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Flugverkehr "Absurden Tourismus wollen wir unterbinden"

Die Grünen widmen sich in einem Positionspapier dem "Luftverkehr in Zeiten des Klimawandels". Der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Winfried Hermann, erklärt im stern.de-Interview, wie es künftig um Urlaubsflüge steht und warum Einkaufsflüge nach Barcelona unsinnig sind.

Die Bundestags-Grünen fordern in einem Positionspapier die Ökologisierung des Flugverkehrs, Umweltfolgen seien nicht mehr hinnehmbar. Wollen Sie das Fliegen verbieten?

Nein, natürlich nicht. Das wäre auch ziemlich dumm, denn offenkundig ist das Flugzeug für bestimmte Bereiche und Strecken ein unverzichtbares Transportmittel in einer globalisierten Welt. Wir wissen als Grüne schon länger, dass man nicht mit dem Fahrrad nach Amerika kommt.

Sie wollen aber aus Klimaschutzgründen den Luftverkehr begrenzen. Wie?

Bisher ist der Luftverkehr von den Rahmenbedingungen auf Wachstum gestellt und zwar global. Es gibt noch keine Klimaschutzinstrumente im Flugverkehr. In Deutschland gewähren wir zum Teil Mehrwertsteuerbefreiungen und Subventionen für die Flughäfen. Das wollen wir beseitigen. Vor allem wollen wir, dass der Luftverkehr in den europäischen Emissionshandel einbezogen wird.

Das soll demnächst passieren...

Aber wir sind nicht damit zufrieden, wie es geregelt wird, denn es wird nur der Ausstoß von Kohlendioxid berücksichtigt. Dass es aber ab 2012 endlich zum Luftverkehrs-Emissionshandel kommt, ist als Anfang richtig.

Zur Person

Der 1952 in Rottenburg in Baden-Württemberg geborene Winfried Hermann sitzt seit 1998 für die Grünen im Bundestag. Am liebsten radelt der verkehrs- und sportpolitische Sprecher der Fraktion durch das Regierungsviertel. Das von den Grünen-Parlamentariern verabschiedete Positionspapier zum Flugverkehr ist unter seiner Federführung entstanden.

In dem Positionspapier sprechen die Grünen von schadstoffabhängigen Landegebühren, Klimaschutzabgaben, einer Flugticketsteuer, einer Kerosinsteuer und dem Ende der Mehrwertsteuer-Befreiung für Auslandsflüge. Mal ehrlich: Mit all diesen Maßnahmen könnten sich doch nur noch Reiche das Fliegen leisten.

Der Flugverkehr wird in den nächsten Jahren ohnehin teurer, weil die Kerosinpreise steigen. Wenn unsere Maßnahmen hinzukämen, würden die Preise weiter steigen - es wird aber nicht so sein, dass das Fliegen nur noch für Reiche möglich ist. Nur die völlig unsinnig verbilligten Flüge, etwa für 19,90 Euro einmal quer durch Europa zum Einkaufen, die würde es nicht mehr geben. Wir wollen über ökonomisch-fiskalische Instrumente einen ökologischen Wandel fördern.

In Ihrem Papier heißt es: "Preiswertes Fliegen wollen wir niemandem verleiden. Jedoch wird die Nachfrage zum Teil erst künstlich erzeugt." Daraus folgt doch umgekehrt: Billig in die Karibik gibt's nach Ihren Vorstellungen bald nicht mehr, oder?

Es wird schon noch so sein, dass man sich den Karibik-Flug leisten kann.

...aber nicht mehr so billig...

Ganz so billig nicht mehr. Wenn das Überseeticket heute für rund 800 Euro zu haben ist, dann würde es durch die Zuschläge etwa für den Emissionshandel vielleicht 50 bis 100 Euro mehr kosten. Ganz genau können wir das noch nicht sagen.

100 Euro sind schon viel.

Aber man muss auch sehen, dass der Flugverkehr das Klima sehr schwer belastet. Und es ist nicht zu rechtfertigen, dass es so viele steuerliche Vergünstigungen gibt, die andere Verkehrsträger gar nicht haben, die zudem die Umwelt viel weniger belasten. Wir wollen endlich deutlich machen, dass der Flugverkehr Umwelt und Menschen schädigt. Das muss wenigstens zum Teil in Preis-Aufschlägen berücksichtigt werden.

Kurzstreckenflüge unter 400 Kilometer wollen Sie auf die Bahn verlagern. Wie soll das gehen - mit einem Verbot?

Nein, wir haben extra kein Verbot vorgesehen. Die Bahnangebote müssen besser werden. Wir sind mitten in der Klimakatastrophe - und es gibt zum Beispiel noch immer Flüge von Stuttgart nach Frankfurt. Das ist völlig verrückt, zerstört die Umwelt und sogar der Zug ist da viel schneller! Wenn in höheren Gebühren der Emissionshandel oder der Lärm berücksichtigt ist, werden die Gesellschaften diese unsinnigen Ultrakurzstreckenflüge von sich aus streichen.

Sie fragen in dem Positionspapier, ob es mit den vielen Regional- und Klein-Landeplätzen nicht zu viele Flughäfen in Deutschland gibt. Wie lautet denn Ihre Antwort?

Es gibt eine Reihe von Flughäfen, die sind unnötig wie ein Kropf. Sie existieren nur, weil Landräte, Bürgermeister oder Landesväter der Meinung sind, es müsste in der Region diese Infrastruktur geben. Man hofft, dass mit einem Kleinflughafen der Jobmotor anspringt.

Was sagen Sie denen, die neue Arbeitsplätze schaffen wollen?

Es ist ein großes Märchen, dass sich so langfristig Arbeitsplätze schaffen lassen. In einigen Regionen ist es gelungen, das stimmt. Es überwiegen aber die Fälle, in denen trotz kräftiger Subventionen kein nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg zu verzeichnen ist.

Wo zum Beispiel?

Die Flughäfen Saarbrücken und Zweibrücken liegen nur 20 Kilometer auseinander. Saarbrücken ist schlecht ausgelastet und rechnet sich schon nicht, Zweibrücken wird trotzdem ausgebaut. Warum? Der eine Flughafen liegt im Saarland, der andere in Rheinland-Pfalz. Da spielt landesfürstliche Borniertheit eine Rolle, die unter ökologischen Gesichtpunkten nicht akzeptabel ist.

Sie können den Ländern aber nicht verbieten, Flughäfen zu bauen.

Nein, daher plädieren wir für eine neue Kompetenzverteilung. Derzeit wird das einzig globale Transportmittel, das Flugzeug, bei uns politisch und gesetzlich von Bürgermeistern, Landräten und Landesvätern gesteuert. Es ist nicht mal Teil des Bundesverkehrswegeplans. Stattdessen stehen darin Umgehungsstraßen, die wirklich nur lokale Bedeutung haben. Wir schlagen einen klaren Kompetenztausch vor: Der Bund muss für die Fliegerei auf den international wichtigen Flughäfen zuständig sein, die Länder nur für die Kleinflughäfen.

Beim Thema Einschränkung von Mobilität ist Ärger programmiert. Fürchten Sie nicht einen Sturm der Entrüstung, wenn Sie den Urlaubsflug der Deutschen antasten?

Nein, wir wollen es niemandem verleiden, zu fliegen. Aber wir wollen nicht, dass die niedrigen Flugpreise dazu führen, dass unsinniger Flugverkehr angeheizt wird.

Was ist denn unsinniger Flugverkehr?

Wenn sich Leute überlegen, für 9,99 oder 19,99 Euro mit ihrem Kegelklub nach Barcelona zu fliegen, statt mit der Bahn aufs Volksfest zu fahren. Da stimmt dann einfach nichts mehr. Diesen absurden Tourismus wollen wir unterbinden, weil er zu Lasten der Umwelt und der Beschäftigten geht. Außerdem sind die sehr niedrigen Preise oft ohnehin nur Mogelangebote.

Basteln Sie aber nicht eigentlich nur an einem Papierflieger? Bei den steigenden Spritpreisen ist billig Fliegen doch ohnehin bald vorbei.

Das stimmt zum Teil, aber der Luftverkehr wird weltweit trotzdem weiter wachsen. Die Kostensteigerungen, die wir vorschlagen, sind aus ökologischen Gründen absolut gerechtfertigt und sie übersteigen auch nicht die Aufschläge durch Sicherheitsgebühren. Da hat auch niemand gejault.

Fliegen Sie eigentlich gern?

Gern wäre übertrieben, weil ich weiß, dass ich einen Klimaschaden anrichte. Fliegen als solches ist aber schön, keine Frage.

Also fliegen Sie mit schlechtem Gewissen?

Ja, daher zahle ich einen Ausgleich an "atmosfair". Das hat auf meinen Vorschlag auch die Grünen-Fraktion übernommen. Auf Antrag der Grünen soll es bald für alle Flüge der Bundestags-Abgeordneten einen solchen Klima-Ausgleich geben.

Interview: Marcus Müller

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