Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Verantwortung für das Wahldesaster der SPD in Niedersachsen und Hessen übernommen, einen Rücktritt aber ausgeschlossen. Der Parteichef sprach am Montag in Berlin von "einer der bittersten Niederlagen" seines politischen Lebens. Als Konsequenz aus den Wahlergebnisse kündigte er eine Erhöhung des Reformtempos an und rief die Union zur Zusammenarbeit auf. Einen Bruch der Regierungskoalition schlossen SPD und Grüne aus. CDU und FDP forderten einen klaren Kurswechsel der Regierung ein, zeigten sich aber kooperativ.
Schröder schließt Rücktritt aus
Schröder sprach von einer "zentralen Verantwortung" der Bundesregierung für die Wahlniederlagen. Auf die Frage, ob er an Rücktritt denke, sagte er nach einer Sitzung des Parteipräsidiums: "Ich denke nicht daran, und andere denken auch nicht daran."
Vorläufiges Endergebnis Hessen
CDU | 48,8 (+ 5,4) % |
SPD | 29,1 (- 10,3) % |
Grüne | 10,1 (+ 2,9) % |
FDP | 7,9 (+ 2,8) % |
Kooperationsangebot an Opposition
Die rot-grüne Koalition werde ihre Arbeit entschieden fortsetzen. Zu den wichtigsten Projekten zählte Schröder die Arbeitsmarktreform, die Verbindung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe, die Gesundheitsreform und eine Fortführung der Reform des Alterssicherungssystems. Er habe mit Interesse gehört, dass die Union im Bundesrat keine Blockadepolitik plane. Er werde diese "Kooperationsbereitschaft offensiv annehmen". Ausdrücklich bot Schröder der Union Verhandlungen schon vor den parlamentarischen Beratungen von Gesetzentwürfen an.
Vorläufiges Endergebnis Niedersachsen
CDU | 48,3 (+ 12,4) % |
SPD | 33,4 (- 14,5) % |
Grüne | 7,6 (+ 0,6) % |
FDP | 8,1 (+ 3,2) % |
Der Kanzler betonte, dass es bei der Position der Bundesregierung in der Irak-Frage bleibe. Die Haltung der Regierung sei unverändert und werde auch unverändert bleiben, da sie "von grundsätzlicher Natur" sei, sagte er. Die Union hatte die Wahlergebnisse in Hessen und Niedersachsen auch als Votum gegen die Außenpolitik der Bundesregierung gewertet. Schröder selbst hatte den Irak-Konflikt im Wahlkampf thematisiert.
Konsequenzen für das Machtgefüge in der Bundespolitik
- Im Bundesrat gewinnt der von der Union dominierte Länderblock sechs Stimmen dazu. Koch und Wulff gaben den mit Abgabenerhöhungen verbundenen geplanten rot-grünen Steuergesetzen im Bundesrat keine Chance mehr.
- Ein Patt gibt es nun im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag. Bisher hatten SPD und Grüne die Mehrheit. Das Patt kann theoretisch zu Verzögerungen bei Gesetzen führen.
- Eine zweite Amtszeit von Bundespräsident Johannes Rau rückte in weite Ferne, denn Union und FDP eroberten in der Bundesversammlung die Mehrheit. Dort könnten sie bei diesem Stand am 23. Mai 2004 einen eigenen Kandidaten zum Staatsoberhaupt wählen.
Merkel: Schlüssiges Gesamtkonzept fehlt
CDU-Chefin Angela Merkel sagte, die CDU werde mit dem Wählervotum sorgsam umgehen. Sie vermisse ein politisches Gesamtkonzept der Koalition, das mehrheitsfähig sei. "Das werden wir einfordern", sagte Merkel. Die CDU-Vorsitzende nannte es wichtig, dass es Schröder nicht ein zweites Mal gelungen sei, die Frage von Krieg und Frieden für einen Wahlerfolg zu instrumentalisieren. Schröder sei mit seiner Vorab-Festlegung auf ein Nein zu einem Krieg gegen Irak der Weltgemeinschaft in den Rücken gefallen.
Die FDP forderte als Konsequenz aus den Landtagswahlen für nächste Woche eine Generaldebatte zur Lage der Nation im Bundestag. Parteichef Guido Westerwelle sagte, die Liberalen hätten jetzt eine „Schlüsselstellung auch im Bundesrat“ und eine Scharnierfunktion zwischen Union und Rot-Grün. Eine Blockadepolitik werde seine Partei aber weder unterstützen noch zulassen.