Es sollte das Ende der internen Querelen werden, doch daraus wurde nichts: Auf der Kreisvorsitzendenkonferenz der Liberalen rief Generalsekretär Christian Lindner am Sonntag in Berlin eine neue politische Offensive aus, doch gleich darauf lasen die Kreisfunktionäre der Parteispitze die Leviten. Parteichef Guido Westerwelle und sein Team, so war auf dem Berliner Treffen zu hören, habe keine Antworten auf die Vertrauenskrise und die anhaltend schlechten Umfrageergebnisse. So durchkreuzten die Regionalfürsten das Konzept der Spitze, mit einer öffentlichen Veranstaltung die Debatte über die schwere Lage der Partei zu beenden.
Nach Überzeugung von Michael Böwingloh ist von Anfang an alles schief gelaufen. In dem vor einem Jahr ausgehandelten Koalitionsvertrrag sei viel Wichtiges ungefähr und unter Finanzierungsvorbehalt geblieben, schimpfte der Vorsitzende des Kreisverbandes Gütersloh auf der Funktionärskonferenz. Es habe alles schnell gehen soll, weil Westerwelle als frischgebackener Außenminister zum EU-Gipfel habe reisen wollen. In diesem Amt habe der Vizekanzler aber viel zu wenig Einfluss. "Der Außenminister ist bestenfalls noch ein Grüßaugust mit besonderem Titel."
Zwar formulierten nicht alle ihre Kritik so radikal, aber Böwingloh war mit seiner Haltung keineswegs allein. Dass bei einer jüngsten Umfrage nur noch zwei Prozent der Wähler der FDP Glaubwürdigkeit bescheinigten, schmerzt viele der Parteimitglieder. Viele Funktionäre haben offenbar kein Vertrauen mehr, wenn etwa FDP-Generalsekretär Christian Lindner verkündet, die Partei komme jetzt wieder in die politische Offensive. "Ihre Realität ist eine andere als meine", hielt Hans-Jürgen Knopff der Spitze unter Hinweis auf die anhaltend schlechten Umfragewerte vor.
"Ich bitte Sie, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen", begründete Jörg Behlen vom Kreisverband Marburg-Biedenkopf seine Kritik. "Das ist eine tiefgreifende Krise." Und der Vorsitzende des Bezirksverbandes Berlin-Spandau, Kai Gersch, monierte gar: "Wir haben hier das beste der letzten Parteitagsreden gehört. Das war ein bisschen wenig." Nicht einmal an der Politik von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ließ Geresch ein gutes Haar: Von der Abschaffung des von den Liberalen abgelehnten Gesundheitsfonds sei man weiter weg als je zuvor.
Zwar erhielt die Parteispitze bei der Berliner Konferenz auch die eine oder andere Streicheleinheit aus den Reihen der Kreischefs. Doch die Führung wurde überrascht vom Verlauf der Veranstaltung. Diese sollte schließlich nach einer Reihe nichtöffentlicher Kreiskonferenzen den Schlusspunkt unter die internen Querelen setzen, die der Partei neben der schwierigen Lage der Koalition zusätzlich zu schaffen machen. Das Konzept verkehrte sich geradezu ins Gegenteil: Die vorangegangenen Konferenzen hinter verschlossener Tür, so war am Sonntag aus der Partei zu hören, liefen weitaus weniger turbulent ab. Ganz offenbar nutzte mancher Kreischef die Berliner Bühne, um sein Mütchen zu kühlen.
Dem zeitweise erregten Parteichef blieb dabei nicht viel mehr übrig als gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Durchhalten und dem Gegenwind trotzen ist die Devise, mit der Westerwelle die Krise überwinden will. "Eine Partei, die sich von Umfragen weichkloppen lässt, ist nicht erfolgreich", rief er den unzufriedenen Kreischefs zu. Sein Generalsekretär Lindner warnte die Partei davor, in "Selbstekel" zu verfallen. Doch Lindner wird nach dem Berliner Treffen weiter darüber nachdenken müsste, wie er Ruhe bekommt in seine gebeutelte Partei.