleiner. Die Union hat fast neun Punkte innerhalb von vier Jahren verloren – das ist ein Vertrauensentzug der Wählerinnen und Wähler erster Güte.

CDU und CSU könnten nun nach 16 Merkel-Jahren das Kanzleramt verlieren, an Olaf Scholz, getragen von einer Ampelkoalition. Könnten. Denn ausgemacht ist ein Dreierbündnis aus SPD, FDP und Grünen noch lange nicht. Und so tut man sich im Konrad-Adenauer-Haus schwer, sich endgültig von Ambitionen auf das Kanzleramt zu verabschieden. Am Ende könnte nämlich doch noch Armin Laschet der Nachfolger von Angela Merkel werden.

Wie kann Armin Laschet Kanzler werden?

Wie? Klar ist: Es ist nicht nötig, dass die Fraktion mit den meisten Sitzen im Bundestag auch den Kanzler stellt und überhaupt an der Regierung beteiligt ist. Insofern gibt es keinen Automatismus, dass die SPD mit Olaf Scholz künftig die Geschicke des Landes leitet. Zwar ist es seit Jahrzehnten politischer Brauch in der Bundesrepublik, dass die stärkste Partei ins Kanzleramt zieht, die Geschichte kennt jedoch auch andere Beispiele. Zuletzt hatte die SPD unter Helmut Schmidt 1980 mit der FDP eine Koalition gebildet, obwohl die Union mit ihrem Spitzenkandidaten Franz Josef Strauß (CSU) 1,6 Prozentpunkten Vorsprung die Bundestagswahl gewonnen hatte. Allerdings – und das ist ein Unterschied zu heute – hatten sich die Liberalen seinerzeit schon vor der Wahl klar zu einer Koalition mit der SPD und zu Bundeskanzler Schmidt bekannt.

Das Grundgesetz stünde Armin Laschets Einzug ins Kanzleramt also nicht im Weg, formal ist er möglich. Aber ist er auch realistisch?

Dazu müsste Armin Laschet vor allem das ausspielen, was ihm als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nachgesagt wird: Dass er ein "Brückenbauer" zwischen unterschiedlichen politischen Lagern sei. "Meine Praxis als Regierungschef war es immer, dass sich jeder Partner auch wiederfinden muss in einer solchen Koalition. Dass jeder auch sein Profil entwickeln muss. Dass nicht alles nur auf die Person des Regierungschefs zugeschnitten sein darf, sondern dass jeder Partner mit seinen Themen auch vorkommen muss", erklärte Laschet auf einer Pressekonferenz am Tag nach der Wahl und breitete so die Arme aus für die möglichen Jamaika-Partner von FDP und Grünen.

Denn die beiden Parteien sehen sich selbst, auch beflügelt durch das Wahlergebnis, längst nicht mehr als bloße Mehrheitsbeschaffer für die ehemaligen Volksparteien, sondern wollen und müssen in einer Regierung eigene inhaltliche Schwerpunkte setzen. Nicht umsonst wollen Grüne und FPD zunächst miteinander sprechen, bevor sie Verhandlungen mit Union oder SPD beginnen (lesen Sie dazu: "Wirtschaft, Steuern, Klima: Bei diesen Knackpunkten müssen sich Grüne und FDP jetzt einigen"). "Gegensätze überwinden zwischen unterschiedlichen politischen Strömungen" und eine Begegnung auf "auf Augenhöhe", das versprach Laschet möglichen Koalitionspartnern auf seiner Pressekonferenz.

Den "Markenkern" der Union werde er dabei aber nicht zur Verhandlungsmasse machen, stellte Laschet zugleich klar: "Für ein klimaneutrales Industrieland einzutreten, für Sicherheit in Deutschland einzutreten, für ein europäisches Deutschland einzutreten, für Tempo bei der Digitalisierung und Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungen einzutreten, das halte ich mit beiden Partnern, sowohl mit den Grünen als auch mit der FDP für lösbar." Diese Ziele dürfen Grüne und Liberale sogar unterschreiben, allein der Weg dorthin bietet allerlei Stolpersteine, vom Tempolimit auf den Autobahnen bis hin zur Steuer- und Finanzpolitik.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Was bietet Armin Laschet FDP und Grünen?

Laschet müsste weitreichende Zugeständnisse machen, um ein Jamaika- oder (wie es neuerdings im Unions-Jargon heißt) "Zukunftsbündnis" mit Grünen und FDP zu schmieden. Gleichzeitig muss er jedoch seine Partei hinter sich versammeln. Doch bereits jetzt bröckelt der Rückhalt für ihn und die Rufe nach Folgen für das schlechte Unions-Wahlergebnis dürften lauter werden (lesen Sie dazu: "Was wird aus Laschet? Unionspolitiker verlangen Konsequenzen aus Wahldebakel – auch personelle"). Fällt Laschet, dürfte auch eine Beteiligung der Union an einer künftigen Bundesregierung endgültig vom Tisch sein.

Wen machen FDP und Grüne zum Kanzler? stern-Experte über Koalitionen, Erstwähler und Laschets Zukunft
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Der Kampf ums Kanzleramt – für Armin Laschet ist er auch ein Kampf um sein eigenes politisches Überleben und ein Kampf gegen die Zeit. Und er ist auch ein Kampf um die politische Identität der Union. Man erhebe keinen Anspruch mehr auf eine von der Union geführte Regierung, sondern man mache lediglich ein "Angebot", sagte Armin Laschet. Doch FDP und Grüne werden sich auch das Angebot der SPD einholen und dann entscheiden, welches für sie attraktiver ist. In diesem Wettbewerb muss Laschet aufpassen, keinen Ausverkauf seiner ohnehin angeschlagenen Partei zu betreiben – ansonsten wäre er in einer möglichen Koalition ein schwacher Kanzler und stets in der Gefahr, zu stürzen.

Gelänge dem "Brückenbauer" jedoch das Verhandlungs-Kunststück, attraktiv für die Jamaika-Partner zu sein und zugleich die Union durch starke eigene Akzente wieder hinter sich zu versammeln, könnte er als Zweitplatzierter ins Kanzleramt einziehen. Könnte.

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