Kauder gegen Abweichler in der Union Eins in die Fresse, Parteifreund!

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat vor der nächsten Griechenland-Abstimmung Abweichlern unverhohlen mit einem Karriereknick gedroht. Das ist ein Missbrauch seiner Rolle.

"Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen", hat der damalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla vor Jahren mal zu Wolfgang Bosbach gesagt. Wer wissen will, wie es in Parteien - durchaus auch bürgerlicher Provenienz - zugeht, sollte sich diesen Satz noch einmal in Ruhe zu Gemüte führen. Denn da war viel Entlarvendes drin: Der grundsätzliche Frust des Machtapparats über Nonkonformität, über mangelnde Geschlossenheit, über das Bild der Zerrissenheit. Parteien haben den Drang, nach außen hin geschlossen zu wirken. Und Pofalla ging seinerzeit der Abweichler Bosbach auf die Nerven, der schon damals, 2011, skeptisch gegenüber dem Griechenland-Kurs der Kanzlerin war.

Viel geändert hat sich seitdem nicht. Gut, Pofalla hat sich zur Deutschen Bahn aufgemacht - in Richtung lukrativere Jagdgründe. Griechenland aber ist als dicker Brocken geblieben. Umstritten wie eh und je. Die Meinungen haben sich zementiert. Voraussichtlich Mitte nächster Woche werden die Abgeordneten zur Sondersitzung zurückgerufen, um über das dritte Hilfspaket für Athen abzustimmen. Als Mitte Juli der Bundestag darüber entschied, ob überhaupt Verhandlungen mit Griechenland über ein Kreditprogramm aufgenommen werden sollte, da waren es immerhin 65 Unionsabgeordnete, die Merkel die Gefolgschaft verweigerten.

Abweichler können nicht in Ausschüssen bleiben

Schön ist das nicht. Nicht für Merkel. Und auch nicht für Volker Kauder, den Fraktionschef der Union. Aber man könnte sagen: Es ist das Leben, das politische. Und es ist Teil einer Demokratie, dass der frei gewählte Abgeordnete im Zweifel das Recht hat zu sagen: Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Ob Merkel die Fresse der Abweichler nicht mehr sehen kann, ist nicht überliefert. Was aber Volker Kauder von solcherlei individueller Widerspenstigkeit hält, kommt dem schon ziemlich nah. Er hat das am Wochenende in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" zu Protokoll gegeben. Kauder hat mehr oder weniger unvermittelt den Abweichlern mit einem Karriereknick gedroht. "Diejenigen, die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuss".

Ein Ausweis von Hilflosigkeit

Volker Kauder ist ein leutseliger Mensch. Gern benutzt er den Spruch: "Wir sind das Volk. Aber ich bin Volker". Als Fraktionschef muss er darauf achten, dass die Reihen einigermaßen geschlossen sind. Das ist seine Rolle und Aufgabe. Er muss bisweilen den "Zuchtmeister" geben. Wer das verwunderlich findet, darf getrost mal bei Herbert Wehner nachschlagen.

Und doch: Diesmal hat Kauder überzogen, auch wenn man nun dabei ist zu versichern, dass alles nicht so gemeint war. Wahrscheinlich war es der Frust darüber, dass die Zahl der Gegner im eigenen Lager stetig wächst, der ihn diesmal zu dieser unbedachten Äußerung verleitet hat. Frust ist generell kein guter Ratgeber. In diesem Fall ist er ein Ausweis von Hilflosigkeit, denn in der Sache, das weiß auch Kauder, sind längst alle Argumente ausgetauscht. Die Krux für Kauder und Merkel ist allerdings: Mit jedem weiteren Hilfspaket für Griechenland schwindet bei den Skeptikern der Glaube, warum es ausgerechnet dieses Mal das letzte Mal sein sollte. Wahrscheinlich ahnt Kauder, dass es immer schwerer werden wird, seine Union nach außen hin auch als Union erscheinen zu lassen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Axel Vornbäumen war eigentlich ganz dankbar, dass das Gezackere um die Griechenland-Hilfen für drei Wochen weitgehend in den Hintergrund gerückt ist. Jetzt geht es wieder los. Man kann dem Autor auf Twitter folgen unter @avornbaeumen