Wolfgang Schäuble hat gesprochen. Klar und unmissverständlich. Es ist eine Wortmeldung in bewegten Zeiten, eine, die selbst etwas bewegen soll. Man muss sie nicht zuspitzen. Es langt der schlichte Wortlaut, um die Wucht des gesprochenen Wortes zu erkennen. "Es wäre das Beste für das Land, wenn Friedrich Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag erhielte", hat Schäuble jetzt in einem FAZ-Interview gesagt.
Das Beste! Wohlgemerkt: für dieses Land. Darunter macht er es nicht. Will es nicht machen.
Dann hat er nachgelegt. "Das würde es erleichtern, wieder zu einer Integration der politischen Kräfte zur Mitte hin zu kommen und unser System zu stabilisieren. Die politischen Ränder würden wieder schwächer."
Die Stabilisierung des Systems. Das ist das noch größere Wort!
Wolfgang Schäubles Art zu sagen: Angela Merkel muss weg
Wolfgang Schäuble ist der Ansicht, dass ein CDU-Vorsitzender Friedrich Merz der Geeignetste ist, das System der Bundesrepublik Deutschland zu stabilisieren. Schäuble ist Bundestagspräsident, protokollarisch der zweite Mann im Staat. Er ist qua Amt dazu in nobelster Weise verpflichtet, sich um die Balance in dieser Republik Gedanken zu machen.
Es ist also nicht nur die größtmöglich denkbare Unterstützung, die Schäuble da seinem politischen Weggefährten und persönlichen Freund Friedrich Merz angedeihen lässt. Es ist auch die denkbar schärfste Kritik an Angela Merkel, der CDU-Chefin und Kanzlerin. Es ist, wenn man so will, Schäubles "Merkel muss weg"!
Was Schäuble da zwei Tage vor dem entscheidenden Parteitag der CDU in Hamburg zu Protokoll gibt, ist nicht weniger als der Aufruf zu einer historischen Zäsur. Zum glatten Ende der Ära Merkel. Merz soll wieder gerade rücken, was Merkel verbogen hat. Erinnerungen werden wach, an jene Metapher vom Skifahrer, der in unbekanntes Gelände fährt und damit womöglich eine Lawine auslösen kann. Schäuble hat sie im Flüchtlingsherbst 2015 verwendet, als kaum verklausulierte Kritik an der seiner Ansicht nach nicht bis zum Ende gedachten Haltung Merkels in der Migrationsfrage. Nun hat Schäuble auf jegliche Metapher verzichtet. Der Bundestagspräsident ist, wenn man anstelle seiner selber eine verwenden mag, den direkten Weg zum Tor gegangen.
CDU-Parteitag: Schäubles Aussagen werden nicht verhallen
Schäubles Wort hat Gewicht. Schon einmal hat er mit einer Wortmeldung Weichenstellendes für die Geschichte dieser Republik bewirkt. Es war sein Redebeitrag, der in der Hauptstadtdebatte den Ausschlag für den Regierungsumzug nach Berlin gab. Die Republik hat sich damit und danach verändert. Schäuble hatte seinen Anteil daran.
Das gesprochene Wort des Alten, es wird bis Freitag, bis zum entscheidenden Wahlgang in Hamburg, nicht verhallen. Sollte Schäubles Fürsprache für Merz nicht ausreichen, wird es in der Partei weiter gären. Wolfgang Schäuble ist ins Risiko gegangen. Das war es ihm offenbar wert. Auch das zeigt, wie sehr sich dieser Mann von Angela Merkel entfernt hat.
