Der stellvertretende FDP-Chef Jürgen Möllemann hat mit neuen Angriffen auf den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, und auf seine parteiinternen Kritiker heftige Kritik ausgelöst. Aus der Union hieß es, damit sei für ihn im Falle eines Wechsels zu einer schwarz-gelben Regierung nach der Wahl kein Platz im Kabinett. In der SPD-Fraktion wurde von einer perfiden Strategie Möllemanns gesprochen. Dieser griff am Donnerstagabend in der ARD seine Kritiker unter den Altliberalen scharf an und legte ihnen den Parteiaustritt nahe. FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper forderte daraufhin eine Entschuldigung von ihm.
»Gute Reise« für Hamm-Brücher und Baum
Möllemann sagte, wenn Altliberale wie Hildgard Hamm-Brücher und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, »die nichts, aber auch gar nichts beitragen zu einer positiven Entwicklung der FDP, die ihre Verdienste haben, aber jetzt wirklich in den Ruhestand gehen sollten, wenn die noch mal das Sagen bekämen, würde ich meine Mitarbeit in der FDP schlagartig beenden.« Er fügte hinzu: »Und wenn die drohen, sie wollen austreten, dann sollen sie gehen. Gute Reise!«
»Bei der WM ist Nachtreten auch nicht erlaubt«
Pieper erklärte in den »Tagesthemen«, sie wundere sich über solche Äußerungen. Möllemann solle »sich auch dafür entschuldigen«. Für die Liberalen sei es immer wichtig gewesen, fair miteinander umzugehen. Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff forderte Möllemann im ZDF-»heute journal« auf: »Gucken Sie sich die Fußball- Weltmeisterschaft an, da ist Nachtreten auch nicht erlaubt.«
Zuvor hatte der wegen antiisraelischer Äußerungen umstrittene Politiker Jamal Karsli auf seine Mitgliedschaft in der nordrhein- westfälischen Landtagsfraktion, der Möllemann vorsteht, verzichtet. Damit war die ultimative Forderung von Parteichef Guido Westerwelle nach Ausschluss Karslis erfüllt. Möllemann entschuldigte sich zudem für seine Äußerungen im Antisemitismus-Streit bei »den jüdischen Menschen«, nahm seinen Kontrahenten Friedman aber ausdrücklich aus.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, sagte der »Financial Times Deutschland«: »Herr Möllemann ist für die Union eine Zumutung.« Er könne sich »nicht vorstellen, dass die FDP eine Koalition davon abhängig macht, dass Herr Möllemann einen Platz im Bundeskabinett erhält.«
Möllemann »treibt sein Spiel weiter«
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Michael Müller erklärte, indem Möllemann eine Entschuldigung bei Friedman verweigere, treibe er sein Spiel weiter und fische nach rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Stimmen für sein »Projekt 18«.
Merkel froh, »dass der Kurs klar ist«
CDU-Chefin Angela Merkel sah die FDP-Führung um Westerwelle gestärkt. Der dpa sagte sie weiter: »Ich bin froh, dass die FDP- Spitze sehr klar gemacht hat, wie der Kurs der Partei aussieht und dass der Zentralrat der Juden in Deutschland mit der FDP wieder im Gespräch ist.«
»Jetzt muss man sich bei der FDP entschuldigen«
Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow bezeichnete die Entschuldigung Möllemanns als ausreichend. Er habe »keinen Grund, sich auch bei Michel Friedman zu entschuldigen«, sagte er der »Sächsischen Zeitung« (Freitag). Vielmehr müssten sich jene entschuldigen, die die FDP als antisemitisch verunglimpft hätten.

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Lambsdorff dagegen kritisierte neben Möllemann auch die Parteiführung in Nordrhein-Westfalen, die ihren Vorsitzenden im Streit mit dem Zentralrat der Juden und letztlich auch mit Parteichef Guido Westerwelle gestützt hatte.
Umfragen zeigen Stimmverluste der FDP
Mit der Antisemitismus-Debatte hat die FDP bei den Wählern an Zuspruch verloren. Nach einer repräsentativen Umfrage des dimap- Instituts im Auftrag des MDR kämen die Liberalen nur noch auf 10 Prozent der Stimmen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Vor zwei Wochen lag die FDP noch bei 13 Prozent.