Jährlich sterben in Deutschland nach Angaben des Verkehrs-Experten Günter Hubmann 65.000 Menschen an den Folgen der Feinstaub-Belastung - und das, obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist. "Man hat´s ausgesessen", kommentiert Seven Janssen vom Automobilclub von Deutschland knapp. Doch nach jahrelanger Untätigkeit reagierte die Bundesrepublik jetzt und legte einen Gesetzesentwurf zur Reduzierung von Feinstaub im Straßenverkehr vor. Sonntagsfahrverbote, wie von Politikern von Grünen und CSU gefordert, lehnte Bundeskanzler Gerhard Schröder dagegen ab. "Der Bundeskanzler bevorzugt mittel- und langfristige und damit nachhaltige Lösungen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans Langguth.
Eine EU-Richtlinie, die klare Grenzwerte vorsieht, gibt es allerdings bereits seit 1999. Laut EU-Vorgabe darf die Belastung an Feinstaub nur an 35 Tagen im Jahr über 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft liegen. Drei Jahre später wurden die europäischen Vorgaben auch in deutsches Recht umgesetzt. Doch seit dem wurde nach Ansicht von Günter Hubmann, Verkehrs-Experte bei Greenpeace, viel zu wenig getan. "Fünf Jahre hat die Bundesregierung gewartet, dass es irgendwie vorbei geht, aber es geht nicht vorbei", sagt Hubmann. Das änderte sich schlagartig als am Dienstag bekannt geworden war, dass neben München auch in Stuttgart die Jahresobergrenze für Feinstaubbelastung bereits im März überschritten wurde. Seitdem überschlagen sich die Politiker mit Vorschlägen, wie die Feinstaub-Belastung in den deutschen Städten kurzfristig verringert werden könnte.
"Fahrverbot geht an der Realität vorbei"
Grünen-Verkehrsexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig machte sich am Mittwoch in der "Bild"-Zeitung dafür stark, ein Sonntagsfahrverbot zu diskutieren. Auch CSU-Umweltexperte Josef Göppel hält der Zeitung zufolge ein solches Fahrverbot für richtig. Günter Hubmann nennt diese Vorschläge einen schlechten Witz. Ein Fahrverbot sei zwar die richtige Maßnahme, dieses aber auf den Sonntag zu legen, ginge an der Realität vorbei: "Der meiste Verkehr entsteht nicht am Sonntag sondern in der Zeit von Montag bis Freitag." Derselben Ansicht ist auch der Präsident des Bundesumweltamtes, Andreas Troge: "Ein allgemeines Fahrverbot ist eine Maßnahme, aber nicht die wichtigste, denn die Feinstaubbelastung ist natürlich im Alltag in den Ballungsräumen viel größer als an einem eh etwas verkehrsärmeren Sonntag", sagte Troge im ZDF. Auch Sven Janssen hält das Verbot für populistisch und wenig sinnvoll. Einerseits würden die Feinstäube oft tagelang in der Luft schweben und ein auf den Sonntag begrenztes Fahrverbot hinfällig machen. Andererseits würde sich das Verbot ausschließlich auf den Verkehr beschränken. Der Verkehr verursache aber nur maximal 25 Prozent der gesamten Feinstaubbelastung, so Janssen.
Wie zweifelhaft der Erfolg eines Fahrverbots ist, zeigte sich erst jüngst in Mainz. Beim Besuch des US-Präsidenten George W. Bush waren die Straßen in der Mainzer Innenstadt weiträumig gesperrt worden, die Staubbelastung sank dennoch nicht.
Finanzielle Förderung von Partikelfiltern
Für einen guten Ansatzpunk hält Janssen dagegen die finanzielle Förderung von Russpartikelfiltern. Nach Angaben des Verkehrsexperten Hubmann könnte mit Hilfe von Filtern der Ausstoß von Russpartikeln bei Pkw um 99 Prozent reduziert werden. Ein nachträgliches Aufrüsten mit Filtern sieht er aber kritisch. Auf diese Weise werde nur der einzelne Autobesitzer finanziell belastet, sagt Hubmann. Die Gesundheit der Menschen sei aber Aufgabe der Allgemeinheit. Er sehe vielmehr die Autoindustrie und die Politik in der Pflicht. Diese hätten seit Jahren den Einbau der Partikelfilter hinausgezögert. Der Autokäufer hatte bislang keine Wahl, er musste das Auto ohne Filter kaufen, sagt er. Deswegen fordert Janssen einen finanziellen Anreiz für Autobesitzer.
Einen Ansatz, den er mit der Bundesregierung teilt. Diese will jetzt im Kampf gegen die gefährliche Luftverschmutzung in den Städten nicht auf Fahrverbote, sondern auf Steueranreize für Rußfilter setzen. Ein Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung von Dieselfahrzeugen werde noch vor der Sommerpause vorliegen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans Langguth. Die Bundesregierung erwarte, dass die Länder positiv auf das Vorhaben reagierten, Käufer von Neuwagen mit Dieselrußpartikelfilter mit 350 Euro zu unterstützen und die Umrüstung von Gebrauchtwagen mit 250 Euro zu fördern.
Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) leht dies aber ab. Dies müsse dem Markt überlassen bleiben, sagte Sander der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Der Präsident des Bundesumweltamtes forderte eine Förderung für Rußfilter. "Wir müssen zur Förderung von Partikelfiltern kommen bei Pkw, und zwar sowohl für neue Fahrzeuge als auch für die, die schon im Verkehr sind." Die Feinstaubbelastung gehe zur Hälfte auf den fahrenden Verkehr von Dieselfahrzeugen und zu 30 Prozent auf Aufwirbelung etwa aus dem Reifenabrieb zurück.