Energie-Debatte Gabriel keilt gegen Glos' Atompläne

Neuer Zoff in der Großen Koalition: Wirtschaftsminister Michael Glos will die Laufzeiten der deutschen Atommeiler offenbar um acht Jahre verlängern. Umweltminister Sigmar Gabriel passt das gar nicht. Er findet, Glos habe den falschen Beruf gewählt, seine Pläne seien unverantwortlicher Lobbyismus.

Obwohl die Große Koalition uneins ist, treibt Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) die Abkehr vom Atomausstieg bereits in konkreten Planungen voran. Eine von ihm eingesetzte Arbeitsgruppe hat Eckpunkte für ein "Kernenergie-Nutzungsgesetz" vorgelegt, bestätigte sein Ministerium.

In dem Eckpunktepapier aus dem Glos-Ministerium wird die Verlängerung der Laufzeiten für die 17 Atommeiler von 32 auf mindestens 40 Jahre vorgeschlagen. "Zu prüfen wäre, ob die Betreiber im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung Gewinne aus der Restlaufzeitverlängerung anteilig abführen", heißt es in dem Papier weiter. Die Endlagerung soll demnach "ergebnisorientiert" angegangen werden; dazu soll das bis 2010 angesetzte Erkundungsmoratorium für den Salzstock Gorleben aufgehoben werden.

Für nötig hält die Arbeitsgruppe die Abkehr vom Atomausstieg vor allem wegen der Energiepreisentwicklung. Bliebe es bei den Beschlüssen des Jahres 2000, müsste bis 2020 doppelt so viel Strom aus teurem Erdgas erzeugt werden. Dies würde Verbraucher mit "mehreren Milliarden Euro zusätzlich" belasten, hieß es. Kurzfristige Entlastung der Verbraucher versprechen sich die Experten von einem günstigeren Atomstrom-Tarif, der "politisch flankiert" werden könnte. Zum Zeitplan schreibt die Arbeitsgruppe, die Abkehr vom Atomausstieg solle "möglichst schnell - spätestens zu Beginn der nächsten Legislaturperiode" 2009 beschlossen werden. Das Papier sei noch nicht mit Glos abgestimmt, hieß es.

"Erhard würde sich im Grabe umdrehen"

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) reagierte mit scharfer Kritik. "Der Koalitionsvertrag ist eindeutig: Es bleibt beim Ausstieg aus der Hochrisiko-Technologie Atomkraft", betonte der Minister. Nur Energieeffizienz und erneuerbare Energien könnten langfristig Preissteigerungen dämpfen sowie die Versorgung und die Klimaschutzziele sichern. Inzwischen arbeiteten 250.000 Menschen in der Erneuerbaren-Energien-Branche, bis 2020 würden es 500.000, betonte Gabriel. "Ein Wirtschaftsminister, der diesen Boom abwürgen will, hat den falschen Beruf", erklärte der SPD-Politiker.

Er verwies erneut darauf, dass es weltweit kein sicheres Endlager gebe. Zudem würden längere Atomlaufzeiten weder Benzin- noch Strompreise senken, sondern nur zu höheren Gewinnen der Energieversorger führen. "Ludwig Erhard würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass sein Amtsnachfolger Ordnungspolitik mit Lobbyismus verwechselt", erklärte Gabriel.

"Ökonomisch unsinnig"

Auch von Linken und Grünen kam heftige Kritik. Die "sogenannten Experten von Herrn Glos" empfählen die Produktion Tausender Tonnen zusätzlichen Atommülls, kritisierte der frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne). "Das ist ökonomisch unsinnig und ökologisch verantwortungslos." Atomkraft mache Strom für Verbraucher nicht spürbar billiger. Links-Energieexperte Hans-Kurt Hill warf Glos eine Salamitaktik vor, die scheibchenweise zum Ausstieg aus dem Ausstieg führen solle.

AP
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