EU-Vertrag Wowereits Kniefall vor den Linken

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat im Bundesrat kapituliert: Er gab bei der Abstimmung über den EU-Vertrag dem Druck seines Koalitionspartners nach. Berlin enthielt sich bei der Abstimmung über den EU-Vertrag, den die Linken als "neoliberal" und "militaristisch" ablehnen.

Als einziges der 16 Bundesländer enthielt sich Berlin bei der Abstimmung im Bundesrat über den EU-Vertrag. Alle anderen 15 Länder stimmten zu. Damit konnte sich Wowereit nicht gegen seinen Koalitionspartner, die Linkspartei, durchsetzen. Oskar Lafontaine regiert in der Hauptstadt mit. Diese Schlappe wird Wowereit, dem auch bundespolitische Ambitionen nachgesagt werden, besonders schmerzen.

Rückendeckung für Wowereit gab es vom SPD-Kollegen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Schuld sei die Linke, Wowereit habe sich nicht anders verhalten können.

Wowereit soll Scheitern eingestehen

Der Koalitonspartner der SPD im Bund, die CDU, zeigte sich alarmiert. "Die deutsche Hauptstadt darf sich eine derart europafeindliche Stimmung nicht erlauben. Wenn Herr Wowereit selbst sagt, sein Koalitionspartner sei handlungsunfähig, dann müsste er das Scheitern seiner rot-roten Regierung eingestehen. Dass er dies nicht tut, zeigt: Dieser Mann an der Spitze Berlins hat weder Prinzipien noch Rückgrat", sagte der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

Auch von der Opposition ließ die Kritik nicht lange auf sich warten. Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, warf Wowereit vor, der Hauptstadt zu schaden. "Gerade der Regierende Bürgermeister muss sich in der Tradition Willy Brandts zu einem vereinigten und friedlichen Europa bekennen. Sein Verhalten ist eine Blamage für die Hauptstadt und für Deutschland in Europa." Der Regierende Bürgermeister lasse sich von Lafontaine "am Nasenring vorführen".

Knapp an Krise vorbei

Wowereit selbst wertete das Abstimmungsverhalten dergestalt, dass die rot-rote Koalition nur knapp an einer ernsthaften Krise vorbeigeschrammt sei. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, sagte der SPD-Politiker. Wowereit selbst stimmte nicht ab. Er überließ es Justizsenatorin Gisela von der Aue (ebenfalls SPD), die Enthaltung bekanntzugeben.

Wowereit bezeichnete die Haltung der Berliner Linken als Warnzeichen für die weitere Zusammenarbeit. Er werde genau beobachten, inwieweit der Einfluss von Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine auf die Politik der Linken in Berlin spürbar sei. "Ich habe den Eindruck, dass Lafontaine billigend in Kauf nimmt, dass die Koalition in Berlin platzt", sagte Wowereit. Das Land Berlin hatte sich der Stimme enthalten, weil sich SPD und Linke nicht auf ein einheitliches Vorgehen verständigen konnten. "Ob das jetzt eine Zäsur ist, wird man erst sehen, wenn man sich die weitere Entwicklung anschaut", sagte Wowereit. Die Linken hätten jedenfalls gezeigt, dass sie auf Bundesebene kein Koalitionspartner sein könnten. Er betonte, dass Berlin mit "Ja" gestimmt hätte, wäre es auf die Stimmen des Landes angekommen. "Der Europavertrag geht vor Koalitionsstabilität."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch auf ein uneinheitliches Ergebnis hätte er sich auf keinen Fall eingelassen. "Es hätte zu einer handfesten Koalitionskrise bis hin zu einem Bruch führen können", sagte der Regierende Bürgermeister. Die Führungsspitze der Berliner Linken habe vorher nicht gewusst, wie er entscheiden werde.

Diese zeigte sich nach der Abstimmung erleichtert. "Es gab keine andere Lösung", sagte die Berliner Linken-Fraktionschefin Carola Blum. "Es geht nicht, dass Rot-Rot zusammenarbeitet und dabei nicht auffällt", verteidigte sie die Enthaltung und die starre Haltung ihrer Partei. Wirtschaftssenator Harald Wolf sagte, er sehe die Sorge des Koalitionspartners SPD, dass Lafontaine in Berlin mitregiere. "Das ist aber nicht so." Die Entscheidung zum EU-Vertrag sei indes eine bundespolitische gewesen.

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