Fall Kurnaz Steinmeier soll sich entschuldigen

  • von Hans Peter Schütz
Politiker von FDP, Grüne und der Linken eint die Kritik an Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Die verhängte Einreisesperre gegen Murat Kurnaz sei ein Rechtsbruch, das Schicksal des damals 19-Jährigen sei ihm egal gewesen.

Im politischen Tageskampf zieht Max Stadler das Florett dem dicken Knüppel vor. Also hat der FDP-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss sich in die Bundestag-Bibliothek bemüht und dort nach der Doktorarbeit fahnden lassen, die Außenminister Frank-Walter Steinmeier 1990 geschrieben hat. Titel der Arbeit, die Jurist Stadler ganz vorzüglich findet: "Bürger ohne Obdach." Kernthese der Arbeit ist, dass der Staat eine Wohnung nur dann räumen lassen darf, wenn er den vertriebenen Menschen zumutbaren anderen Wohnraum zur Verfügung stellt.

Ein rechtsstaatlich begrüßenswerter Ansatz, urteilte Stadler gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin, welche die morgen anstehende Vernehmung von Außenminister Steinmeier zum Thema hatte. Nur sei der Doktorand Steinmeier dann zu fragen, weshalb er später als Staatssekretär im Kanzleramt nicht nach dieser Erkenntnis gehandelt habe. Denn dann, so Stadler, hätte er sich 2002 dafür interessieren müssen, was mit dem Deutsch-Türken Murat Kurnaz im US-Gefangenenlager Guantanamo passiert, wenn sich die Bundesrepublik nicht für dessen Freilassung in die Bundesrepublik oder die Türkei einsetzt.

"Einreisesperre war Rechtsbruch"

Argumentativen Begleitschutz gaben dem Liberalen die Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nescovic (Die Linke) und Hans Christian Ströbele (Grüne), die ebenfalls die Angriffsrichtung beschrieben, mit der sie Steinmeier in die Enge treiben möchten. Für Nescovic ist der Vorgang bereits jetzt ein klarer Fall: Erstens habe es bereits 2002 den ganz klaren Willen der USA gegeben, Kurnaz freizulassen. Dass die deutschen Behörden gegen den in Bremen aufgewachsenen Kurnaz eine Einreisesperre verhängt hätten, "war ein Rechtsbruch". Das verstieß aus seiner Sicht gegen den Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Ob Türke oder nicht, spiele keine Rolle, "der Mensch ist zu schützen." Steinmeier sei jedoch damals das Schicksal eines 19-Jährigen egal gewesen. Für Ströbele war das Verhalten von Steinmeier ebenfalls von Gleichgültigkeit geprägt, da ihm schon Anfang 2002 bekannt gewesen sei, dass auf Guantanamo Menschen unter unmenschlichen Bedingungen in Käfigen gehalten wurden.

Von ihrem SPD-Kollegen Thomas Oppermann erwartet die Opposition erneut keine Unterstützung im Sinne einer kritischen Befragung von Steinmeier und Ex-Innenminister Otto Schily, der morgen ebenfalls vor den Ausschuss muss. Der sei der fest angestellte "Nebelwerfer der SPD". Noch immer charakterisiere Oppermann Kurnaz als "Terroristen", obwohl längst bewiesen sei, dass an derartigen Vorwürfen nichts dran ist. Wenn stimme, was Oppermann bis heute behaupte, dann müsse sich Kanzlerin Merkel fragen lassen, weshalb sie diesen "Terroristen" denn in die Bundesrepublik zurück geholt habe.

Opposition erwartet Entschuldigung

Alle drei Oppositionspolitiker machten deutlich, dass sie heute mindestens eine Geste der Entschuldigung erwarten. Vor allem müsse er seinen Satz aus der Welt schaffen, wonach er "heute es genau so wieder machen würde wie damals."

Das Trio gab zudem eine neue Schikane des Kanzleramtes gegen den Ausschuss bekannt. Kanzleramtsminister de Maiziere hat den Abgeordneten mitgeteilt, künftig dürften sie alle als "Vertraulich" gestempelten Akten nur noch in der Geheimschutzstelle des Bundestags einsehen. Das erschwert natürlich die Arbeit zusätzlich. Macht sich ein Abgeordneter dort Notizen, werden diese in einen verschlossenen Briefumschlag gesteckt, der ebenfalls in der Geheimschutzstelle bleiben muss. Das sei eine "Provokation der Regierung" gegenüber dem Bundestag.