Angesichts des Konflikts um Parteivize Horst Seehofer hat der CSU-Parteitag mit großer Mehrheit, aber auch einer beachtlichen Zahl von Gegenvoten, dem Gesundheitskompromiss mit der CDU zugestimmt. In Abwesenheit Seehofers votierten am Freitag 644 von 730 stimmberechtigten Delegierten für die bis zuletzt umstrittene Vereinbarung. Zuvor hatte Parteichef Edmund Stoiber in einem eindringlichen Appell zur Geschlossenheit aufgerufen.
Nach den Feststellungen des Tagungspräsidiums waren 85 Parteitagsmitglieder in der offenen Abstimmung dagegen, ein Delegierter enthielt sich. Damit lehnten 11,6 Prozent des Parteitags den Kompromiss ab, für den sich neben Stoiber die gesamte Parteispitze stark gemacht hatte. Stoiber sagte nach der Abstimmung, damit sei der Kompromiss die Leitlinie für die CSU. "Jeder, der sich in der Öffentlichkeit zu diesem Thema äußert, hat zu berücksichtigen, was der Parteitag heute beschlossen hat."
Zerreißprobe nach Rücktrittsdrohung Seehofers
Nachdem die Rücktrittsdrohung Seehofers die CSU in den vergangenen Tagen in eine Zerreißprobe getrieben hatte, hatte Stoiber zuvor das Nein Seehofers und der übrigen parteiinternen Kritiker zum Gesundheitskompromiss heftig und leidenschaftlich kritisiert. Ohne Seehofer ausdrücklich zu nennen, sagte der bayerische Ministerpräsident: Wer sich "so locker" gegen einen Kompromiss ausspreche, riskiere einen "massiven Bruch" zwischen CDU und CSU: "Das ist nicht das, was ich als Parteivorsitzender verantworten kann und verantworten will." Dies würde der Union auch die Chancen auf den Sieg bei der Bundestagswahl nehmen.
In der zweistündigen Debatte, die nach den Querelen um Seehofer extra in die Tagesordnung des Parteitags aufgenommen wurde, hatte der CSU-Arbeitnehmer-Flügel das Verhandlungsergebnis kritisiert. Der Kompromiss zur Einführung einer Gesundheitsprämie habe "Schwachstellen".
Auf der anderen Seite bezeichnete Stoiber die mit Seehofer am Vortag getroffene Vereinbarung, wonach dieser trotz seiner Kritik an dem Gesundheitskurs seine Ämter in der Partei und Bundestagsfraktion behalten soll, als notwendig. "Damit bleibt die CSU in hohem Maß geschlossen", sagte Stoiber. Es sei aber "völlig klar" gewesen, dass Seehofer wegen seiner Ablehnung der Vereinbarung mit der CDU als stellvertretender Bundestags-Fraktionschef nicht weiter für Gesundheit zuständig sein könne.
Zuständigkeiten Seehofers ungeklärt
Für welche Bereiche Seehofer in der Unions-Fraktion nun künftig zuständig sein wird, wurde auf dem Parteitag noch nicht deutlich. Die CDU besteht nach dpa-Informationen darauf, dass über einen Neuzuschnitt der Aufgaben die Gesamtfraktion abstimmen muss. Das Prozedere soll am kommenden Montag geklärt werden.
Seehofer hatte nur Stunden nach dem Krisengespräch mit Stoiber in der ARD noch Änderungen verlangt. "Ich bin ganz sicher, dass wir bis zur Bundestagswahl noch das eine oder andere überlegen bei dem Kompromiss, ob das so richtig ist." In der "Augsburger Allgemeinen" kündigte er an, er wolle nun das Seine tun, damit die Union wieder zur Normalität zurückkehren könne. Als CSU- Vize werde er sich zwar weiter in die Gesundheitspolitik einmischen, aber nicht mehr den Kompromiss kritisieren.

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Merkel spricht vor Schwesterpartei
Der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung Peter Rauen warf Seehofer vor, mit seiner Kritik am Unionskonzept zu kurz zu greifen. "Er soll sich einer umfassenden Sachdiskussion stellen und dabei endlich auch die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland berücksichtigen. Allein mit sozial klingenden Argumenten wird man der wirklichen Herausforderung nicht gerecht."
Für den Abend hatte sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel zu dem Parteitag angesagt. Ihre Rede wurde wegen der angespannten Stimmung mit besonderer Spannung erwartet.