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COP26 in Glasgow "Der UN-Klimaprozess allein kann das drängendste Menschheitsproblem nicht lösen"

COP26 Glasgow
Begeisterung mit angezogender Handbremse. COP26-Präsident Alok Sharma beim Abschluss der Klimakonferenz.
© Jeff J Mitchell / Getty Images
In Glasgow haben rund 200 Staaten zwei Wochen lang über die Maßnahmen gegen den Klimawandel diskutiert und gestritten. Was hat das Treffen gebracht? Die Pressestimmen zur UN-Klimakonferenz.

Die UN-Klimakonferenz in Schottland hat den weltweiten Abschied von der Kohle eingeläutet. Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten, auch wenn der in letzter Minute auf Druck Chinas und Indiens noch verwässert wurde. Was also hat das Treffen gebracht? War es nur "Blah Blah Blah", wie Klimaaktivistin Greta Thunberg meinte oder ein wichtiger Schritt, aber nicht genug, wie UN-Generalsekretär António Guterres meinte? Oder doch der Durchbruch?

So blickt die Presse auf die Veranstaltung:

"Süddeutsche Zeitung"

"Viele haben in Glasgow so etwas wie die letzte Chance im Kampf gegen die Erderhitzung gesehen. Sie werden enttäuscht sein. Andere haben sich Schritte auf dem Weg aus der größten planetaren Krise gewünscht. Diese Schritte gibt es. Denn die Konferenz schlägt ein neues Kapitel im internationalen Klimaschutz auf. Die Staaten bewegen sich weg vom Streit um das Kleingedruckte, hin zu ganz konkreten Schritten. Wie das Kapitel endet, ist ungewiss. Aber es beschreibt einen Aufbruch."

"Reutlinger General-Anzeiger"

"Aber klar ist auch: Bis jetzt sind alles Absichtserklärungen, die auf einem bekanntlich geduldigen Papier stehen. Diese Absichten werden erst dann wertvoll, wenn sie in die Praxis umgesetzt werden. Und klar ist auch: Unterm Strich ist es in der Tat zu wenig, was auf solchen Konferenzen vereinbart wird. Es braucht wahrscheinlich noch etliche Massen-Demonstrationen, Natur-Katasrophen und Preis-Explosionen, bis sich die Staaten der Welt auf die Maßnahmen einigen, die wirklich notwendig sind, um diese Erde zu retten."

"Rhein-Zeitung"

"Gescheitert ist Glasgow daran, den armen Ländern ausreichende Finanzmittel zuzusprechen, damit sie sich an den Klimawandel anpassen können. Zwar sollen die Summen ab 2025 verdoppelt werden im Vergleich zu 2019. Weitere Zusagen gab es jedoch nicht. Erst in zwei Jahren soll nun ein globales Anpassungsziel zu den Veränderungen durch den Klimawandel vorliegen. Aus Sicht der vom Klimawandel bereits stark betroffenen Länder kann das nicht zufriedenstellend sein. Ebenso wenig, dass die 100 Milliarden Dollar pro Jahr, die den Entwicklungsländern schon 2020 zugesagt waren, noch immer nicht von den reichen Industrieländern eingesammelt wurden."

"Badische Neueste Nachrichten"

"Auch der 26. Anlauf der Weltgemeinschaft zur Rettung unseres Planeten endete genauso wie alle 25 Vorgängerkonferenzen: Mit bis zur Unkenntlichkeit weichgespülten Absichtserklärungen, die den vor allem vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländern wie Bangladesch herzlich wenig helfen und umgekehrt die Klimaaktivisten von Fridays for Future bis hin zu Extinction Rebellion auf die Barrikaden treiben. Die Enttäuschung der jungen Generation über die lauwarme Formulierung vom Einstieg in den Kohleausstieg ist nachvollziehbar."

"Mitteldeutsche Zeitung"

"Natürlich ist es gut, dass China und die USA, die sich auf so vielen Ebenen belauern, wenigstens beim Thema Klima zusammengefunden haben. Aber auch das ist ein Erfolg auf wackeligen Füßen. Sollte Donald Trump oder einer seiner nicht minder faktenresistenten Apologeten in drei Jahren erneut Präsident werden, wird die Vereinbarung hinweggefegt werden. Trump hat schon einmal ein Klimaabkommen aufgekündigt. Schon um seiner Zerstörungswut etwas entgegenzusetzen, wäre also mehr Verbindlichkeit nötig. Das gilt auch für Finanzzusagen an die Länder, die den Klimawandel als erstes existenziell spüren werden."

"Nürnberger Zeitung"

"Im Unterschied zu Aktivisten, die sich auf das Anmahnen, Fordern und Beschuldigen konzentrieren können, ist Politik noch immer die Kunst des Möglichen – je mehr Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen, umso schwieriger wird es. Schwieriger als bei Klimaschutz-Konferenzen kann das politische Geschäft aber kaum sein."

"Frankfurter Rundschau"

"Glasgow hat bestätigt, was sich seit Jahren abzeichnet. Der UN-Klimaprozess alleine kann wegen seiner Konstruktion das drängendste Menschheitsproblem nicht lösen. Er gibt nur den Rahmen, in dem die Staaten bestenfalls zu mehr Ambitionen motiviert werden können. Wirkliche Fortschritte wird es nur geben, wenn sich Vorreiterallianzen bilden, die andere Länder mitziehen. Hier hat es auf dem Gipfel wichtige Ansätze gegeben. Vor allem die überraschende Ankündigung von China und USA, trotz sonstiger Differenzen bei der Treibausgas-Reduktion vorangehen zu wollen. Die beiden sind die Nummern eins und zwei bei den globalen Emissionen. Sehr wichtig werden auch Kooperationen von Industrie- und Schwellenländern werden, bei denen die reichen Staaten die Energiewende im globalen Süden kräftig mitfinanzieren, wie mit Südafrika und Indien verabredet. Weitere Abkommen wie zur Methan-Reduktion, zum Verbrenner-Aus oder zum Ende der Finanzierung fossiler Energieprojekte können zusätzlichen Schub geben."

"Stuttgarter Nachrichten"

"Wenn sich Großmächte wie China oder Indien querstellen, sind unbefriedigende Beschlüsse besser als gar keine. Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg der globalen Klimapolitik sind nicht einzelne Konferenzen und ihre Abschlusserklärungen. Sondern die Entschlossenheit sämtlicher Staaten, ihren Treibhausgas-Ausstoß tatsächlich massiv zu senken und die eigenen Ziele stetig zu erhöhen. Die Klimapolitik braucht weiter Druck aus der Zivilgesellschaft. Und sie braucht Antreiber, die selbst mit gutem Beispiel vorangehen und international zum Vorbild werden. Das ist eine Rolle, die wie geschaffen erscheint für Deutschland und seine Partner in Europa."

"Frankenpost"

"Weiter gehende Festlegungen wären wünschenswert, waren in Glasgow aber nicht zu erreichen. Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg sind nicht einzelne Konferenzen, sondern die Entschlossenheit sämtlicher Staaten, ihren Treibhausgas-Ausstoß tatsächlich massiv zu senken. Daran hapert es vielerorts. Die Klimapolitik braucht Antreiber, die selbst mit gutem Beispiel vorangehen und international zum Vorbild werden. Das ist eine Rolle, die wie geschaffen wäre für Deutschland und seine Partner in Europa."

"Wiesbadener Kurier"

"Dringliche Themen müssen eben immer wieder auf die Tagesordnung, auch wenn sich am Ende Gastgeber vom Erfolg begeistert und Aktivisten enttäuscht zeigen. Ein bekanntes Ritual, das Greta Thunberg mit ihrem Fazit in den drei Worten "Blah, blah, blah" allerdings überstrapaziert. Denn es ist durchaus weit mehr als Nichts, was in Glasgow vereinbart wurde. Zum Beispiel der schrittweise Kohleausstieg, und zwar weltweit. Nun können in den einzelnen Ländern alle zeigen, wie ernst es ihnen wirklich mit dem Klimaschutz ist, indem sie vor Ort aufs Tempo drücken - und so vielleicht andere mitziehen. Wir brauchen dringend Vorbilder und Klima-Streber, je mehr, desto besser. Ob Deutschland ernsthaft dazu gehört, wird sich schon ganz bald an den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen ablesen lassen."

"Hannoversche Allgemeine Zeitung"

"Wenn Klimaschutz als Wettbewerbsvorteil begriffen wird, dann geht mit Sicherheit etwas voran. Dass der Bundesverband der Deutschen Industrie das Ergebnis als enttäuschend kritisiert, lässt hoffen. Die nächste Bundesregierung entbindet das nicht von der Aufgabe, ein ernsthaftes Klimapaket auf die Beine zu stellen. Es sollte tatsächlich weltbewegend sein."

"Neue Osnabrücker Zeitung"

"Was helfen alle hehren Ziele der Weltklimakonferenz in Glasgow, wenn sich große Verbraucher wie Indien und China am Ende nicht auf einen Ausstieg aus der Kohle festlegen lassen wollen, sondern nur auf einen Abbau der Kohlenutzung? Mit anderen Worten: Sie können erst einmal weitermachen wie bisher. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen: Glasgow wird der Klimaschutzbewegung global neuen Schwung geben. Vor allem die Industriestaaten stehen unter Druck, sich radikal zu verändern. Denn sie haben das Geld, in Klimaschutz zu investieren. Und sie haben die Technologien, die es braucht, die fossile Ära zu beenden. Auch die kommende Bundesregierung muss Zeichen setzen. Es braucht ein Klimakabinett, das bereit ist, auf dem Weg in eine neue Zeit voranzugehen."

nik DPA AFP

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