Eines traut man Clemens Binninger ganz gewiss nicht zu: Dass er sich ab und an gerne an sein Schlagzeug setzt und es dort richtig krachen lässt. Denn seinen politischen Aufstieg, der ihn vergangene Woche bis ins Amt des Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums geführt hat, verdankt der CDU-Bundestagsabgeordnete Binninger ganz gewiss nicht der Tatsache, dass er gerne auf die Pauke haut.
Ganz im Gegenteil. Aus der Rockmusik hat er seine politische Maxime noch nie gezogen, wie er stern.de gesteht. "Im Takt zu bleiben und den Rhythmus einzuhalten, ist auch in der Politik wichtig. Nur auf die Pauke oder anderswo draufhauen, das geht gar nicht."
Dieser Mann muss damit leben, dass man ihm nicht so leicht ansieht, was tatsächlich in ihm drinsteckt. Nicht der Schlagzeuger einer Rockband, der sich auf eindrucksvolle Soli versteht, sondern ein Polizeioberrat a.D. Und schon gar nicht jener Christian Wulff, mit dem ihn lange Zeit Besuchergruppen im Bundestag verwechselten und sich sehr gerne mit ihm fotografieren ließen, als Wulff noch unbeschädigt das Amt des Bundespräsidenten verwaltete. Gleiche Frisur, gleiche Figur und gleiche Brille.
Wenn Binninger seine Fans dann lachend aufklärte über sein Doppelgänger-Dasein, das ihn in jüngerer Vergangenheit nicht mehr erheiterte, dann wurde erst recht gekichert und geschmunzelt. Und Binninger selbst wurde bewusst, dass man in der Politik auch ganz tief nach unten durchrutschen kann, tiefer als man es jemals für möglich gehalten hat. Ganz sicher begleitet ihn diese Erfahrung auch ins neue Amt als Chefaufseher der Geheimdienste.
Viel Verantwortung im neuen Amt
Dieser Mann wird allerdings scharf aufpassen, dass ihm nicht dergleichen geschieht wie Wulff. Das Parlamentarische Kontrollgremium ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Als Chef dieses Organs muss Binninger damit rechnen, dass ihm die Verantwortung für einen der immer wiederkehrenden Skandale der Geheimdienste in die Schuhe geschoben wird. In deren Gewerbe werden schließlich nur selten ehrliche Akten geführt und die Zeugen eines Skandals sind geübte Meister der Vertuschung. Als Obmann der CDU im NSU-Untersuchungsausschuss musste er reichlich einschlägige Erfahrungen machen.
Aber das Aufpassen hat Binninger gründlich gelernt. Zunächst als Streifenpolizist, dann als Objektschützer für den gefährdeten Generalbundesanwalt Kurt Rebmann, danach an der Polizeifachhochschule und als Kommissar in Freiburg, wo er Hausbesetzungen verhindern musste.
Anschließend besuchte er die Polizeihochschule in Münster, war dort zeitweilig Dozent. 20 Jahre aktiver Polizeidienst, drei Jahre als Referent für die Innen- und Sicherheitspolitik des baden-württembergischen Staatsministeriums, zuletzt arbeitete er als Sicherheitsberater von Ministerpräsident Erwin Teufel, dem er auch zu diesem Thema Reden schrieb. Er hätte es, darin sind sich alle Wegbegleiter einig, bei der Polizei noch weit bringen können. Kein Zufall, dass er 2013 sogar als Chef des Bundeskriminalamts und Nachfolger von Jörg Ziercke spekulativ im Gespräch war. Und bis heute ist er es.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Wichtigster sicherheitspolitischer Experte in der CDU
Vorausgesetzt die Politik und die CDU geben den 51-Jährigen wieder frei. Denn parteiintern gilt er längst als der wichtigste sicherheitspolitische Experte der Unionsfraktion, der in Berliner Parteikreisen auch als potentieller Staatssekretär gehandelt wird. Und wenn Baden-Württemberg nach der Landtagswahl und einem Ende der rot-grünen Regierung einen neuen Innenminister benötigt, dann dürfte der Namen Binninger ganz oben auf der Kandidatenliste stehen.
1998 trat er in die CDU ein, wo er alsbald Mitglied im Landesvorstand des Arbeitskreises Polizei der CDU Baden-Württemberg wurde. Im Bundestag sitzt er seit 2002. In der Unionsfraktion arbeitete er im Innenausschuss bereits als Berichterstatter für Terrorbekämpfung, organisierte Kriminalität und IT-Sicherheit, bevor ihn die Fraktion als Obmann in den Untersuchungsausschuss "Terrorgruppe nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) schickte.
Bei der Bundestagswahl 2013 verteidigte er seinen Wahlkreis Böblingen mit dem Rekordergebnis von 54,3 Prozent der Erststimmen und 46,9 Prozent der Zweitstimmen. Wahrscheinlich auch dank der Mithilfe seiner Frau Ulrike, die als Bürgermeisterin in der Gemeinde Nufringen, gelegen im Landkreis Böblingen, erfolgreich amtiert.
Als "badischer Alemanne" auch beliebt bei den Schwaben
Leicht war Binningers Einstieg in die CDU nicht. Denn Böblingen ist ein zentralschwäbischer Wahlkreis nahe Stuttgart, in dem einst die Abgeordnete Brigitte Baumeister als CDU-Schatzmeisterin und Parlamentarische Geschäftsführerin der Berliner Unions-Fraktion das alleinige Sagen hatte, ehe sie über die CDU-Spendenaffäre und einem Konflikt darüber mit Wolfgang Schäuble stürzte und die CDU Binninger zum Ersatzmann machte.
Das war ein kühner Schritt, denn geboren ist er im Städtchen Bonndorf, das im tiefsten Südschwarzwald liegt. Damit ist er ein geborener waschechter freisinniger badischer Alemanne und damit für einen Schwaben eigentlich kaum wählbar. Dass ihn die "Süddeutsche Zeitung" dieser Tage versehentlich als "Schwaben" einstufte, dürfte ihn sehr gefreut haben. Er selbst nennt sich diplomatisch einen "südbadischen Schwaben". Eine Figur also, die es in Baden-Württemberg gar nicht gibt.
Im Fall Binninger räumen die Badener immerhin ein, dass es ihm dank seiner alemannischen Herkunft selbst mitten unter den Schwaben gelungen sei, seine geistige und politische Unabhängigkeit sowie seine Durchsetzungsfähigkeit zu verteidigen. Das dürfte ihm bei der künftigen Kontrolle der Geheimdienste sehr helfen.