Hochwasser in Deutschland, schmelzende Gletscher in Österreich, Dürren in Südspanien - der Klimawandel wird, das wissen Experten mit einiger Sicherheit, auch Europa wahrlich nicht kalt lassen. "Neun von zehn Europäern", weiß wiederum die EU-Kommission, "sind darüber besorgt". Ein denkbar geeignetes Thema für ein EU-Gipfeltreffen also, der Klimaschutz: ernst und gleichzeitig öffentlichkeitswirksam.
Freilich muss am Ende auch ein substanzielles Ergebnis stehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihre Kollegen im blassgrünen Blazer empfing, hat während der hitzigen Debatten tatsächlich einen beachtlichen Teilerfolg erzielt. Um ein Fünftel will die EU ihre Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 drosseln. Ein Ziel, das vielen Forschern nicht ausreicht, dass aber noch vor einem Jahr undenkbar war.
Es ist erst einmal ein Versprechen
Was allerdings genauso klar ist: Es ist erst einmal ein Versprechen, die Umsetzung steht auf einem ganz anderen Blatt. Während Merkel vor der Brüsseler Presse eine "dritte technische Revolution" ankündigte, ist zum Beispiel mit Blick auf die Kyoto-Bilanz der EU nicht unangebracht. Denn es wird deutlich: Die EU-Staaten nehmen im Kampf gegen den Klimawandel derzeit ein bisschen Gas weg. Kräftig auf die Bremse treten sie aber nicht.
Sieben EU-Staaten - Österreich, Belgien, Dänemark, Irland, Italien, Portugal und Spanien - werden nach Statistiken der EU-Umweltagentur ihr Kyoto-Ziel für 2012 vermutlich nicht erreichen. Wirklich vorbildlich sind nur Schweden und Großbritannien. Deutschland und der Rest der EU-15 können ihre Verpflichtungen noch erfüllen, wenn sie sich anstrengen. Die EU könnte ihr Kyoto-Ziel von acht Prozent damit gerade noch erreichen - vorausgesetzt, einige Staaten gehen über ihr vereinbartes Ziel hinaus.
Klimagase weg, Arbeitsplätze auch
Wo das Problem liegt, glaubt etwa EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) zu wissen. Er gehörte zu denen, die sich vor dem jetzigen Gipfel gegen allzu hohe Reduktionsziele zur Wehr gesetzt haben. Seien die Auflagen zu scharf, sagt er, würden ganze Industriezweige aus Europa abwandern - und nicht nur die Klimagase, sondern auch noch die Arbeitsplätze mitnehmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel muss deshalb alles unternehmen, um die weltweit größten Verursacher von Kohlendioxid-Emissionen mit ins Boot zu holen. An erster Stelle liegen bekanntlich die USA, dicht gefolgt von China, das womöglich noch vor 2010 den Spitzenplatz übernehmen wird. Die USA haben das Kyoto-Protokoll gar nicht erst ratifiziert, China unterliegt als Schwellenland bislang keinen Emissions-Auflagen.
Merkel darf sich davon jedoch nicht abschrecken lassen. Sie hat derzeit nicht nur die EU-, sondern auch die G8-Präsidentschaft inne, weshalb sich ihr einmalige Chancen bieten. Die acht mächtigen Wirtschaftsnationen treffen sich im Juni im Ostseebad Heiligendamm. Mit dabei sind, als Gäste, auch große Schwellenländer.

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"Steuerungsgruppe" soll sich bilden
Merkels Wissenschaftsbeirat hat eine mögliche Strategie bereits umrissen: Eine "Steuerungsgruppe" aus Deutschland, Großbritannien, den USA, China und anderen wichtigen Staaten könnte sich bilden, die sich auf Eckpunkte zum Klimaschutz verständigt. In China und den USA "mehren sich die Anzeichen für ein Umdenken", so die Berater optimistisch.
Eine Zwischenlösung könnten bilaterale Abkommen mit skeptischen Staaten darstellen, etwa über erneuerbare Energien oder Maßnahmen für die energieintensive Industrie. Das wichtigste Ziel jedoch muss ein ehrgeiziges globales Klimaschutz-Regime für die Zeit nach 2012 bleiben. Die USA, China und auch Indien müssen in den weltweiten Handel mit Verschmutzungsrechten eingebunden werden. Die EU-Kommission arbeitet seit langem mit Hochdruck am europäischen Emissionshandelssystem, und sie ist damit keine Minute zu früh. Mag die Eurokratie in vieler Hinsicht als regulierungswütig verschrien sein - in der Klimapolitik geht ohne Europa gar nichts mehr.