Wenn er im seidenen Morgenmantel auf die Terrasse seiner Münchner Villa trat, fuhr automatisch eine schusssichere Glaswand hoch. Sie beschützte den scheuen Milliardär vor Anschlägen, die er zeitlebens fürchtete, und sie schirmte ihn ab vor der Welt, die ihm ein Leben lang unheimlich war. Der Mann, der gern getönte Brillengläser trug, nahm nicht einmal den Skandal richtig wahr, der seinen Namen trug. Friedrich Karl Flick kannte die Politiker kaum, die er schmieren ließ, ihm war "die Bonner Landschaft relativ unbekannt", in der sie agierten, schon gar nicht verstand er die Aufregung drum herum. Sein Bonner Büro betrat er "höchstens mal zur Weihnachtsfeier", das wirkliche Leben noch seltener.
Immer war etwas zwischen ihm und der Wirklichkeit. Mal 9-mm-Panzerglas, mal 150 Millionen Mark Steuernachforderung und meist sechs Leibwächter. Bevor er badete, maß ein Butler die Wassertemperatur. Nicht einmal zum Geld hatte er einen direkten Draht, dafür gab es einen Zahlmeister. Das war der Angestellte mit dem Portemonnaie, der für den Chef zahlte, denn der siebtreichste Deutsche trug nie einen Cent bei sich. Flick bestach nicht, er ließ bestechen, er zahlte nicht, er ließ bezahlen. Er holte sich nichts, er ließ einfliegen. Mal wurde sein Lieblingsweißwein nach Brasilien geflogen, wo er gerade in schwierigen Verhandlungen saß. Mal transportierte ein Hubschrauber sechs Gänse aus dem bayerischen Weyarn ins steirische Strechau, wo er gerade feierte, mal wurden Walderdbeeren nachgeliefert, auf die er Appetit verspürte. Bevor er nach Utah zum Wedeln düste, ließ er seinen Skilehrer vorauseilen und die schönsten Tiefschneehänge auskundschaften. Einen "Welt am Sonntag"-Reporter ließ er mit dem Helikopter auf sein Anwesen am Starnberger See einschweben und vertraute ihm sein Innerstes an: "Am meisten Sorgen macht mir derzeit die Chemiefaser."
Wenn beim Partymachen gegen zwei Uhr nachts das erste Hemd durchgeschwitzt war, ließ er den Fahrer nach Hause schicken und sich vom Butler ein frisches bringen. Nur feiern, das tat er selbst, ausgiebig, jahrelang, hemmungslos. "Bild" fand heraus, er trinke "das ganze Jahr hindurch Unmengen von kleinen Bierchen und sehr altem Rotwein". Einmal wurde er vormittags aus einer Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bank getragen, weil er bis sechs Uhr früh in der Düsseldorfer Altstadt gefeiert hatte. Die "Süddeutsche Zeitung" hörte aus der Unternehmer-Kaste, Flick sei bei der Bank deshalb "in Ungnade gefallen". Es war ihm egal. Man kann es verstehen, bei dem Kontostand.
Zur Freude der Münchner Klatschreporter war er stets bemüht, sein Geld beidhändig auszugeben. Aber was er auch anstellte - es wurde einfach nicht weniger. Allein die Klimaanlage in seinem steirischen Jagdsitz (1200 qm) hat 4,6 Millionen Mark gekostet, die 600-qm-Villa mit Atombunker und Schwimmhalle an der teuersten Münchner Straße 28 Millionen, der Wintersitz in Palm Springs, Kalifornien, nicht ganz so viel, das Penthouse in New York etwas drüber, die 30 Zimmer in Düsseldorf deutlich drunter, und das Anwesen am Wörthersee hat rund 70 Millionen Mark verschlungen. Derlei Unkosten beglich er mit ein paar Wochen Nichtstun: Sein ungeheures Vermögen mehr als sechs Milliarden Euro wuchs jeden Tag um eine Million an, es wuchert auch nach seinem Tod weiter. "Ich versuche, nach Steuern und Inflation, eine Rendite von vier Prozent zu erzielen. Klingt wenig, oder?", verriet er 1998.
Vier Vermögensverwalter, die in Wien sitzen, schleusen dieses Gebirge von Geld geschickt um alle deutschen Finanzämter herum. Seine beiden Töchter aus zweiter Ehe und seine dritte Frau Ingrid, 46, mit der siebenjährigen Viktoria-Katharina und dem wenige Minuten jüngeren Karl Friedrich werden nun erben. Flick hat die Zwillinge mit 71 Jahren in die Welt gesetzt. "Ja, sensationell, was der alte FKF noch alles hinbringt", staunte damals sein Feinkostlieferant Gerd Käfer, der ihm jahrelang die Lachs-Kanapees frei Haus spedierte.
Wer weiss, was aus FKF geworden wäre, wenn er sich aus dem Nichts hätte hochrackern müssen und für sein Geld arbeiten, wie Vater Friedrich? Ein gerissener Steuerberater vielleicht oder ein trinkfester Förster? 1985, vor dem Flick-Untersuchungsausschuss, gab er als Beruf bescheiden "Kaufmann" an, und er hat ja auch immer ordentlich eingekauft. Ob er immer wusste, wie viele Schlösser, Villen, Jagdhäuser, Beach-Properties, Penthouses, Flugzeuge, Rennwagen und Yachten er gerade besaß? Aber eigentlich hätte er damals sagen müssen: Verkaufsmann. Denn die herausragende Leistung seines Lebens, für die er in die ewige Bestenliste der Steuerflüchtlinge eingegangen ist, war der Verkauf seines Erbes. Sein Über-Vater hatte ihm Ende der 60er Jahre das größte deutsche Industrieimperium vermacht. Kaum war er tot, filetierte FKF es in wenigen Jahren und schlug es für insgesamt gut sieben Milliarden Mark los. Allein 1,9 Milliarden Mark brachte ihm das Paket Mercedes-Aktien, das er schon 1975 zum Entsetzen der Familie an die Deutsche Bank verscherbelte: "Wir haben uns damals die Haare gerauft und gesagt: Jetzt fängt der Onkel auch noch an, Daimler zu verkaufen. Das ist der Anfang vom Ende", erzählte Neffe Gert-Rudolf dem Flick-Biografen Thomas Ramge× später.
Die Neffen behielten recht. Dreizehn Jahre nach dem Tod ihres Großvaters, der 1972 einsam in einem Hotelzimmer starb, war vom einst gewaltigen Reich, in dem Panzer, Badewannen, Wasserrohre, Minen, Heizkessel, Zylinderköpfe, Jagdpatronen und die S-Klasse hergestellt wurden, kein einziges Flick-Werk mehr übrig. 1985 verkaufte FKF seine restlichen Beteiligungen, wiederum an die Deutsche Bank, diesmal für 5,3 Milliarden Mark. Steuern sparte er abermals: Weil Flick sein Unternehmen nun komplett liquidierte, wurden die Erlöse nur mit dem halben Steuersatz belastet. "Es gab keinen anderen Weg, um das Vermögen über die nächste Generation hin zu erhalten", erklärte er damals, er sei "das Opfer" der deutschen Steuergesetze. Auf seinen Schlussverkauf war der Sohn auch noch stolz, seine Spezln im Landkreis Starnberg feierten ihn bei Dom Perignon als Finanzgenie. Doch Neffe Gert-Rudolf sah ihn realistischer: "Der Onkel hat den Konzern verspielt, und wir konnten nichts dagegen machen."
Flick war kein skrupelloser Ausbeuter wie sein Vater, seine zahllosen Bediensteten wurden offenbar so ordentlich bezahlt, dass keiner bis heute ein Enthüllungsbuch über ihn geschrieben hat. FKF war eher die Karikatur des Trachtenjackerl-Millionärs - unermesslich reich, schlicht und verschroben. Einer, der sich abends hinsetzte, um "ein gutes Buch zu genießen, zurzeit beispielsweise die gesammelten Werke von Wilhelm Busch". Einer, der in "Harry's Menshop" 80 Pullover auf einmal bestellte und jeden Maßanzug fünfmal nähen ließ - mit eingenähten Nummern, für jede Hauptresidenz einen. Einer, der nummerierte Brillenetuis hatte, drin war für jeden Lichteinfallswinkel eine speziell eingefärbte Brille. Wirklich glücklich war er in der Steiermark, wo schon sein Vater ein ganzes Tal gekauft hatte. Das 14 000 Hektar große Jagdgut Rottenmann, das man nur mit einer Magnetkarte betreten konnte, war sein Hauptwohnsitz, es wurde von 60 Angestellten in Schuss gehalten.

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Beim liebsten Sport seiner Gehaltsklasse - "Wer hat den längsten?" - spielte er jahrelang in der Champions League. Weil ihm sein erster Dampfer zu kurz war, er maß nur 42 Meter, ließ er sich 1978 in Holland einen längeren bauen. Mit 63 Metern war die "Diana II" fast so lang wie die "El Riad" des saudischen Königs. Wer auf diese Yacht eingeladen war, wurde vorher telefonisch gefragt, wann es denn recht sei: "Hatte man sich auf einen Termin geeinigt", schrieb die "Vogue", "wurde drei Stunden vor Abflug zunächst der Koffer von einem Chauffeur abgeholt, schließlich man selbst. Vom Heimatflughafen ging es in einem Privatjet nach - zum Beispiel - Olbia auf Sardinien, wo bereits ein Hubschrauber mit laufenden Rotoren bereitstand, um einen zum Hafen zu bringen, wo die "Diana" lag. Nach einer kurzen, formlosen Begrüßung an Bord wartete das Gepäck im Schrank - Jacken und Abendgarderobe kurz aufgebügelt, Hemden und Poloshirts in rigiden, geometrischen Stapeln nach Farben geordnet."
FKF war, wie sein Vater früh erkannte, kein Unternehmer. Immer wieder suchte der Konzerngründer nach Lösungen, wie er den Besitz in der Familie halten konnte, ohne ihn dem Haupterben Friedrich Karl allein zu überlassen. Vergebens. Sein Versuch, die Großneffen Friedrich Christian, genannt "Mick", und Gert-Rudolf, genannt "Muck", einzubinden, scheiterte. Mick und Muck wurden von ihrem Onkel geschickt verdrängt und mit jeweils 100 Millionen Mark ausbezahlt. Vielleicht war auch Neid dabei, denn die beiden Jungen hatten etwas, was man sich nicht kaufen konnte - Glamour. Sie sahen gut aus, sie waren gebildet, gut gekleidet und frech. Muck sammelte Kunst und Prinzessinnen, bis er im Jahr 2000 die Pfefferminz-Erbin Vivil ehelichte. Mick sammelte Kunst und Gräfinnen, was ihn öfter in die Klatschspalten brachte, als ihm lieb war. Als er seine zweite Frau verließ, Gräfin Maya von Schönburg-Glauchau, Schwester von Gloria von Thurn und Taxis, fand er sie mit 20 Millionen Mark ab. Viel zu wenig, klagte sie: "Eine Summe von 20 Millionen sieht nach viel aus. Aber es ist nicht viel, wenn man das Leben der Superreichen führt. Ich habe meinen Lebensstil um 80 Prozent heruntergeschraubt, aber die Kosten sind immer noch astronomisch." Da wird Onkel Friedrich Karl nur gekichert haben. 20 Millionen machte er an 20 Tagen. Nun wird das "Bürschchen" (wie sein Vater ihn nannte) in die Geschichte eingehen als der Sohn, der Kasse machte.
Das Drama des unbegabten Kindes, das eigentlich ein Mädchen hätte werden sollen, begann 1927 in Berlin-Grunewald, da wurde FKF als dritter Sohn geboren. Sein ehrgeiziger, neun Jahre älterer Bruder Otto-Ernst wurde vom Vater nach einem bitteren Kampf um Unternehmensstrategien Mitte der 60er Jahre entmachtet und mit 100 Millionen Mark abgefunden, er starb krank und verbittert zwei Jahre nach seinem Vater. Der mittlere Bruder Rudolf fiel 1941, mit 21 Jahren, an der Ostfront. FKF machte 1944 Abitur in Bad Tölz, wohin die Familie vor den Bombardements geflohen war. Während der Vater 1945 in einem alliierten Internierungslager Kartoffeln schälte, studierte der Sohn in München Betriebswirtschaft, später promovierte er zum Dr. rer. pol. und bekam eine "Audemars Piguet"-Uhr geschenkt, "Zum Doktorhut - Dein Vater" war auf der Rückseite eingraviert. Friedrich Karl, der mehrmals täglich die Uhr zu wechseln pflegte, trug sie "gern abends".
Parteispenden
Flick-Affäre
25 Millionen Mark an Politiker als "Landschaftspflege"
1975 stößt Flick nicht nur seine zweite Frau, sondern auch seine Daimler-Aktien ab. Die Deutsche Bank zahlt ihm dafür 1,9 Milliarden Mark - ein glänzendes Geschäft, für das eigentlich eine Milliarde Mark Gewinnsteuern fällig wären. Doch Flick, der zu diesem Zeitpunkt reichste Deutsche, will diese Steuern nicht zahlen und pocht stattdessen auf einen Ausnahmeparagrafen, der Aktienverkäufe von der Steuer befreit, wenn der Deal "volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig" ist und sowohl der Wirtschafts- als auch der Finanzminister zustimmen. Die angestrebte Steuerbefreiung führt direkt zum größten Politskandal der Bundesrepublik, der mit dem Namen Flick verbunden ist: Dem Skandal um illegale Parteienfinanzierung und Bestechlichkeit. Denn zur gleichen Zeit als Flick auf die Genehmigung der Steuerbefreiung wartet, verteilen seine Manager dicke Briefumschläge voller Geld an deutsche Spitzenpolitiker. 1981 entdecken Steuerfahnder bei Flicks Chefbuchhalter Rudolf Diehl ein Kassenbuch, das Bargeldzahlungen an Politiker auflistet: dreimal waren es 250 000 Mark an CSU-Chef Franz Josef Strauß, mal 50 000 Mark an CDU-Chef Helmut Kohl, mehrmals 30 000 Mark an Otto Graf Lambsdorff (FDP), mal 100 000 Mark an Walter Scheel (FDP), mehrmals 70 000 Mark an Wirtschaftsminister Hans Friderichs und so weiter. Die erstaunlichen Erinnerungslücken von Bundeskanzler Helmut Kohl im FlickUntersuchungsausschuss erklärt CDUGeneralsekretär Heiner Geißler später mit einem "Blackout" des Kanzlers. Durch den Ausschuss wird klar, dass insgesamt mehr als 25 Millionen Mark aus Flicks schwarzen Kassen an Politiker von CDU/CSU, FDP und SPD flossen. "Pflege der Bonner Landschaft" nennt Flicks Topmanager Eberhard von Brauchitsch das. Später erklärt von Brauchitsch, der Konzern habe letztlich "Schutzgelder bezahlt, um sich vor Repressionen in Form wirtschaftsfeindlicher Politik zu schützen". Im Prozess kann der Anklagepunkt Bestechlichkeit aber nicht nachgewiesen werden, weshalb Lambsdorff, Friderichs und von Brauchitsch 1987 nur wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden.
Markus Grill
Das Verhältnis zum Despoten war immer gespannt, die beiden waren grundverschieden - den Alten interessierte die Macht, die er mit Geld ausüben konnte, den Sohn faszinierte nur das Geld. "Friedrich der Große" war eine dominierende Gestalt. Der stramm protestantische Bauernsohn aus dem Siegerland lebte bis zu seinem Tod mit 89 Jahren spartanisch, er trank nicht, er hatte keine Frauengeschichten, er hatte, wie ein Neffe sagte, "kein Privatleben". Anders als der Sohn, der bei jeder Party der Letzte war, der ging, las der Vater Bilanzen bis spät in die Nacht und kannte die Rendite von jedem Hochofen. Im Ersten Weltkrieg schuf er das erste Rüstungsimperium, im Zweiten Weltkrieg das zweite, in der Bonner Republik das dritte. Mit Bargeld hielt er sich Politiker in allen Regimen gesonnen, so beglich er die privaten Schulden von Außenminister Stresemann und griff Reichskanzler Brüning unter die Arme. Anfangs zögerte er, die Nazis finanziell zu unterstützen, aber bald war ihm klar, dass ohne sie kein Geschäft zu machen war. Er trat in den "Freundeskreis des Reichsführers SS" und 1937 in die NSDAP ein. Die Zuwendungen waren nun so hoch, dass SS-Chef Heinrich Himmler das Geld persönlich bei Flick in Berlin-Tiergarten abholte. Die 7,65 Millionen Reichsmark waren, wie immer, gut investiert, sie waren bald Milliarden wert, denn die Nazi-Diktatur und ihr Krieg erwiesen sich als unternehmerischer Glücksfall für Flick. Seine Rüstungsfirma Mittelstahl stellte ab 1934 in großem Umfang Bomben, Geschosse, Granaten und Panzerrohre her. Je heftiger der Krieg tobte, desto prächtiger verdiente Flick: Auf dem Höhepunkt kontrollierte er die europäische Montanindustrie, hatte das größte private Firmenimperium geschaffen und sein Privatvermögen auf mehr als zwei Milliarden Reichsmark vermehrt. Die Amerikaner nahmen ihn 1945 als Kriegsverbrecher in Haft, 1947 stand er bei den Nürnberger Folgeprozessen vor Gericht. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Flick senior bis zu 50 000 Zwangsarbeiter und KZ-Gefangene unter miserablen Bedingungen schuften ließ. Er wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, saß aber nur bis 1951 ein und übernahm dann sofort wieder die Geschäfte, nun mit Sitz in Düsseldorf. Drei Viertel seines Besitzes hatte er zwar verloren, weil dieser in der Sowjetzone lag, doch Mitte der Fünziger war er schon wieder der reichste Deutsche.
Der alte Flick hatte die Ausbeutung von KZ-Sklaven immer bestritten, er weigerte sich deshalb auch, jene fünf Millionen DM zu bezahlen, die seine "Dynamit Nobel AG" ihren ehemaligen Zwangsarbeitern zahlen wollte. Flick vermochte "nicht zu erkennen, dass humanitäre oder moralische Gründe eine Auszahlung rechtfertigen könnten", schrieb er 1970. Bis zu seinem Tod rückte er keinen Pfennig heraus. Er fand, das käme einem Eingeständnis von Schuld gleich. Geiz und Blindheit waren eine Familientugend, auch der Sohn FKF weigerte sich später, in den freiwilligen Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft einzuzahlen. Und dessen Variante, Politiker zu schmieren - wie mit Spenden "wg. Kohl" -, haben bundesdeutsche Geschichte gemacht.
Die miese Presse war ihm egal, schließlich gab es in der "Bunten" immer mal wieder Freundliches über ihn zu lesen. So auch diese schöne Geschichte: "Um eine Vorstellung zu bekommen, wie dieser Mann lebt, müssen wir einmal beschreiben, welche Umstände es macht, wenn er mit ein paar Freunden zum Abendessen geht. Die Karatehände seiner Leibwächter wählten letzten Freitag (im Mai 1990) die Münchner Telefonnummer des Edelrestaurants "Tantris". Sie überprüften die Gästeliste. Ist niemand auszumachen, der Flick stören könnte - keine Journalisten, keine Terroristen, keine Familienangehörigen (Neffen), keine Millionäre, mit denen er verfeindet ist -, dann: grünes Licht. Per Fax kommen nun die Details. (Das Menü)É soll leicht sein. Man denke an etwas Lachs, sehr wenig Kaviar, etwas Spargel, Steinbutt, Rehrücken in der Salzkruste usw."
Sehr wenig Kaviar, man hätte gern gewusst, wie viel Pfund man darunter im Haus Flick verstand. Flick war ein Mann mit eher bodenständigen Gelüsten. Ein Glas frisch gezapftes "Löwenbräu", genau sechs Grad kalt, ein paar Weißwürste, viele Hirschgeweihe an der Wand und Marschmusik zum Abendessen - das war seine Welt. Ihm gefiel, wenn die Metnitzer Schützengarde aufspielte und auf sein Zeichen in die Luft schoss, um das Büfett zu eröffnen. Selig war er, wenn er auf dem Oktoberfest vor der Kapelle den Taktstock zum Bayerischen Defiliermarsch schwingen durfte. Er war Ehrenmitglied der Münchner "Filser Buam", ein so erzkonservativer Zirkel, dass der Münchner Oberbürgermeister Ude (SPD, auch er ein Filser Bua) einmal reimte: "Was ist schwärzer als die Kohlen und des Negers Vorderfuß. Es sind, und zwar in diesen Stuben, die hier vereinten Filserbuben."
Flick fuhr zwar Ski mit Prinz Feisal und ging auf die Jagd mit König Juan Carlos, aber lieber zog er mit ein paar Bussi-Größen durch die Münchner Nacht. Wenn sich die Herren unter den Tisch tranken, gingen oft Gläser zu Bruch, manchmal ein Klavier, in Ingos Diskothek 1977 sogar die gesamte Einrichtung. Aber kein Wirt war je böse, denn der Schaden wurde vom Flickschen Zahlmeister noch vor Ort beglichen, in bar.
Er feierte oft mit Stars und Prinzessinnen auf seiner Yacht, aber wenn es ernst wurde, schaute er sich lieber in der werktätigen Bevölkerung um. In seinem einzigen stern-Interview bekannte er 1985 auf die Frage, ob er einsam sei: "Ein netter lieber Kamerad, ein Mädel mit gesundem Menschenverstand, das gehört schon dazu." Die erste Ehefrau Elga war halb so alt wie er, Fremdsprachen-Studentin und nach drei Jahren wieder solo. Ursula, die zweite, war Tochter eines Oberförsters, redete ihm ein bisserl zu viel und war nach sechs Jahren um 7,5 Millionen Abfindung reicher. Ingrid, die dritte, ist Tochter eines steirischen Zimmermanns. Die blonde Hotelangestellte, 33 Jahre jünger als er, lernte er Anfang der 80er Jahre beim Skifahren im Arlberger Luxushotel "Hospiz" kennen. Hochzeit 1990. Mit ihr und seinen Milliarden setzte er sich 1994 endgültig in die steuerfreundliche Steiermark ab. Man schätzt, dass der deutsche Fiskus deshalb zwischen 70 und 110 Millionen Mark jährlich weniger kassierte. Nur einmal haben sie ihn erwischt. Da zeigte sich Flick lieber schnell selbst an, als die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft 1998 herausfand, dass er 150 Millionen Mark heimlich in Liechtenstein angelegt hatte.
Aber da waren die wilden Zeiten längst vorbei, statt Moët & Chandon wurde in der Zirbelstube nun Fencheltee gereicht. Die vielen Feste und das Ansitzen in aller feuchten Frühe auf den Auerhahn - er ließ sie zu Tausenden auf seinem steirischen Gut aufziehen - hatten ihm so zugesetzt, dass er immer öfter krank war. Die "Bunte" litt mit ihm: "Leicht möglich, dass sich Flick zuletzt etwas zu viel zugemutet hat. Allein schon die Reisen zu den Besitztümern in Österreich sind anstrengend." Erst erlitt er beim Golfspielen (Handicap 24, er war Mitglied in 26 Clubs) einen Kreislaufkollaps, dann brach er bei der Jagd zusammen, bekam eine künstliche Hüfte, eine Blutvergiftung, lag wochenlang im Koma. Auf einer Privatstation im Münchner Klinikum Großhadern hatte er zwei nebeneinanderliegende Zimmer. In einem lag er, das andere war zur kleinen Küche umgerüstet, und draußen auf dem Flur saß rund um die Uhr ein muskulöser Leibwächter.
In der vergangenen Woche ist Friedrich Karl Flick in seiner Villa am Wörthersee gestorben. Österreich war immer seine zweite Heimat. "Wenn Deutschland gegen Österreich spielt", erzählte seine Frau Ingrid einst der "Bunten", "dann ist mein Mann entweder deutsch oder österreichisch. Er wartet die Halbzeit ab. Wenn er sieht, dass Österreich gewinnt, gehört er zu Österreich. Wenn Deutschland führt, gehört er zu Deutschland."
Das letzte Spiel hat Österreich ge- wonnen. Da gibt es keine Erbschaftssteuer.
Mitarbeit: Rupp Doinet, Markus Grill