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Die FDP vor den Landtagswahlen Am Sonntag endet Westerwelles Schonfrist

Die Luft wird dünn für den angeschlagenen Parteichef Guido Westerwelle. Allerdings bieten sich schon mögliche Bauernopfer an: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und Fraktionschefin Birgit Homburger.
Von Laura Himmelreich

Haben Sie einen Chef, den Sie nicht leiden können? Sie halten ihn auch noch für inkompetent? Geben Sie zu: Ab und zu müssen Sie Ihren Frust herauslassen, sich bei Freunden oder Kollegen über ihn beklagen. Hilft zumindest kurz, oder? Jetzt stellen Sie sich noch vor, man würde Ihnen 80 Tage verbieten, auch nur ein schlechtes Wort über Ihren Boss zu verlieren. Danach dürfen Sie alles laut sagen, was sie unterdrücken mussten.

So geht es der FDP. 80 Tage mussten die Westerwelle-Kritiker stumm bleiben. Selbst der Parteirebell Wolfgang Kubicki aus dem hohen Norden meldete sich nicht mehr zu Wort. Und der Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin, machte sogar Wahlkampf mit Westerwelle, obwohl er ihn im Dezember noch einen "Klotz am Bein" nannte. Während der 80 Tage zwischen Westerwelles "Alles-ist-gut-Rede" beim Dreikönigs-Treffen und dem morgigen Wahltag sah es fast so aus, als unterstützten die Liberalen ihren Chef.

Ab Montag könnte es heißen: Feuer frei!

Doch falls die FDP bei den morgigen Landtagswahlen abstürzt, heißt es am Montag nach der Wahl: Feuer frei auf Guido Westerwelle! Die Wahl entscheidet über Westerwelles Zukunft. In den letzten Umfragen dümpelten die Liberalen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz um die fünf Prozent-Hürde herum. Falls sie in ihrem Stammland Baden-Württemberg aus der Regierung fliegen, wäre das für die Partei eine Katastrophe. Zu ihren besten Zeiten holte die FDP im Ländle 18 Prozent. Anfang der Fünfziger Jahre stellte sie dort sogar den ersten und bisher einzigen gewählten liberalen Ministerpräsidenten.

Bereits jetzt kündigen eine Handvoll FDP-Abgeordnete an, Anfang April einen neuen Parteiflügel zu gründen, darunter die FDP-Vorstandsmitglieder Alexander Alvaro und Jorgo Chatzimarkakis. Sie bezeichnen sich als den "Dahrendorfkreis". Die Gruppe will die FDP herausholen aus dem intellektuellen Vakuum, das der Parteichef hinterlassen hat. Sie arbeitet an einer sozial-liberalen Positionierung für die Zeit nach Westerwelle.

Während der selbstverordneten Friedensphase der FDP schien es kurz, als hätte Westerwelle das Gröbste überstanden. Bei den Aufständen in Arabien feierte er seine Liebe zur Freiheit. Er trank mit Oppositionellen Kaffee in Tunis, er badete in der Menge auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Er stellte sein überhebliches Grinsen ab, das bei den Menschen vor den Fernsehern Umschaltreflexe auslöst. Kurz: Er tat, wofür er sein Gehalt bekommt. Er war ein ernsthafter Außenminister. Sogar Altkanzler Gerhard Schröder, alles andere als ein Westerwelle-Freund, lobte ihn bei einer Wahlveranstaltung in Stuttgart: "Ich glaube, dass die Bundesregierung vernünftig agiert. Das gilt auch für Herrn Westerwelle", sagte er. Die Deutschen fingen an, Guido Westerwelle als Vizekanzler zu akzeptieren. Na ja, zumindest ließ er im Zufriedenheitsranking der ARD den Linken-Chef Klaus Ernst und den E10-Minister Norbert Röttgen (CDU) hinter sich.

Störfall Rainer Brüderle

Doch dann kam der 11. März, die Katastrophe von Fukushima. Mit der Kehrtwende der schwarz-gelben Bundesregierung bei der Atomenergie, dem Moratorium, wurde auch der Außenminister Westerwelle zum Wendehals. Die kryptische Libyen-Politik, die Enthaltung Deutschlands im Uno-Sicherheitsrat, machte aus dem Freiheitskämpfer einen Duckmäuser, der sich der internationalen Solidarität entzieht, wenn es ernst wird. Und jetzt wurde auch noch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zum Störfall. Vierzehn Tage reichten aus - und Westerwelles Zukunft ist wieder offen. Verliert die FDP die Wahl, wird er mit allen Mitteln versuchen, sich zu retten. Als Ausrede wird mutmaßlich die Atomkatastrophe im fernen Japan herhalten müssen, die viele Wähler zu den Grünen trieb. Dafür könne er ja nichts, wird Westerwelle vermutlich sagen.

Dann könnte er sich in Aktionismus üben und - wie es viele Bosse tun - einfach Untergebene hinausschmeißen: Rainer Brüderle zum Beispiel, denn der lästerte nicht nur über Merkels Atomschwenk, sondern kann praktischerweise auch noch als rheinland-pfälzischer FDP-Chef als Sündenbock herhalten. Noch wahrscheinlicher: Birgit Homburger. Sie ist FDP-Chefin im Ländle und als Fraktionsvorsitzende im Bundestag zwar fleißig aber blass - auch ein perfektes Bauernopfer. Dabei war es Homburger, die Ende vergangenen Jahres Westerwelle stützte, als ein Bundestagsabgeordneter nach dem anderen zu ihr lief und forderte: Westerwelle muss weg! Sie fragte zurück: Wer solle es den sonst machen? Auf einen neuen Chef einigen konnten sich die Westerwelle Kritiker nicht. Was die Wahlen für Westerwelle bedeuten, hängt auch davon ab, ob seine Kritiker den Mumm haben, einen neuen Chef laut vorzuschlagen. Es gibt nicht viele Kandidaten. Es würde wohl auf den 32-jährigen Generalsekretär Christian Lindner hinauslaufen. Der taugt zwar sicher nicht zum Königsmörder, hält sich selbst für zu jung für den Chefposten und will der FDP vor einem weiteren Karriereschritt erst noch ein neues Programm verpassen. Aber wenn alle nach ihm rufen würden, würde er den Job wohl machen. Den Westerwelle-Gegnern macht es das schwerer. Die müssen eigentlich genau wissen, wen sie im Fall einer Wahlschlappe zum neuen Chef küren können. Denn da funktioniert die FDP wie jede Firma. Nur über den Boss zu lästern, hilft wenig, wenn niemand eine bessere Lösung parat hat.

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